Europas größtes Tanzfest

Tradition prallt auf Moderne: Am 4. Februar wird zum 60. Mal in der Wiener Staatsoper zum Wiener Opernball geladen. Bis heute sind die steife Etikette mit strengen Vorgaben zu Garderobe, Rangordnung und anderen Vorschriften ein Markenzeichen dieses gesell
26. Januar 2016 | von

Bereits im 18. Jahrhundert wird das Wort „Ball“ für öffentliche Tanzveranstaltungen, die in den Ballsälen der Herrenhäuser stattfanden, geprägt. Neben der Lust am Tanzen steht für die gehobene Gesellschaft vor allem die Verkupplung von heiratsfähigen jungen Menschen im Vordergrund. Heutzutage geht es bei offiziellen und angesehenen Bällen weniger um die Partnersuche als vielmehr um ein „Sehen und Gesehen werden“. 

 

 

 

 

Von Soirée über Redoute

 

 

Wien ist mit mehr als 400 Bällen im Jahr die ungeschlagene Tanzball-Hochburg. Doch keiner ist so berühmt wie der Wiener Opernball. Seine Geschichte geht auf das 19. Jahrhundert zurück. Zur Zeit des Wiener Kongresses 1814/15 finden bereits Tanzveranstaltungen statt, die danach von Künstlern der Hofoper fortgeführt werden. Der erste Ball in der Wiener Staatsoper wird als Hofopern-Soirée im Jahr 1866 veranstaltet, dessen Einnahmen in den Opernpensionsfonds fließen. Das Orchester dirigieren die Strauss-Söhne Johann und Eduard mit solchem Elan, dass es sich die Gäste, entgegen des von Kaiser Franz Joseph I. erlassenen Tanzverbotes – er wollte „tumultartige Zustände“ vermeiden – zum Ende hin nicht nehmen lassen, übers Parkett zu schweben. 

 

Aber durchgetanzt wird selbst in Wien nicht. Ereignisse wie die Revolutionsjahre und der Untergang des Kaiserreiches 1918 bringen den Ball, bzw. die Redoute, wie er zwischenzeitlich bezeichnet wird, zum Pausieren. Unter dem Namen „Wiener Opernball“ wird erstmals am 26. Januar 1935 in der Wiener Staatsoper das Tanzbein geschwungen. Diesmal kommen die Einnahmen der Winterhilfe zugute. Seither wird fast jährlich am Donnerstag vor Aschermittwoch im Wiener Staatstheater zum Opernball geladen. Dass er trotzdem erst sein 60. Jubiläum feiert, ist dem 2. Weltkrieg (Ballpause zwischen 1940-1955) sowie dem Golfkrieg geschuldet. Denn auch 1991 fällt aus Angst, die Sicherheit der Gäste – darunter auch Staatsmänner – könnte nicht gewährleistet sein, der Opernball aus. Trotz der aktuellen Terrorgefahr nach den Anschlägen in Paris diskutieren die Veranstalter bislang nicht über ein weiteres Aussetzen des traditionellen Balles, zumindest nicht öffentlich. 

 

Damals und Heute

 

 

Tausende Besucher lockt das große Schaulaufen jährlich, die einiges dafür (aus)geben, nur um dabei zu sein. Noch immer feiert hier die High Society, was schon alleine daran liegt, dass die Eintrittskarte um die 290 Euro kostet, und das ist bei Weitem nicht alles, denn Eintritt bedeutet nicht gleich Sitzplatz. Platz genommen wird, entweder an den günstigeren Tischen außerhalb des Ballsaales, angefangen bei 100 Euro pro Person, oder mit Blick auf die Tanzenden, von der Loge aus. Wer es sich hier gemütlich machen will, kann bei 11.500 Euro einsteigen oder bis zu 20.500 Euro für die Ranglogenplätze hinblättern. Wobei die besten Plätze auch nur an Donatoren der Oper vergeben werden, die einen Jahresbeitrag von 36.800 Euro leisten. Da fallen am Ende eventuell Anreise, Hotel, Verpflegung und Ausstattung gar nicht mehr so stark ins Gewicht. Auch hinsichtlich der Kleiderordnung hält man sich strikt an die Tradition: Die Dame trägt ein großes, langes Abendkleid, der Herr trägt Frack. Ausgenommen davon sind nur die Feuerwehrleute, die Dienst haben und nicht zum Tanzen gekommen sind. Zu solch herrschaftlichen Gewändern gehört ein klassischer Tanz. Wem der Linkswalzer noch nicht in Fleisch und Blut übergangen ist, der findet auf der Homepage des Opernballs ein Video zur Anleitung.

Trotz alledem reisen jedes Jahr an die 5.000 Gäste zum Ball, die meisten davon nicht aus Österreich. Inklusive Mitwirkenden und Pressevertretern füllen rund 7.000 Menschen am Abend den Saal. Ebenso mangelt es nicht an Bewerbungen für das Jungdamen- und Herrenkomitee, die den Tanz eröffnen dürfen. Neben Linkswalzerkenntnissen müssen die Paare Lebenslauf und Lichtbild vorweisen sowie zwischen 17 und 24 Jahren alt sein. Sie dürfen nur einmal am Komitee teilnehmen und sollten natürlich auch optisch ansehnlich sein. 

Die Gäste bekommen aber auch einiges geboten: Hochkarätige Musiker geben sich die Ehre. Chor und Orchester der Wiener Staatsoper sowie das Ballett gestalten den Abend. 2011 spielten erstmals auch die Wiener Philharmoniker zur Eröffnung. Bekannte Solisten wie Anna Netrebko oder José Carreras traten hier bereits auf. Das Programmheft umfasst mehrere Seiten, gespielt werden natürlich hauptsächlich Walzer, Quadrille, Polonaise und Opernstücke. 

 

 

 

Vom Blumenschmuck bis zur Bühnentechnik ist im opulenten Wiener Ballsaal der Staatsoper jedes Detail aufeinander abgestimmt und fügt sich in das große Gesamtkunstwerk.

 

Lukratives Tanzvergnügen

 

 

Warum der Aufwand am Ende lohnt, zeigen vor allem die Finanzen. Mit Ausgaben in Höhe von etwa 2,3 Millionen Euro und Einnahmen um rund 3,4 Millionen Euro bleibt am Ende ein ordentlicher Gewinn. Hinzu kommt die mediale Aufmerksamkeit, der Opernball wird live im Fernsehen und im Internet via Livestream übertragen. Wochen im Voraus spekuliert die Presse, wer kommt oder wer die Frau an der Seite von Bauunternehmer Lugner dieses Jahr sein wird. Im Anschluss berichten alle großen Zeitungen über Kleider und Anwesende. Dass sich eine Veranstaltung, die sich im Kern auf verstaubte Traditionen, Vorgaben und Zwänge beruft, auch in unserer modernen Welt noch ungebrochen behauptet, ist das eigentliche Phänomen des Wiener Opernballs.

 

Zuletzt aktualisiert: 17. Oktober 2016
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