Notaufnahmestation in Burkina Faso

27. Mai 2014

Im Dienste der Freunde und Verehrerinnen des heiligen Antonius, als ihr Auge, Verstand und Herz, macht sich der Generaldirektor des Messaggero mit einem Projekt der Caritas Antoniana in Burkina Faso vertraut. Die Leser und Wohltäter sind eingeladen, zum Festtag unseres Heiligen dieses Hilfsprojekt zu unterstützen.



Ein wenig besorgt bin ich schon, ich gebe es zu. Zwar reise ich nicht das erste Mal nach Afrika, doch diesmal ist es anders. Hier in Burkina Faso bin ich sozusagen Auge, Verstand und Herz der Freunde und Verehrerinnen des heiligen Antonius, die über die Caritas Antoniana ein ehrgeiziges Projekt auf die Beine stellen werden. Andererseits ist es auch ein ‚Heimspiel‘ für mich, denn dieses Projekt zum Antoniusfest 2014 startet in der noch jungen Mission der Warschauer Minoritenprovinz, in Sabou. Der Ort liegt in der Diözese Koudougou, im Zentrum des Landes Burkina Faso, etwa hundert Kilometer südwestlich der Hauptstadt Ouagadougou.

Weil es hier vor zehn Jahren auch nicht die kleinste Spur einer medizinischen Hilfe gab, finanzierte damals die Caritas Antoniana das medizinische Zentrum Maximilian Kolbe. Nun soll als Erweiterung der medizinischen Grundversorgung in dieser sehr ländlichen Gegend eine entsprechend ausgestattete Notaufnahme-Station hinzukommen. Meine Mitbrüder erläutern mir, was dies für die Menschen hier bedeutet.



AUS POLEN UND DEN ABRUZZEN

Am Airport der Hauptstadt Ouagadougou geht es technologisch modern zu, doch sobald sich die Glasschiebetüren des klimatisierten Terminals öffnen, bläst mir die trockenheiße Luft Afrikas den Sandstaub der nahen Sahel-Wüste in die Augen. Pater Tomasz Kręt, der Obere der Minoriten-Mission in Burkina Faso, erwartet mich und den Fotografen Giovanni Pinton. Der 37-jährige Tomasz stammt aus Józefów in Südostpolen; hager von Statur, sparsam mit Worten. Nach der brüderlichen Umarmung fühle ich mich wie zu Hause. Zum Abendessen im Antonius-Konvent von Ouagadougou gibt es eine kuriose Mischung aus Couscous und Ketchup, was nicht einmal schlecht schmeckt. Vermischen und miteinander teilen, dies wird zum Schlüsselwort der Reise. Auch die Minoriten-Mission in Burkina Faso ist solch eine

‚Mischung‘: Die Brüder aus Polen und den Abruzzen kombinieren nordische Effizienz mit mediterraner Leidenschaft.

Nächtliches Afrika: Der Mond leuchtet fantastisch; ein Esel schreit sein Iah-Iah; einige Hunde bellen; gegen fünf meldet sich der erste Hahn; dann ruft der Muezzin die muslimischen Gläubigen zum Gebet. Und schon wartet Guardian Marek, der uns mit dem Auto nach Sabou bringen wird, auf der Straße des Todes!



STRASSE DES TODES

Kein Wunder! Diese Straße, gesäumt von Autowracks, verbindet die Hauptstadt Ouagadougou des Binnenlandes Burkina Faso mit der Elfenbeinküste. Was da alles unterwegs ist: überfüllte Kleinbusse und klapprige Lieferwagen, total überladen mit riesigen Säcken auf dem Dach. Alle rasen wie verrückt, meist ohne Licht, dazwischen Fahrräder und Mofas im Sog vorbeidonnernder Laster. Das ist die Straße des Todes, sagt Marek. Wenige Tage zuvor hatte ein LKW einen Kleinbus überrollt: zehn Tote. Das kommt hier alle Tage vor, nur dass man dann keinen Notarzt, keinen Krankenwagen, keine Hilfe rufen kann.

