Der Umgang mit Muslimen

30. Dezember 2018 | von

Der Islam gehört seit einigen Jahren wohl wieder zu den Top-Themen, die die Menschen in Europa beschäftigen. Unser Autor blickt zurück in die Zeit des Franziskus: Wie hat die Kirchenobrigkeit den Islam eingeschätzt? Was zeichnete den anderen Blick des heiligen Franziskus auf die Muslime aus? In diesem und im nächsten Heft erfahren Sie mehr dazu.

Es war sicher etwas Neues, ja Einzigartiges, dass die katholische Kirche in ihrer Erklärung zu den nichtchristlichen Religionen im II. Vatikanischen Konzil 1965 von der Aufgabe spricht, „Einheit und Liebe unter den Menschen und soweit auch unter den Völkern zu fördern. Sie will ins Auge fassen, was den Menschen gemeinsam ist und sie (die Völker) zur Gemeinschaft untereinander führt.“
Das Konzil ermahnt alle, „das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit ... und nicht zuletzt den Frieden und die Freiheit für alle Menschen.“

Ein Blick in die Zeit des Franziskus
Im Oktober 1187 fiel die Stadt Jerusalem in die Hände der Muslime (Sarazenen). Es folgt der dritte Kreuzzug (1189-1192). Es ist ein Teilerfolg; die Küste von Palästina kommt unter die Kontrolle der Kreuzfahrer. Papst Innozenz III. ruft den vierten Kreuzzug aus (1202-1204). Er ist ein kompletter Misserfolg. Im April 1213 schreibt dieser Papst die Enzyklika „Quia maior“, um den fünften Kreuzzug anzukündigen. Er findet von 1217-1221 statt. Es sind also drei Kreuzzüge ins Heilige Land, die in die Zeit des Franziskus fallen. Im Rahmen des fünften Kreuzzuges kommt Franziskus nach Ägypten und Palästina (1219/1220); es kommt auch zur Begegnung und zum Gespräch mit dem Sultan. 
Papst Innozenz wirbt für den neuen Kreuzzug „im Namen Jesu“. Wer ihm nachfolgen will – so der Papst – muss sich selbst verleugnen, sein Kreuz auf sich nehmen und ihm nachfolgen. Man müsse in den Kampf gegen die Sarazenen ziehen, um den eigenen Glauben zu beweisen und sein Heil und die Rettung zu erstreiten. Ja, Jesus biete jedem die Chance, auf diesem Weg sein Heil zu erlangen. Auch die Nächstenliebe verlange diesen Einsatz für die Brüder und Schwestern in Not und Gefangenschaft.

Damalige Sicht des Islam
Papst Innozenz III. nennt Mohammed einen „Sohn des Verderbens“, einen „Pseudo-Propheten“. Er habe durch weltliche List und fleischliche Lüste viele von der Wahrheit in die Irre geführt. Seine Treulosigkeit dauere an. Die treulosen Sarazenen – so der Papst – haben ihre ernstzunehmenden Ungerechtigkeiten gegenüber unserem Erlöser bis auf den Tabor ausgebreitet. Sie haben dort eine Festung gebaut und so dem christlichen Namen Schande zugefügt. Sie wollen Akko und den Rest des Heiligen Landes besetzen. Papst Innozenz III. ist überzeugt: Die Christen sind vollständig im Recht, wenn sie den Besitz des Heiligen Landes für sich fordern, ja deswegen Krieg führen. Er, als Statthalter Christi, des Königs, muss das Goldene Zeitalter der Christenheit wieder herstellen. Innozenz sieht in den Muslimen grausame und blutrünstige Barbaren. Auf den Islam wendet er den apokalyptischen Titel „Tier“ an.
Papst  Honorius III. (1216) setzt die Werbung und Vorbereitung des V. Kreuzzuges fort. Er ernennt Kreuzzugsprediger und fördert durch Kardinal Hugolin den Frieden unter den christlichen Fürsten, Königen und Völkern. Ohne diesen Frieden war kein erfolgreicher Kreuzzug möglich.
Nicht nur der Papst, auch andere „Große“ sehen Mohammed als Sprachrohr des Teufels an und bezeichnen seine Lehre als eine Ansammlung von Lügen.
Ein wichtiger Zeitzeuge der Kreuzzüge ist Jakob von Vitry (Reims). Er kommt im Herbst 1216 nach Akko. Er ist ein eifriger Prediger im Heiligen Land, wirbt für den Kreuzzug und für die Bekehrung der Christen. Sie sollen ein vorbildliches Leben unter den Sarazenen führen. Er sucht ihnen „die Lügen Mohammeds und seiner verdorbenen Lehre“ auszureden.
Nach der Eroberung der Stadt Damiette am 5. November 1219 schreibt Jakob von Vitry in einem Brief: „Lasst uns den Herrn loben wegen seiner Barmherzigkeit und seiner Wunder, die er für die Menschenkinder vollbracht hat ...… Er hat die Völker uns unterworfen und die Heiden uns zu Füßen gelegt. ... Dort wo so häufig der verfluchte Name des treulosen Mohammed angerufen wurde – ein abscheulicher Name, der aus dem Mund des Teufels gekommen ist – da wird nun der gesegnete Name Jesus Christus angerufen, damit die Ägypter den Herrn kennenlernen und sich zu ihm bekehren und das Licht der Wahrheit aus dem Westen nach dem Osten zurückkehrt“. Ein Brief mit frommen Worten, aber voller Stolz und Machtgehabe.

