Heiligsprechung mit Hindernissen

07. Januar 2018 | von

Am 30. Mai 1232 ist es so weit: Antonius wird heiliggesprochen. Doch bis kurz vor knapp sieht es nicht danach aus. Noch einmal ist ein göttliches Eingreifen erforderlich.

Plötzlich trat dann aber eine neue und für die Gesandtschaft aus Padua nicht vorhersehbare Schwierigkeit auf − die Freude wegen der bis dahin glücklich verlaufenen Ereignisse wird durch einen plötzlichen Haken getrübt. Es gab nämlich einige Kardinäle, die sich in Rechtschaffenheit und Gelehrsamkeit von den anderen Kirchenfürsten abhoben, die aber nun aus Liebe zu den Gebräuchen der Kirche und aus Besorgnis wegen der nur kurzen vergangenen Zeitspanne dachten, dass man in einer Sache von solcher Wichtigkeit und vor allem weil noch nicht einmal ein Jahr seit dem Tod des seligen Antonius vergangen war, nicht mit derartiger Eile 
voranschreiten dürfe. Deshalb erklärten sie mit vorsichtiger Zurückhaltung, dass sie der Heiligsprechung weder zustimmen könnten noch wollten bevor nicht ein angemessener Zeitraum verstrichen wäre.

Göttliche Vision
Er aber, der durch den Mund des Propheten bezeugt, dass er keinem anderen den Ruhm zugesteht, der eigentlich nur ihm gebührt, wollte, dass man einen Augenblick innehält, bis wir erkennen, dass wir das Gelingen unserer Pläne allein seiner Gnade zuzuschreiben haben. Deshalb griff er zu gegebener Zeit barmherzig ein, indem er einem der Kardinäle eine Vision zuteilwerden ließ, um zur Heiligsprechung des seligen Antonius zu führen. 
Und so war die Vision: Während er schlief, schien es ihm, als sähe er den Papst. Er war gerade dabei, geschmückt mit den päpstlichen Insignien, eine Kirche und ihren Altar zu weihen. Die ehrwürdigen Kardinäle standen um ihn herum, um ihm gemäß den Gewohnheiten des heiligen Weiheritus zu assistieren. Unter ihnen befand sich auch − nicht der Letzte an Amt und Würde − der Schlafende, gekleidet mit den heiligen Gewändern. Als der Moment der Weihe gekommen war, bat der Papst um die Reliquien, um sie gemäß den Vorgaben der Zeremonie in den Altar zu legen. Aber sie erwiderten, einer nach dem anderen, dass sie sie nicht hätten. Da ließ der Papst seinen Blick umherschweifen, als ob er irgendetwas suchen würde und sah schließlich den Leichnam eines Menschen, der vor kurzem verstorben und mit Binden umwickelt war. Gleich nachdem er ihn gesehen hatte, sprach er: „Auf, schnell, bringt mir diese neuen Reliquien, damit ich sie in den Altar lege!“
Die Kardinäle aber, die den Leichnam gesehen hatten, bestanden lebhaft darauf, dass jene gar keine Reliquien seien. Darauf antwortete ihnen der Papst: „Hebt den Schleier, mit dem er bedeckt ist, und schaut wenigstens, was sich darunter verbirgt!“ Mit langsamem Schritt und nur widerwillig näherten sie sich dem Leichnam und nahmen, weil sie dem Befehl gehorchen mussten, das Tuch hoch, in das er eingewickelt war. Als die Kardinäle den Leichnam so aufgedeckt hatten, konnten sie an ihm nicht das geringste Anzeichen von Verwesung feststellen, und freuten sich dann so über die Reliquien und konkurrierten untereinander gar darum, sie sich anzueignen. 