Je mehr wir uns Sabou nähern, umso trockener wird die Erde und armseliger die Vegetation. In den letzten beiden Jahren habe es nur wenig geregnet, erklärt Marek. Die Ernteerträge seien bedenklich zurückgegangen und die eh schon arme Bevölkerung sei noch mehr in Not geraten. Bei Wind verschwindet alles in einer Wolke aus Sand: Himmel, Sonne und Leben.

Im Minoritenkonvent von Sabou erwartet uns Bruder Lorenzo, 47 Jahre alt, aus den Abruzzen, etwas rundlich, Pfeifenraucher. Gestenreich beschreibt er die Missionsstation: 50 Kilometer von Nord nach Süd, 60 Kilometer von Ost nach West, geschätzte 140.000 Einwohner, davon 20 Prozent Katholiken. Zwei Brüder aus Polen und zwei aus den Abruzzen betreuen die Pfarrgemeinde Saint Luc mit ihren elf Dörfern. Das angeschlossene medizinische Versorgungszentrum Maximilian Kolbe ist das einzige seiner Art in der gesamten Region. Finanziert hat es 2005 die Caritas Antoniana. Bruder Lorenzo: „Wenn dir hier etwas passiert? Bis zum nächsten Krankenhaus sind es hundert Kilometer, und dort behandeln sie nur zahlende Patienten.“ Das medizinische Versorgungszentrum Maximilian Kolbe hat 24 Betten, ein Analyse-Labor, eine allgemeinmedizinische Praxis, eine Beratungsstelle für Aids- und Tuberkulosekranke, eine Zahnarzt-praxis und eine Apotheke, die Medikamente zu einem Bruchteil des üblichen Marktpreises besorgt. Außerdem gibt es auch das CREN, ein Zentrum für unterernährte Kinder. Und demnächst wird eine von der österreichischen Caritas finanzierte Entbindungsstation eingerichtet.



OHNE RÖNTGEN UND ULTRASCHALL

Hier arbeiten 33 Menschen, alle aus Burkina Faso, darunter zehn Krankenschwestern und -pfleger, doch nur ein einziger fest angestellter Arzt. Immer wieder opfern Ärzte aus der westlichen Welt ihre Urlaubszeit für einen Afrika-Einsatz. Für Burkina Faso ist die technische und personelle Ausstattung des Zentrums ein Luxus, denn im Schnitt müssen 40.000 Menschen mit einem einzigen Arzt auskommen und 30.000 mit einer Krankenschwester.

Das medizinische Versorgungszentrum Maximilian Kolbe liegt einige Kilometer vom Konvent entfernt, direkt an der Todesstraße. Das Hinweisschild, vom Wüstenwind verwittert, dürfte auf Kranke und Verletzte, die es bis hierher geschafft haben, wie ein Hoffnungszeichen wirken. Die einfachen, sauberen Räumlichkeiten beeindrucken mich. Früher konnten nicht einmal die hier häufigen Malaria-Anfälle behandelt werden, geschweige denn sonstige schwere Notfälle: akute Atemwegs- oder Magen-Darm-Infektionen, Anämie, Hirnhautentzündung, komplizierte Entbindungen oder Schlangenbisse. Pater Lorenzo: „Unsere kleine Notaufnahme ist absolut unzureichend. Röntgen- oder Ultra-schalluntersuchungen sind nicht möglich, es gibt keinen Saal für Notoperationen. Eine gut ausgestattete Notaufnahme würde viele Menschenleben retten. Den Leuten bliebe der lange Weg in die Hauptstadt erspart, der zudem teuer ist, denn viele besitzen noch nicht einmal ein Fahrrad.“



LEBEN RETTENDE NOTVERSORGUNG

Beim vier Jahre alten Emmanuel war die Speiseröhre von Säure total verätzt, er konnte keine Nahrung mehr aufnehmen. Anderswo hatte man ihn als unheilbar entlassen. Hier in unserem Labor konnte eine genaue Diagnose gestellt werden. Emmanuel wurde operiert und wird durchkommen. Wie viele aber werden wegen so etwas noch sterben müssen?

