112 Delegierte, 791 Abstimmungen

21. Oktober 2018 | von

Ende August wurde das 201. Außerordentliche Generalkapitel unserer Gemeinschaft beendet. Es beschäftigte sich mit der Revision unserer Konstitutionen. Der folgende Beitrag liefert uns einen Einblick in dieses besondere Ereignis der „Minoriten weltweit“.

Es waren 112 Brüder, die sich vom 24. Juli bis zum 26. August in Nemi in der Nähe von Rom versammelten. Vertreten waren alle 49 stimmberechtigten Jurisdiktionen unseres Ordens, also Provinzen und Kustodien aus fünf Kontinenten. Da größere Provinzen mehrere stimmberechtigte Delegierte schicken dürfen, waren es am Ende 83 Brüder, die sich an den Abstimmungen beteiligen konnten. Deutschland wurde von Provinzialminister Br. Bernhardin M. Seither vertreten, Österreich-Schweiz von Kustos Br. Daniele Brocca. Die übrigen anwesenden Brüder waren als Übersetzer eingesetzt, als Sekretäre oder als Experten für bestimmte Sachgebiete. 

Langjährige Vorarbeit
Das große Anliegen des Außerordentlichen Kapitels war die Revision der Konstitutionen unserer Gemeinschaft. Die bisher gültige Fassung dieses zentralen Regelwerks stammte aus den 80er-Jahren und wurde in den vergangenen Jahrzehnten nur an einigen Stellen geändert, so dass eine komplette Revision nun überfällig war. Der Überarbeitungsprozess war auf mehrere Jahre angelegt, galt es doch, die über 4.000 Brüder weltweit in die Revision mit einzubeziehen. Eine eigens eingesetzte Kommission hatte einen Vorschlag erarbeitet, der teils verschiedene Alternativen enthielt. Dieser Vorschlag wurde dann in die verschiedenen Sprachen des Ordens übersetzt, an alle Klöster verschickt – und die Brüder hatten die Gelegenheit, die Paragrafen zu diskutieren, Änderungswünsche anzumerken und ihre Meinung zurück nach Rom zu schicken. Nach einigen Startschwierigkeiten war die Beteiligung der Brüder weltweit doch erfreulich hoch, und die Brüder auf dem Generalkapitel konnten schließlich einen Vorschlag diskutieren und abstimmen, den zumindest theoretisch jeder Bruder bereits gelesen hatte und zu dem jeder Minorit weltweit seine Meinung hatte kundtun können. 

Bitte um den Geist
Nach der Eröffnung des Generalkapitels durch Generalminister Br. Marco Tasca am 24. Juli wurden, wie üblich, zunächst verschiedene Kapitelsaufgaben verteilt und organisatorische Dinge geklärt – nicht jedoch ohne vorher die Gegenwart des Heiligen Geistes zu erbitten. Bevor die eigentliche Kapitelsarbeit an den Konstitutionen begann, erwartete die Kapitulare noch ein Einkehrtag. Diesen gestaltete Br. Robert Carboni, selbst Franziskaner-Minorit und seit 2016 Bischof von Ales-Terralba, Italien. Er beschäftigte sich mit der Unterscheidung der Geister und betonte, wie wichtig der brüderliche Dialog sei, um vom Geist geleitete Entscheidungen fällen zu können. 

Diskussionen und Abstimmungen
Und schließlich ging es dann an die Konstitutionen. Dabei galt es, insgesamt 231 Artikel zu verabschieden, wofür – so hat der Chronist des Kapitels genau gezählt – am Ende 791 Abstimmungen nötig waren. Damit die Kapitulare aber vorher auch diskutieren und ihre Meinung kundtun konnten, wurden verschiedene Methoden verwendet, um einerseits Diskussion zu ermöglichen, andererseits auch im Blick auf das enorme Arbeitspensum und die begrenzte Zeit ein Ausufern zu verhindern. So waren sämtliche Redebeiträge zeitlich limitiert. Wer ein Thema noch einmal aufgreifen wollte, das eigentlich schon behandelt war, brauchte auch dafür erst wieder die nötige Zahl an Unterstützern. Recht häufig fiel in der Kapitelsaula der Fachbegriff „iuxta modum“. Damit wurde jedem Kapitular ermöglicht, einen eigenen Änderungsvorschlag zu jedem Paragrafen zu präsentieren. – Sicherlich sind nicht nur die Simultanübersetzer gelegentlich ins Schwitzen gekommen, sondern auch die Brüder, die jeweils am Abend sämtliche erstellten Texte in die vier offiziellen Ordenssprachen (Italienisch, Englisch, Polnisch und Spanisch) zu übertragen hatten. 

