Die Messe kommentieren...

20. Mai 2018 | von

Die Messe kommentieren.... das klingt in unserem Sprachgebrauch eher negativ. Unser Sendbotenautor ist von einer Südamerika-Reise zurückgekehrt und bietet hier einen spannenden Einblick in ein offizielles liturgisches Amt, das bei uns wohl fast gänzlich unbekannt ist: der liturgische Kommentator.

In den vergangenen Monaten war ich in Argentinien und in Chile unterwegs. Vor allem in Argentinien, im Herkunftsland von Papst Franziskus, konnte ich einige interessante Beobachtungen machen, die ich hier und auch in den folgenden Heften gerne mit den Leserinnen und Lesern des Sendboten teile.

Überraschung in der Messe
Bei der ersten Messe, die ich in Argentinien in einer Ordenspfarrei mitgefeiert habe, war ich zunächst überrascht, dass eine Frau aus der Gemeinde die gottesdienstliche Versammlung begrüßte und in die Eucharistiefeier einführte. Sie sprach vom Ambo aus die Gottesdienstgemeinde an und forderte alle Mitfeiernden auf, Bekannte und Unbekannte um sie herum als Mitfeiernde zu begrüßen. Dann gab sie eine allgemeine Einführung in die Eucharistiefeier des Sonntags und verknüpfte diese mit dem einen oder anderen aktuellen Ereignis im Ort und in der Gemeinde. Sie teilte ebenso mit, in welchen besonderen Anliegen die Messe gefeiert werden sollte. Danach stellte sie den Zelebranten der Eucharistie vor und begrüßte ihn im Namen der Gottesdienstgemeinde. Erst dann ging der Zelebrant nach vorne und eröffnete von seinem Sitz aus die Eucharistiefeier mit dem Kreuzzeichen.
Dieselbe Frau gab im Lauf des Wortgottesdienstes auch eine kurze Einführung in die einzelnen Lesungen, leitete die Fürbitten ein, wies bei der Kollekte auf den besonderen Zweck hin, für den am betreffenden Sonntag gesammelt wurde und übernahm es auch am Ende der Messe, über weitere Gottesdienste, Veranstaltungen und Aktionen im Laufe der Woche zu informieren.

Offizieller Kommentator
Zuerst dachte ich, dass es sich um eine Eigenart der Ordenspfarrei handelte. Dasselbe erlebte ich dann aber auch in anderen Pfarreien, und so wurde mir bewusst, dass in Argentinien offensichtlich ein besonderer liturgischer Dienst aktiv gepflegt und gefördert wurde, der bei uns kaum bekannt ist: der Dienst des Kommentators oder der Kommentatorin.
Schon das II. Vatikanische Konzil hat in Artikel 29 der Liturgiekonstitution festgestellt: „Auch die Ministranten, Lektoren, Kommentatoren und die Mitglieder der Kirchenchöre vollziehen einen wahrhaft liturgischen Dienst. Deswegen sollen sie ihre Aufgabe in aufrichtiger Frömmigkeit und in einer Ordnung erfüllen, wie sie einem solchen Dienst ziemt und wie sie das Volk Gottes mit Recht von ihnen verlangt. Deshalb muss man sie, jeden nach seiner Weise, sorgfältig in den Geist der Liturgie einführen und unterweisen, auf dass sie sich in rechter Art und Ordnung ihrer Aufgabe unterziehen.“ Dem entsprechend stellt das geltende kirchliche Gesetzbuch in c. 230 § 2 fest: „Laien können aufgrund einer zeitlich begrenzten Beauftragung bei liturgischen Handlungen die Aufgabe der Lektorin oder des Lektors erfüllen, ebenso können alle Laien die Aufgaben des Kommentators, des Kantors oder andere Aufgaben nach Maßgabe des Rechtes wahrnehmen.“ Und das geltende liturgische Recht, hier die Allgemeine Einführung in das Messbuch von 2002, erläutert in Nr. 105 zum Dienst der Kommentatorin bzw. des Kommentators, der als liturgischer Dienst gekennzeichnet wird: Er gibt „den Gläubigen Erklärungen und Hinweise, um sie in die Feier einzuführen und ihnen ein tieferes Verständnis zu vermitteln. Seine Hinweise sollen sorgfältig vorbereitet, knapp und verständlich sein. Bei der Ausübung seines Dienstes soll der Sprecher einen geeigneten Platz vor den Gläubigen einnehmen.“