Wir als Franziskaner haben kein „medizinisches“ Charisma, wie es etwa für den Kamillianer-Orden typisch ist, der sich weltweit um Kranke kümmert. Doch mir wird klar, dass ein gut eingerichtetes Krankenhaus hier vor Ort im besten Sinne zur Aufgabe der Caritas gehört. Pater Lorenzo meint dazu: „Im Grunde sind wir so etwas wie die amerikanischen ‚Ledernacken‘. Wo es arme und verlassene Menschen gibt, da stürzen wir uns hinein und kümmern uns um das Notwendigste.“ Dann erzählt mir Bruder Michaľ Kossi Egah, wie alles angefangen hat.

Auch er ist ein „Mix“ aus Erfahrungen und Kulturen: 1960 in Togo geboren, nach Duisburg emigriert, Fliesenleger gelernt, Kontakt zu den polnischen Minoriten in der Laurentius-Pfarrei von Duisburg-Beeck, zehn Jahre Theologiestudium in Polen. Und heute Missionar in Burkina Faso: Krankenpfleger, Zimmermann und Magister der Postulanten (Ordensanwärter) in der Hauptstadt Ouagadougou. Michaľ ist der einzige Afrikaner unter den Brüdern in Burkina Faso und zusammen mit Giacomo und Massimiliano einer der Gründer der Mission. Er erinnert sich: „Sofort kamen die Kinder und ließen sich von uns ihre Wunden behandeln. Wegen des Klimas kann hier auch eine kleine Verletzung schlimm ausgehen. Also richteten wir in unserer Garage eine Notversorgung ein, wo wir die Binden waschen und neu auflegen konnten. Die Stammesältesten baten uns, ein medizinisches Zentrum einzurichten.“

Auslöser war dann die Geschichte mit Omar, einem wenige Monate alten Waisenkind. „Die Oma kümmerte sich um ihn, konnte aber das Milchpulver nicht bezahlen. Infolge der Mangelernährung bekam Omar eine offene Wunde am Rücken. Wir sammelten Geld für das Krankenhaus, doch Omar starb noch vor dem Transport. Wir waren alle betroffen. Massimiliano entschied, das gesammelte Geld als Grundstein für das medizinische Zentrum zu verwenden. Damit begann unser Abenteuer.“ 



NAZARE' ALS HERAUSFORDERUNG

Für dieses Abenteuer soll nun ein neues Kapitel geschrieben werden, gemeinsam mit der Caritas Antoniana und allen Freunden des heiligen Antonius: eine Notaufnahme mit entsprechenden Diagnosegeräten und einem Operationssaal. Vor der Abreise lasse ich mir die Stelle zeigen. Noch wachsen dort Büsche auf dem staubigen Boden.

Im abschließenden Gespräch bei den Mitbrüdern erläutert Tomasz: „Uns geht es um eine gesamtheitliche Heilung der Menschen. Nur wenn Leib und Seele erfasst werden, ist die Bekehrung nachhaltig.“ Und Lorenzo verweist darauf: „Wichtig ist auch, aufeinander zuzugehen. Damit meine ich nicht nur unsere Gemeinschaft von Brüdern aus Polen und den Abruzzen, sondern auch den Kontakt mit anderen Religionen, vor allem den Muslimen und den Animisten (Anhängern der Naturreligion). Wir befinden uns in einer historischen Phase, wo Konflikte an der Tagesordnung sind.

Hier in Burkina Faso nennt man uns ‚nazaré‘, das bedeutet ‚weiße Menschen‘. Dieser Begriff ist eine arabisierte Form für ‚Jesus von Nazareth‘. Und damit wird das Wort ‚nazaré‘ für uns zu einer extra Herausforderung. Weiße Europäer zu sein, dies bedeutet in diesem Winkel der Erde für uns Missionare, Tag für Tag in die Fußstapfen Jesu zu treten.“

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016