Marian Kołodziej – im Lager mit Pater Kolbe

23. Juni 2017 | von

Vor 100 Jahren wurde die Marianische Initiative P. Kolbes gegründet (Militia Immaculatae). Hier stellen wir einen polnischen Künstler vor, der seine jahrelange KZ-Haft in eindrücklichen Zeichnungen verarbeitet hat. Sie werden im Maximilian-Kolbe-Zentrum unweit von Auschwitz ausgestellt.

Am Anfang stand eine Kleinschrift: „Allen Menschen Brüder“! Meine erste Berührung mit P. Maximilian M. Kolbe war eher beiläufig. Das Büchlein mit seiner Biografie von P. Franz Xaver Lesch aus dem Jahr 1972 lag auf dem Küchentisch von „Tante“ Anna. Sie war Mitglied im Dritten Orden des Hl. Franziskus. Es blieb für mich beim Durchblättern als Soldat beim „Bund“. Später werden mir Mitbrüder und Aufenthalte in der Niepokalanów und Auschwitz den Märtyrer der Nächstenliebe näherbringen. Ein besonderer Schlüssel ist mir allerdings durch die Begegnung mit Marian Kolodziej 2004 in Harmęże unweit von Auschwitz geschenkt worden. Der wortkarge Künstler stellte uns Ordensausbildern seinen Kampf um ein Leben nach Auschwitz entlang seiner Zeichnungen vor. Damals stützte ihn seine Frau Halina. Sein durchfurchtes Gesicht, die eindringliche Stimme und sein Händedruck bleiben mir unvergessen. Die einmalige Begegnung bleibt ein Stachel, beharrlich nach Frieden und Aussöhnung zu suchen und das Gewissen wachzuhalten im Angesicht der Verachtung von Gott und Mensch. Die Zeitzeugen der NS-Gräuel sterben aus; seine verstörenden Zeichnungen bleiben mit der Frage nach christlicher Hoffnung.

Jahrelange KZ-Haft
Marian Kołodziej wird am 6. Dezember 1921 in Raszków geboren und von der Pfadfinderbewegung geprägt. Mit seinem Freund Marian Kajdasz schließt er sich bei Kriegsausbruch der polnischen Untergrundarmee an. Am 14. Mai 1940 wird er von der Gestapo verhaftet und kurz danach mit einem Häftlingszug als erstem Transport nach Auschwitz gebracht. Er bekommt die Nummer 432. Weil der junge Gefangene heimlich Pläne des Lagers kopiert, wird er zum Tod verurteilt. Marian Kołodziej überlebt die „Hölle“ der verschiedenen Todeslager und wird am 6. Mai 1945 von der 3. US-Armee in Ebensee (Österreich) befreit: „durch die Gnade Gottes“, wie er selber sagt. Er wiegt 36 kg, nimmt eine verwüstete Seelenlandschaft mit und hält sie jahrzehntelang verschlossen.
Nach dem Studium an der Kunstakademie in Krakau mit erfolgreichem Abschluss 1955 wird Danzig zu seinem Lebens- und Schaffensort. Seine Leidenschaft gilt dem Bühnenbild; als Protest gegen die Abgründe seiner Vergangenheit sind hier Licht und Luft die wesentlichen Elemente für sein Schaffen. 40 Jahre steht er im Dienst des Danziger Theaters „Wybrzeże“ (Ufer). Er zeichnet verantwortlich für die Papstaltäre in Danzig 1987 und Sobot 1999. Marian Kołodziej wird 1997 Ehrenbürger seiner „Heimatstadt“ Danzig, ein Jahr später Ehrenminorit der Krakauer Provinz.

Erinnerung als Pflicht
Ein Schlaganfall 1992 bewirkt eine Wende im Umgang mit seiner Vergangenheit. Er beginnt halbseitig gelähmt seine Erinnerungen mit Bleistift aus sich „heraus zu zeichnen“ in einer schier erschlagenden Fülle von Skizzen. Ein wesentliches Motiv ist die „Erinnerung an die Pflicht“ gegenüber seinen Leidensgenossen. Seit Januar 1998 birgt der Keller der Kirche zur Immaculata bei Auschwitz in Harmęże seine „Klischees einer Ausstellung“ in Gestalt eines „Labyrinths“. Beim Durchgang stößt man auf das Urnengrab des Künstlers, der wie seine Mitgefangenen als Asche verstreut werden wollte, was allerdings nicht gestattet wurde. Am 13. Oktober 2009 stirbt Marian Kołodziej 88-jährig in einem Danziger Krankenhaus; 10 Tage später wurde seine Asche beigesetzt in der Hoffnung auf die schöpferische Liebe Gottes, die stärker ist als Hass und Tod. Mitten in seiner „Ausstellung“ wird bei den Führungen der Mitbrüder und der Schwestern der Immaculata für alle Opfer des KZ und den verstorbenen Künstler gebetet. Marian Kołodziej war es wichtig, dass nach den Eindrücken im Eingangsbereich der „Ausstellung“ vom brutalen Zerbrochenwerden am Ende ein Weg durch einen japanischen Garten in seiner Schönheit und Ruhe steht – mittendrin eine Statue der unbefleckt Empfangenen!
Wer sich auf einen Weg durch die Krypta einlassen kann, wird mit einer unglaublich düsteren Apokalypse der Unmenschlichkeit konfrontiert, die nur eine Spur erträglicher wird durch menschliche Begleitung und die Suche nach Hoffnungsbildern. Augenblicke der Würde und Würdigung trösten. Der Häftling mit der Nr. 432 kann seinen Freund ins Krematorium auf Händen tragen. An den Sonntagnachmittagen gibt es einen Rest von Kultur und Theater. Ein Schutzmantelchristus beugt sich über die Opfer. Nicht zuletzt zeichnet Marian Kołodziej einen Pater Kolbe mit eindringlichen Augen. Der Minderbruder des Franziskus setzt stille Zeichen der Zuwendung: er hört Beichte; er teilt sein Brot; er betet, wo Verzweiflung grassiert; er stirbt im Hungerbunker für einen Familienvater. In der Hölle von Auschwitz – dennoch österliche Begegnungen!

Die Ausstellung von Marian Kołodziej kann im Maximilian-Kolbe-Zentrum in Harmęże nach Terminvereinbarung besichtigt werden:
Centrum św. Maksymiliana
Klasztor Franciszkanów
Harmęże, ul. Franciszkańska 12
Telefon: + 48 33 843-07-11
Internet: http://harmeze.franciszkanie.pl/

Zuletzt aktualisiert: 29. Juli 2017
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