Liebe Freunde!

01. Januar 1900 | von

In jüngster Zeit hatte ich bei der Eucharistiefeier oft Gelegenheit, mit Jugendlichen des Neokatechumenalen Wegs zusammenzutreffen. Diese weit verbreitete Bewegung wurde von der katholischen Kirche offiziell anerkannt. Ende Juni empfiehlt sie in ihren Statuten die Wiederentdeckung der christlichen Taufe und deren Ansprüche an ein christliches Leben in mehreren aufeinanderfolgenden Etappen.
Ich hörte den jungen Menschen zu, wie sie die Texte aus der Heiligen Schrift kommentierten und war betroffen, als sie immer wieder und offen eingestanden, wie schwierig es sei, über den Glauben und das eigene christliche Leben mit den Kommilitonen oder den Freunden beim Sport zu reden. Die Gruppe trifft immer wieder auf eine fast unüberwindbare Barriere des Unverständnisses: Wie soll man erklären, dass man sich am Sonntag in der Gemeinschaft zur Messfeier trifft, während die Freunde die Diskothek besuchen?
Der Gruppenzwang scheint unwiderstehlich, vor allem, wenn Jugendliche sich vorgenommen haben, ganz anderes zu sein und versuchen, sich über Tattoos, Piercings und ähnliche Provokationen von der Welt der Erwachsenen abzusetzen.
In einem berühmten Experiment bewies der Psychologe Salomon Asch, wie groß der Druck sein kann, den die Gruppe auf Einzelne ausübt, sogar, wenn es um die Wahrnehmung von Gegenständen geht. Er nahm 20 Boote, alle gleich lang, und fragte 20 Studenten, welches davon das Längste sei. Mit 19 Versuchsteilnehmern machte er vorher aus, dass er eines der Boote, das sie als länger erkennen sollten, entsprechend kennzeichnen würde. Der einzige Student, der von der Abmachung nichts wusste, war am Anfang erstaunt, dass eines der Boote länger sein solle als die anderen, schloss sich dann aber dem Urteil seiner Kollegen an und nahm das Boot auch als länger wahr.
Sich den herrschenden Vorstellungen anpassen, mit dem Strom schwimmen, das ist nicht nur eine Haltung und ein Problem Jugendlicher. Vor allem was die moralischen Werte und Lebensstile anbelangt ist Wachsamkeit gefragt, kritische Aufmerksamkeit, die davor bewahrt, den gewählten Weg zu verlassen. Für uns Christen ist es der Weg des Glaubens an Gott und des Respekts vor dem Menschen in seiner Würde und Berufung. Wir wissen sehr wohl, dass die Zeiten vorbei sind, in denen eine grundlegend christlich geprägtes kulturelles Umfeld in Momenten der Ermüdung oder der Ungewissheit Halt geben konnte. Ganz im Gegenteil, heute braucht es schon einen gesunden Nonkonformismus angesichts unzähliger Ideen und Äußerungen die in unserem Lebensraum verbreitet werden.
Gemäß dem Sprichwort Nur die toten Fische schwimmen mit dem Strom sollten wir in dieser Zeit gegen den Strom schwimmen und damit rechnen – wie uns schon unser Meister Jesus lehrte -, dass wir auf Unverständnis, Angriffe und Kreuze stoßen. Jesus selbst irritierte und schockierte viele als er in absoluter Treue den Heilsplan, den ihn sein Vater aufgetragen hatte, durchführte. Genauso verhielten sich seine treuesten Nachfolger: Franz von Assisi hatte keine Angst davor, wegen seiner Lebenswahl als verrückt eingestuft zu werden; Antonius von Padua fürchtete sich nicht, gegen die Mächtigen und auch gegen unwürdige Kirchenobere harte Worte zu äußern.
Treue und Freiheit - ein Lebensprogramm, das ich unserer Antoniusfamilie mit auf den Weg geben möchte.
Ihnen allen das franziskanische Pace e bene, Frieden und Segen.

Ihr
Pater Sergio

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016