Jesuiten und Flüchtlinge unter einem Dach

18. Februar 2019 | von

Seit nunmehr einigen Jahren leben im Abuna-Frans-Haus in Essen Ordensleute und Flüchtlinge unter einem Dach. Wir bekommen einen Einblick aus erster Hand.

Jede Ordensgemeinschaft soll laut Papst Franziskus Räume und Häuser finden, wo Notleidende aufgenommen werden. So wurden in der Jesuitenkurie in Rom Räume für Obdachlose geöffnet und im Vatikan wurden Duschen für sie eingerichtet! 
Neben anderen jesuitischen Projekten für Flüchtlinge in Deutschland entstand 2015 die Idee, eine Wohngemeinschaft von Flüchtlingen und Jesuiten zu gründen. Es fand sich im Ruhrgebiet, am Ortsrand von Essen, ein heruntergekommenes Pfarrhaus. Das Bistum renovierte das Haus – nicht allein: Überwältigend war die Reaktion der Kirchengemeinde! Jugendliche strichen den Keller, Flüchtlinge halfen beim Umräumen der Bibliothek und beim Abreißen jahrzehntealter Tapeten, unzählige Menschen spendeten Möbel und Hausrat, Rentner installierten Lampen, eine Nachbarin brachte ein Apfelbäumchen vorbei, eine Frau der Ortscaritas organisierte neue Bettwäsche. Viele unserer schönen Möbel stammen von der gerade verstorbenen, 50-jährigen Gemeindereferentin Andrea. Von der Krebsdiagnose bis zu ihrem Tod waren es nur vier Wochen. Mit Blick über das eigene Sterben hinaus spendete sie ihre neu gekauften Möbel unserer Initiative. 

Gemeinsam unter einem Dach
Unsere Wohngemeinschaft hat Platz für acht Flüchtlinge, drei Jesuiten und Gäste. Jeder hat sein eigenes Zimmer. Wir Jesuiten leben in einer eigenen Etage unterm Dach und haben so einen Rückzugsraum. Gekocht wird im Erdgeschoss in der gemeinsamen Wohnküche. Dort trifft man sich zum Essen und Reden. Jeden Dienstagabend gibt es den Hausabend, wo nach dem gemeinsamen Essen der Putzplan und andere Arbeiten besprochen werden. Anschließend gibt es die Zeit zum Austausch, wie es den einzelnen geht. 

Berührende Schicksale
Das ist unsere Wohngemeinschaft: Ein Mann aus der Republik Kongo, einer aus Guinea, drei aus Syrien und einer aus dem Libanon. Die Syrer verfolgen über ihre Smartphones den Krieg live. Sie sehen, wann, wo, auf wen Bomben fallen und haben Angst um ihre dortigen Familien. 
Unser ältester Mitbewohner aus dem Libanon leidet an Herzkrankheiten, er braucht ständige medizinische Überwachung. Eine Abschiebung ins Heimatland wäre sein Todesurteil, da er dort die Medikamente nicht kaufen kann. Das lokale Ausländeramt hat ihm vor kurzem die Sozialleistungen gekürzt, da er nicht genug an der Durchführung seiner Abschiebung mitarbeitet. Mit Hilfe von Spenden konnten wir einen Anwalt einschalten, der nun für sein Bleiben in Deutschland kämpft. 
Ein anderer unserer Mitbewohner bekam kürzlich ein Schreiben des Bundesamts für Migration, dass er Deutschland innerhalb einer Woche verlassen soll. Das war ein großer Schock für ihn, da er eine Ausbildung in einem Restaurant begonnen hatte. Mit der Hilfe eines Anwalts konnte geklärt werden, dass er bis zum Ende seiner Ausbildung bleiben kann.  

Engagierter Namensgeber
Unser Projekt trägt den Namen „Abuna-Frans-Haus“ und gehört zum JRS (Jesuiten-Flüchtlingsdienst). „Abuna“ ist arabisch für „unser Pater“. „Abuna Frans“ sagten Syrer zu Pater Frans van der Lugt SJ. Er stammte aus den Niederlanden und lebte über 40 Jahre in Syrien. Zur Verständigung unter den Religionen und Konfessionen betete er mit Christen und Muslimen und ging mit ihnen wandern. Als die Stadt Homs von Regierungstruppen umzingelt wurde, verließ er sie nicht. Ihm war klar: „Ich kann meine Herde nicht verlassen!“ Mit Videobotschaften bat er um Hilfe für die hungernde Bevölkerung. Mittels der UNO kamen schließlich 1.400 Notleidende aus der Stadt frei. Frans van der Lugt SJ blieb bei den weiterhin Eingeschlossenen. Am 7. April 2014 wurde er von Unbekannten aus seiner Wohnung in Homs gezerrt und erschossen. Sein Engagement in der Völkerverständigung bewegt weiterhin Muslime und Christen zum Brückenbauen. So gibt es mit Blick auf P. Frans van der Lugt SJ in Deutschland eine von syrischen Flüchtlingen gegründete Wanderbewegung Frans‘ Hike 
(https://franshike.wordpress.com/), das „Frans-van-der-Lugt-Projekt“ des Jesuiten-Flüchtlingsdienst in einem Flüchtlingsheim in München und unsere kleine WG in Essen. 

Weihnachts-Rückblick
Eine große Freude war es für uns, mit einigen Mitbewohnern Weihnachten zu feiern. Zwei Muslime und ein Christ kochten zusammen, wir lasen die Weihnachtsgeschichte nach Lukas und aus Sure 19 des Korans. Es ist schon ein kleines Wunder, wenn über die Grenzen von Kultur und Religion hinweg Menschen miteinander um einen Tisch sitzen und essen: „Siehe, wie gut und wie schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen!“ (Ps 133,1)

Zuletzt aktualisiert: 18. Februar 2019
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