Franziskus unter Muslimen
Wir gehen davon aus, dass Franziskus und seine Brüder das 16. Kapitel der nicht-bullierten Regel, das von den Brüdern, „die unter die Sarazenen und andere Ungläubige gehen“, spricht, nach ihren Erfahrungen im Heiligen Land bzw. in Ägypten endgültig niedergeschrieben haben. Die Brüder lebten zwar in der katholischen Kirche und wirkten für sie. Sie hatten – im Gegensatz zu anderen evangelischen Bewegungen – auch einen guten Draht zum Papst und der römischen Kurie. Sie waren konfrontiert mit der Kreuzzugs-Enzyklika des Papstes, den Kreuzzugspredigern und den massiven päpstlichen Anordnungen zur Sammlung von Geld und Rekrutierung von Leuten, die das Kreuz nahmen.
Dennoch geht Franziskus mit seinen Brüdern einen ganz anderen Weg – den Weg des Evangeliums. Die Grundzüge hatten sie schon vorher gefunden. Keine Position von Macht, sondern Dienstbereitschaft; ein Zusammenleben in Demut und Geduld, in Gerechtigkeit und Frieden; alle sind Schwestern und Brüder im Dienst aneinander. Ihr Gruß: Der Herr gebe dir/euch den Frieden.
Als Franziskus im Sommer 1217 in Florenz Kardinal Hugolin trifft – Franziskus will nach Frankreich – schickt ihn der Kardinal nach Assisi zurück. Er hat Angst um den Bestand der jungen Gemeinschaft. Franziskus möchte seinen Brüdern in den Missionen nicht nachstehen. Der Kardinal: „Warum hast du deine Brüder so weit weggeschickt, so dass sie vor Hunger sterben und andere Bedrängnisse ertragen müssen?“ (FQ 1275) Franziskus antwortet geradezu prophetisch: „Herr, meint ihr, der Herr hat die Brüder nur um dieser hiesigen Gegenden willen ausgesandt? Ich sage euch in Wahrheit, der Herr hat die Brüder erwählt und gesandt zum Nutzen und Heil der Seelen aller Menschen dieser Welt. Und sie werden nicht nur in den Ländern der Gläubigen, sondern auch in den Ländern der Ungläubigen aufgenommen werden und viele Seelen gewinnen.“
Welch ein Gegensatz: Der Kardinal sammelt Kämpfer für ein Heer gegen die Ungläubigen; Franziskus will sie für den Herrn gewinnen, das heißt, er will auf eine neue Art missionieren.
Die Alternative des Franziskus
Das bereits erwähnte 16. Kapitel des Regeltextes trägt die Überschrift: „Über die Brüder, die zu den Sarazenen und den Ungläubigen gehen“. Es besagt: „Die Brüder, die dann hinausgehen, können in zweifacher Weise unter ihnen geistlich wandeln. Eine Art besteht darin, dass sie weder zanken noch streiten, sondern um Gottes willen jeder menschlichen Kreatur untertan sind und bekennen, dass sie Christen sind.“ (FQ 82) 
Der Schwerpunkt liegt für Franziskus auf der friedlichen Anwesenheit der Brüder unter den Sarazenen. Sie dürfen also kein Streitgespräch beginnen und sollen sich allen Menschen um Gottes willen untertan zeigen. Franziskus wählt als Einleitung für seinen Regeltext: „Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter Wölfe.“ Vermutlich fühlten sich die Brüder ursprünglich wie Schafe unter Wölfen, als sie zu den Sarazenen gingen. Nach ihren Begegnungen und Erfahrungen haben sie ein ganz anderes Bild.

Zuletzt aktualisiert: 30. Dezember 2018
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