Einblick in die Themen
Man kann sich gut vorstellen, dass das tagelange Sitzen und Diskutieren von Rechtsvorschriften für die anwesenden Brüder insgesamt anstrengend war – und so sollen auch die Leser/innen nun nicht mit Details gelangweilt werden. Einige wenige herausgegriffene Themen sollen aber zumindest einen Einblick gewähren, welche Fragen es zu behandeln galt.
Kontrovers wurde eine kirchenrechtliche Frage diskutiert: Sind wir ein Brüderorden oder ein klerikales Institut? Neben der Treue zum Gründer, der in seiner Gemeinschaft keinen hierarchischen Unterschied zwischen Priestern und Laien gemacht sehen wollte, hat diese Entscheidung vor allem Konsequenzen im Blick auf Leitungsämter. In einem klerikalen Institut kann ein Bruder, der nicht Priester ist, beispielsweise nicht zum Provinzialminister gewählt werden. – Man entschied sich schließlich, am derzeitigen Status nichts Wesentliches zu verändern. Schon in den letzten Jahrzehnten stellten unsere Konstitutionen fest, dass unser Orden von der Kirche „unter die klerikalen Institute gezählt“ wird.
Sehr viel mehr den Alltag der Brüder betreffend, war die Frage nach dem Umgang mit den Massenmedien. Freilich wird an einem Thema wie diesem dann auch sehr schnell klar, dass sich vieles nicht „per Gesetz“ regeln lässt, vor allem dann nicht, wenn man das Leben nicht bis ins kleinste Detail festlegen und reglementieren will. Als „heißes Eisen“ galt in der Kapitelsaula auch die Frage nach dem Umgang mit dem Geld und der finanziellen Solidarität zwischen Provinzen und Kustodien. 
Fest verankert in den revidierten Konstitutionen wurde der Begriff der Evangelisierung. Auch die Sorge um die Schöpfung findet einen prominenteren Platz als bisher. Von großer Tragweite dürfte die Entscheidung der Brüder sein, die einer einzigen franziskanischen Universität in Rom (UniFra) zustimmt. Bislang haben sowohl die Franziskaner, die Kapuziner als auch wir Minoriten noch eigene, unabhängige Studienhäuser. 
Für künftige Leitungsämter dürfte entscheidend sein: Der Regelfall sieht nur mehr zwei aufeinander folgende Mandate vor. Ein Provinzialminister kann also maximal acht Jahre am Stück dieses Leitungsamt ausüben – eine Verlängerung wäre dann nur noch über den Umweg der sogenannten Postulation möglich.  

Erstprofess der Novizen
Ein besonderer Moment während der Kapitelszeit war gewiss der 24. August. Da nämlich reisten alle Kapitulare nach Assisi, um an der Profess der letztjährigen Novizen teilzunehmen. In die Hände von Generalminister Br. Marco Tasca versprachen die 16 Novizen ihre Erstprofess. Mit dabei war mit Br. Markus Scholz auch ein Novize aus Deutschland – ebenso wie Novizen aus Italien, England, Kroatien und Spanien. Von September 2017 bis August 2018 haben sie in Assisi unsere Gemeinschaft besser kennengelernt und kehren nun in ihre Heimatprovinzen zurück. Provinzialminister Br. Bernhardin M. Seither freut sich über einen neuen, jungen Bruder für die deutsche Ordensprovinz. 

Abschluss des Kapitels
Nach dem Feiern mussten die Kapitulare dann noch einmal für einen Tag nach Nemi zurückkehren. Dort wartete die finale Abstimmung. Nachdem die einzelnen Paragrafen schon in den vorhergehenden Wochen jeweils mit 2/3-Mehrheit angenommen wurden, musste trotzdem noch einmal der Text als ganzer die Zustimmung der Kapitulare finden. Nun müssen die verabschiedeten Konstitutionen dem Vatikan zur Genehmigung vorgelegt werden.
Der letzte Tag wurde auch für statistische Informationen genutzt, die vielleicht auch hier interessant sein können. Derzeit zählt der Orden der Franziskaner-Minoriten insgesamt 4.047 Brüder, darunter 24 Bischöfe, 2.797 Priester, 60 Diakone (auf dem Weg zur Priesterweihe), 11 Ständige Diakone, 470 Ordensbrüder, 97 Brüder mit Feierlicher Profess im Theologiestudium, 492 Brüder mit Einfacher Profess und 96 Novizen. 
Mit einer festlichen Eucharistiefeier, dem Te Deum und dem Segen des Generalministers wurde das 201. Außerordentliche Generalkapitel beschlossen – und die 112 Brüder, die fünf Wochen gemeinsam gebetet und gearbeitet haben, kehrten, wohl zumeist froh und erleichtert, in ihre Heimatländer zurück.

Zuletzt aktualisiert: 21. Oktober 2018
Kommentar