Ein Traum wird Wirklichkeit
Wegen dieses Tumultes von herbeigelaufenen Personen, die der Kardinal im Traum sah, erwachte er schließlich und erhob sich kurz danach vom Bett, rief seine Kleriker zusammen und erzählte ihnen sofort − selbst noch ganz ergriffen − von seiner Vision. Und er stellte den Zusammenhang zur Heiligsprechung des seligen Antonius her und beteuerte, dass diese unverzüglich stattfinden werde. Als er dann im Begriff war, sich von seiner Unterkunft zur Kurie hin zu begeben, da sah er die Gesandten aus Padua an seine Türe kommen − fast so, als seien sie durch ein göttliches Zeichen dorthin gerufen worden. Kaum, dass er sie gesehen hatte, wandte sich der Kardinal an die Kleriker in seiner Gefolgschaft und mit großem Jubel rief er aus: „Schaut her! Da seht ihr unseren Traum und seine Auslegung.“
Auf diese Weise durch die göttliche Vision bestärkt, wurde er zu einem solch wertvollen Förderer des Anliegens der Paduaner, dass er fest davon überzeugt war, dass man der göttlichen Allmacht keine zeitlichen Grenzen setzen dürfe und aus Rücksicht auf Gewohnheiten nicht die Verherrlichung eines Heiligen verhindern dürfe.

Anerkennung der Wunder
Wie bereits gesagt, wurden die Wunder in Anwesenheit des Herrn Giovanni, Bischof von Sabina, von den Geschworenen in ihrem Wahrheitsgehalt bestätigt. Sie wurden für anerkannt und angenommen erklärt: Alle anwesenden Kardinäle und Prälaten versammeln sich daraufhin in der Kurie. Der Antrag, den seligen Antonius heiligzusprechen, wird eingebracht, und weil alle nun damit einverstanden sind, verläuft die Versammlung in einer Atmosphäre großer Freude.
„Es wäre überaus unwürdig“, so erklären sie, „und das möge niemals geschehen, dass wir auf Erden die dem seligen Antonius wegen seiner Verdienste geschuldete Verehrung verhindern, wo doch schon der Herr der Herrlichkeit geruhte, ihn mit Ruhm und Ehre im Himmel zu krönen. So wie es in der Tat ein Verrat wäre, der bewiesenen Tatsache der Wunder keinen Glauben zu schenken, so hätte das Verweigern des Lobes der Verdienste des Heiligen den Beigeschmack des Neids.“ Nachdem der Papst die einstimmige Zustimmung aller bezüglich der Heiligsprechung des heiligen Antonius vernommen und die unermüdliche Verehrung durch die Paduaner ebenfalls berücksichtigt hatte und weil alle sich einig waren, stimmte er ihrer inständigen Bitte zu. Und ohne jedes Zögern setzte er das Datum für die Zeremonie fest.
Feierliche Heiligsprechung
Und schon war der dritte Tag gekommen, der für diese große Feierlichkeit festgesetzt war. Das heilige Kollegium der Kardinäle ist anwesend, es sind die Bischöfe versammelt, es kommen die Äbte und es eilen die Prälaten der Kirche aus den unterschiedlichen Teilen der Welt herbei. Neben der Versammlung der Kleriker drängt sich eine große, gleichsam unzählbare Anzahl von Menschen. Und da erscheint der Papst mit der Herrlichkeit seines Ruhmes, geschmückt mit den päpstlichen Insignien. Um den Auserwählten des Herrn herum drängt sich die Schar der Kardinäle und der anderen Kirchenfürsten, jeder mit heiligen Gewändern bekleidet. Vor dem ganzen Volk werden gemäß den Gebräuchen die Wunder verlesen. Daraufhin werden mit größter Verehrung und Hingabe die glorreichen Verdienste des seligen Vaters Antonius gepriesen.
Da erhob sich der Hirte der Kirche, strahlte vor heiliger Ergriffenheit, erhob die Hände zum Himmel und schrieb den heiligen Antonius, nachdem er den Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit angerufen hatte, in das Verzeichnis der Heiligen ein. Er verfügte, dass man sein Fest am Tag seines Todes feiern solle − zum Lob und zum Ruhme Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, dem die Ehre und die Herrschaft sei von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Die Zeremonie trugt sich in Spoleto zu und zwar im Jahr des Herrn 1232, in der 5. Indiktion, am Tag des Pfingstfestes (30. Mai 1232), im 6. Jahr des Pontifikates des Herrn Papstes 
Gregor IX. 
Die Abgesandten aus Padua machten sich schnellen Schrittes auf den Weg und noch vor Ablauf des Jahres nach dem Tod des seligen Antonius kamen sie nach Hause zurück. Sein Fest wurde mit unbeschreiblicher Feierlichkeit am selben Tag gefeiert, an dem sich sein Todestag zum ersten Mal jährte.
 

Zuletzt aktualisiert: 01. Februar 2018
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