Innovativer Lehrer und selbstloser Heiliger

01. Januar 1900 | von

Sie ist neun. Sie will weg von der Straße. Und schreiben lernen. Mit diesem Text und dem Bild eines jungen Straßenmädchens wirbt die Hilfsorganisation Brot für die Welt um Spenden für Bildungsprojekte in Brasilien und anderen Ländern der südlichen Erdhälfte. Eine dringend nötige Werbeaktion, die vielen Menschen eine Zukunft schaffen könnt: Denn Bildungsarbeit und Gesundheitsversorgung werden als Erstes gekürzt, wenn überschuldete Staaten ihren Staatshaushalt verschlanken. In vielen Ländern ist die Situation im Bildungswesen verheerend. Bis zu 30 Prozent der Volksschüler verlassen zum Beispiel in Nicaragua bereits nach dem zweiten Grundschuljahr die Schule, weil die Familien die Kosten für den Schulbesuch ihrer Kinder nicht mehr aufbringen können. Die Chance, den Teufelskreis der Armut zu verlassen, sinken gegen den Nullpunkt, wenn Kinder und Jugendliche keine schulische Ausbildung abschließen können. Viele Menschen sind auf Hilfe angewiesen, heute wie zu Zeiten des Jean Baptiste de La Salle im Frankreich des 17. Jahrhunderts.

 Frühe kirchliche Karriere. Jean Baptiste de La Salle wird am 30. April 1651 in Reims geboren. Er ist das Älteste von elf Kindern einer angesehenen Familie. Die Kinder erfahren in der Familie eine religiöse Erziehung. Neben Jean ergreifen noch eine Schwester und zwei Brüder geistliche Berufe. Nach dem Besuch des Gymnasiums beginnt Jean Baptiste bereits mit 16 Jahren seine kirchliche Karriere als Domherr an der Kathedrale zu Reims. In seiner Vaterstadt studiert er ab 1669 Philosophie und Theologie und setzt 1670 seine Studien in Paris fort. Im Seminar von Saint Sulpice wird er ins geistliche Leben eingeführt.

Weichenstellung. Kurz nacheinander sterben 1671/72 Mutter und Vater; der Vater bestimmt den 21-jährigen Jean Baptiste zum Vormund, der die Erziehung seiner unmündigen Geschwister und zum Verwalter des elterlichen Erbes. So kehrt er 1672 nach Reims zurück. Um seinen Verpflichtungen als Student und Domherr nachzukommen, tritt Jean 1676 die Vormundschaft an einen Verwandten ab. Nun kann er seine Studien fortsetzen, wird 1678 zum Priester geweiht und erwirbt 1680 das Doktorat in Theologie.
In diesen Jahren begegnet Jean Baptiste de La Salle zwei Menschen, die seinen künftigen Weg entscheidend prägen werden: Nikolaus Roland und Adrien Nyel. Beide wollen den Bildungsnotstand der armen Bevölkerung beheben helfen. Roland gründete die Gemeinschaft der Schwestern vom Kinde Jesu, die in Reims unentgeltliche Schulen für Mädchen unterhält. Als Roland 1678 jung stirbt, überträgt er de La Salle die Sorge um die junge Schwesterngemeinschaft und deren Schulen.
Im folgenden Jahr trifft der junge Priester mit Nyel zusammen. Sie gründen 1679 in Reims zwei Armenschulen für Jungen. Als Nyel weiterzieht, um an anderen Orten Schulgründungen vorzubereiten, muss de La Salle für die beiden Schulen und die beschäftigten Lehrer Sorge tragen. Eine neue Aufgabe ist ihm zugewachsen.

Schulbrüder im Elternhaus. Jean Baptiste lädt die beschäftigten Lehrer zum Essen in sein Haus ein. Als er sie im elterlichen Haus auch mitwohnen lässt, führt dies zum Konflikt mit seinen Geschwistern und Verwandten. Daraufhin zieht de La Salle 1682 mit den Lehrern in ein eigenes Haus. Die Gruppe entwickelt sich Schritt für Schritt zu einer geistlichen Gemeinschaft. Sie geben sich eine gemeinsame Lebensordnung und nennen sich Brüder der christlichen Schulen. 1683 verzichtet de La Salle auf die Domherrenwürde. Im Winter 1684/85 verteilt er sein Erbteil während einer Hungersnot an die Armen.

Pädagogische Innovationen. Die Wirksamkeit de La Salles ist in mehrfacher Hinsicht innovativ. Er führt neue Lehr- und Erziehungsmethoden ein. So lernen die Schüler das Lesen in der Muttersprache Französisch, nicht mehr in Latein. Außerdem führt er den Gemeinschaftsunterricht ein und schafft neue Schultypen. Neben den Armenschulen gründet er auch höhere Schulen, die ohne Latein und Griechisch auskommen. Auf Grund seiner pädagogischen Erfolge werden ihm auch schwierige Felder angetragen. So eröffnet de La Salle in seinen letzten Lebensjahren mit den Brüdern in St. Yon, dem neuen Zentrum der Gemeinschaft bei Rouen, ein Heim für straffällige Jugendliche.
Auch die Ausbildung der Lehrer ist dem Pädagogen ein Anliegen. Er gründete das erste Lehrerseminar. Und um ihn entsteht eine Ordensgemeinschaft, die, ausschließlich aus Laien bestehend, sich ganz der Erziehungsarbeit widmen will.

Herausforderungen und Krisen. Vor allem de La Salles Pariser Zeit (1688-1698) ist von Konflikten mit Lehrerverbänden und geistlichen Amtsträgern gezeichnet. Die strenge Lebensführung der Gemeinschaft führt zum Austritt vieler Brüder. De La Salle muss viele Rückschläge einstecken. Dies führt ihn in den Jahren 1713/14 immer mehr in die Einsamkeit. In der Stille von Sainte Baume und der Grande-Chatreuse bei Grenoble findet er wieder inneren Frieden. Als die Brüder ihn 1714 wieder um die Leitung des Instituts bitten, stellt sich der Ordensgründer dieser Aufgabe.
Seine letzten Lebensjahre verbringt er in St. Yon. Im Mai 1717 wird Bruder Barthélemy zum ersten Generaloberen gewählt. De La Salle kann sich zurückziehen. Am 7. April 1719 stirbt Jean er in Rouen.
Im Jahr 1900 wird er heilig gesprochen. Papst Pius XII. erklärt den Ordensgründer 1950 zum Patron der christlichen Lehrer und Erzieher. Die Schulbrüder des Johannes de La Salle setzen heute weltweit das Werk ihres Stifters fort mit dem Anliegen: Bildung für alle Menschen.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016