Unbekannter liturgischer Dienst
Bei der Kommentatorin oder dem Kommentator handelt es sich also um einen liturgischen Dienst, der im geltenden kanonischen und liturgischen Recht ausdrücklich vorgesehen und allgemein geregelt und dennoch bei uns weitgehend unbekannt ist. Im Unterschied zu anderen liturgischen Diensten ist, wie c. 230 § 2 CIC ausführt, für diesen Dienst keine Beauftragung erforderlich, denn es können ihn grundsätzlich alle Laien ausüben. Im Zusammenhang mit dem liturgischen Recht wird als Voraussetzung lediglich gefordert, dass die oder der Betreffende in der Lage ist, die übrigen Gläubigen so in die Feier einzuführen, dass ihnen ein tieferes Verständnis für die Feier vermittelt wird. Das kann auch dadurch geschehen, dass jemand seine subjektiven Gedanken und Eindrücke etwa zu den Lesungen mitteilt oder dass die liturgische Feier mit aktuellen Ereignissen verbunden wird. So ein Kommentar muss also nicht „objektiv“ im Sinne der ewig gültigen Glaubenslehre sein, sondern er kann auch ganz persönlich, subjektiv und aktuell sein und gerade dadurch andere Gläubige dazu einladen, einen eigenen und persönlichen Zugang zur liturgischen Feier zu finden.
Für das Konzil gehört die Ausübung des Dienstes der Kommentatorin oder des Kommentators zu den Reformschritten, die dazu beitragen sollen, dass die ganze Gemeinde nicht nur passiv, sondern aktiv und lebendig an der Feier der Liturgie beteiligt ist. Dieser Dienst soll es auch ermöglichen, dass in der Feier der Liturgie jeder einzelne „nur das und all das tut, was ihm aus der Natur der Sache und gemäß den liturgischen Regeln zukommt“. (Art. 28 der Liturgiekonstitution).

Aus der Gemeinde und für die Gemeinde
In vielen unserer Gemeinden werden die Aufgaben, die rechtmäßig der Kommentatorin oder dem Kommentator zukommen, vom zelebrierenden Priester übernommen: Er begrüßt, er führt ein – er hat alleine das Wort in der Liturgie. Das führt bis hin zu der grotesken Situation, dass ein Aushilfspriester, der lediglich einmal am Sonntag zur Messe kommt und ansonsten mit der betreffenden Gemeinde in keiner Weise verbunden ist, zu irgendwelchen Treffen und Veranstaltungen im Ort einlädt, so, als ob er selbst der Einladende wäre.
Beim Nachdenken über den Dienst der Kommentatorin oder des Kommentators kam mir der Gedanke, ob nicht die gegenwärtigen Umbrüche und Umstrukturierungen in unseren Pfarreien ein guter Anlass wären, diesen weithin vergessenen liturgischen Dienst auch bei uns mehr und mehr zu verwirklichen. Immer öfter gibt es ja die Situation, dass die einzelne Gottesdienstgemeinde keinen eigenen Pfarrer mehr hat. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen kommt ein Priester, um am Sonntag oder Feiertag eine heilige Messe zu feiern. In vielen Fällen werden sich die Gottesdienstgemeinde und der zelebrierende Priester fremd bleiben, weil es keine regelmäßigen Begegnungen gibt, schon gar nicht außerhalb der Eucharistiefeier. Und so bleiben auch das Leben am Ort der Gläubigen und die Feier der Eucharistie fremd und unverbunden nebeneinander stehen. Eine Kommentatorin oder ein Kommentator könnte in dieser Situation die dringend notwendige Brücke zwischen dem alltäglichen Leben der Menschen vor Ort und der Feier der Eucharistie schlagen. In Einführung und Kommentar könnte erfahrbar werden, dass die liturgische Feier etwas mit dem Leben der Menschen zu tun hat, die sich zum Gottesdienst versammeln. Mit der Kommentatorin oder dem Kommentator könnte deutlich werden, dass die jeweilige Gottesdienstgemeinde nicht eine anonyme, austauschbare Größe ist, sondern dass sich dort konkrete und besondere Menschen mit ganz eigenen Lebenserfahrungen zum Lob Gottes, zu Dank, Bitte und Fürbitte versammeln. Die Ausübung dieses Dienstes würde zudem zum Ausdruck bringen, dass die Gottesdienstgemeinde es ernst meint mit dem Anliegen, dass aus einer versorgten Gemeinde eine mitsorgende Gemeinde wird.

Zuletzt aktualisiert: 28. Mai 2018
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