Kunsthistorisches Kleinod und geistliches Zentrum

01. Januar 1900 | von

Mehrere Jahrzehnte war es enteignet, oder wie die Slowenen in ihrer politischen Ausdrucksweise sagen: nationalisiert. Nun ist es wieder Eigentum des Ordens der Minderen Brüder, das Kloster in Piran. Es zu renovieren, zu restaurieren und zu einem geistlich-kulturellen Zentrum einzurichten, ist ein großes Anliegen der slowenischen Minoritenprovinz.

Kleinod Istriens. Piran liegt im Norden der Westküste Istriens und war bei den Römern schon als Pyrrhaneum bekannt. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts kam es unter die Oberhoheit der Republik Venedig. Von 1797 bis 1918 gehörte es zur österreichisch-ungarischen Monarchie. Nach dem 1. Weltkrieg unter italienischer Verwaltung wurde es nach dem 2. Weltkrieg der Volksrepublik Jugoslawien eingegliedert. Mit der 1991 erfolgten Bildung eines selbständigen, unabhängigen Staates Slowenien, einer rund zwei Millionen Einwohner zählenden demokratisch-parlamentarischen Republik, ist Piran, unweit der Grenze zu Kroatien, nunmehr ein slowenisches Städtchen.
Das Küstenstädtchen mit seinen engen Gassen und Plätzen ist ein Kleinod Istriens geblieben, das sich - im Gegensatz zum nahegelegenen mondän ausgebauten Urlaubsort Portoroz - das mittelalterlich-venezianische Aussehen bewahrt hat und gerade dadurch Anziehungspunkt für zahlreiche Touristen ist.

Wechselfälle der Geschichte. Wechselhaft wie die politische Geschichte Pirans war auch die Zugehörigkeit des Klosters zu verschiedenen Provinzen des Ordens. Es gehörte zur Dalmatinischen Provinz, später zur gemeinsam verwalteten Provinz von Dalmatien und Padua, dann ausschließlich zur Paduaner Provinz des Santo, nach Ende des 2. Weltkrieges zur jugoslawischen (kroatischen) Provinz des hl. Hieronymus. Als 1972 unter Federführung von P. Martin Vidovic die slowenische Minoritenprovinz durch Trennung von der kroatischen gegründet wurde, kam das Kloster Piran zur neuen Minoritenprovinz in Slowenien.

Rückschläge. Errichtet wurde der Minoritenkonvent zum hl. Franziskus in Piran schon im Jahr 1301. Zur gleichen Zeit wurde auch mit dem Bau der Kirche begonnen (der 1317 begonnene Bau des Domes als Hauptkirche wurde erst im 17. Jahrhundert vollendet), die 1318 geweiht wurde. Im Laufe der Jahrhunderte gab es schwere Rückschläge, etwa als im 16. Jahrhundert Haus und Kirche durch einen heftigen Orkan beschädigt wurden, oder als 1806 die Güter dem Staatsgut einverleibt, zum Teil sogar zurückgekauft werden mußten. Im Juli 1944 wurde das Kloster durch ein englisch-amerikanisches Bombardement schwer beschädigt, nach Beendigung des Krieges enteignet und ausgeplündert. Ein Pater, der zur Aufsicht in Piran geblieben war, wurde eingesperrt und aus der Zone verjagt, einem weiteren gelang es, mehrere Jahre in der Funktion des Priesters seelsorglich zu wirken.

Geheimtip für Kunstliebhaber. Das Hochaltarbild zeigt ordensgemäß die Mutter Gottes, umringt von Franziskus und Antonius sowie den franziskanischen Heiligen Elisabeth und Ludwig. Kirche und Kloster beherbergen eine Reihe bedeutender Gemälde, etwa von Carpaccio, Schiavone, Aliense, Calieri, Lazzarini. Bemerkenswert auch der zeitgenössische Kreuzweg von Mira Licen. Ein Teil der Kunstwerke ist in der Pinacotec, die vom wunderschönen Kreuzgang aus, im Sommer ansprechender Rahmen für Konzerte, zu sehen ist. Die Einrichtung der Gemäldegalerie war P. Jancz Samperl als Guardian des Klosters und P. Marjan Volgrin, dem Bibliothekar und Archivar, ein besonderes Anliegen. Die Bibliothek des Klosters umfaßt rund 4000 Bücher, vornehmlich aus den Fachgebieten Theologie, Geschichte und Geographie, einige davon aus dem 16. Jahrhundert.

Die Erneuerungsarbeiten in der Kirche und in dem zwar zur Gänze rückerstatteten Kloster, das bisher erst zu einem Drittel freigemacht und für den Orden benutzbar ist, sind voll im Gange. Natürlich kann weder das Piraner Kloster noch die slowenische Provinz die gesamten Kosten aufbringen. So haben bisher schon verschiedene Institutionen zur Finanzierung beigetragen: das Kulturministerium Sloweniens, das Minoritenkloster Graz, vor allem aber die Paduanische Provinz des hl. Antonius. Slowenische Künstler schließlich stellten dafür ihre Werke zur Verfügung. Weitere Spender sind gefragt!

Franziskanische Spiritualität. Die Seelsorge tritt trotz der vielen bautechnischen Probleme keineswegs in den Hintergrund. Eine lebendige, sehr aktive Drittordensgemeinde fördert die Patres, denen die franziskanische Spiritualität am Herzen liegt, was bedeutet, daß die franziskanischen Feste besonders gefeiert werden. Dazu gehört auch Antonius, dessen man an allen Antonius-Dienstagen gedenkt.

Padua und Piran verbindet auch eine musikalische Persönlichkeit: Giuseppe Tartini. 1692 in Piran geboren, starb der außergewöhnliche Geigenvirtuose und Komponist 1770 in Padua: Dort war er an der Basilika des hl. Antonius von 1721 bis zu seinem Tode als Konzertmeister tätig. Auf dem Hauptplatz haben die Piraner ihrem berühmten Sohn ein Denkmal gesetzt. Im Kreuzgang der Generale des Convento del Santo in Padua erinnert eine Büste an ihn.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016