Papst Franziskus gibt starke Impulse für die Weltkirche

22. Mai 2013 | von

„Ihr wisst, es war die Aufgabe des Konklaves, Rom einen Bischof zu geben. Es scheint, meine Mitbrüder, die Kardinäle, sind fast bis ans Ende der Welt gegangen, um ihn zu holen. […] Und jetzt beginnen wir diesen Weg – Bischof und Volk –, den Weg der Kirche von Rom, die den Vorsitz in der Liebe führt im Hinblick auf alle Kirchen; einen Weg der Brüderlichkeit, der Liebe, des gegenseitigen Vertrauens. […] Ich wünsche Euch, dass dieser Weg als Kirche, den wir heute beginnen […] fruchtbar sei für die Evangelisierung dieser schönen Stadt und der Welt.“ Mit diesen Worten begann Papst Franziskus nach seiner Wahl am 13. März auf der Loggia des Petersdomes in Rom sein Pontifikat.



Was ist zu erwarten vom Papst „vom Ende der Welt“? Welche Impulse werden von ihm „bis an die Enden der Welt“, für die Weltkirche ausgehen? Nur einige kann ich schlaglichtartig nennen. Sein wichtigstes Ziel hat Papst Franziskus in der oben zitierten ersten Ansprache genannt: Evangelisierung. Dafür muss die Kirche auch sich selbst evangelisieren, das heißt, sich immer neu zum Evangelium bekehren.



KIRCHE DES EVANGELIUMS

Als Bischof von Buenos Aires hat Jorge Mario Bergoglio in seinen Ansprachen, Vorträgen und Schriften oft an das Apostolische Schreiben von Papst Paul VI. „Evangelii nuntiandi“ des Jahres 1975 erinnert (siehe z. B. Jorge Mario Bergoglio/Papst Franziskus, Offener Geist und gläubiges Herz. Biblische Betrachtungen eines Seelsorgers, Freiburg 2013, S. 15-116). Es trägt allen Gläubigen der ganzen Kirche mit allem, was sie besitzt und tut, auf: „Kirche des Evangeliums“ und „Kirche der Evangelisierung“ zu sein. Es gibt noch viele Länder, Völker und Gruppen auf der Erde und es kommen immer wieder neue dazu, in denen das Evangelium noch nicht bekannt ist oder in denen es das gesellschaftliche Leben noch nicht oder zu wenig prägt.

Zugleich wird Papst Franziskus die Neuevangelisierung der christlich geprägten Nationen Europas und Amerikas weiterführen, in denen die Gestaltung des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens durch das Evangelium abnimmt. Dazu wird er eine „Autoevangelisierung“ der Kirche einfordern. In „Evangelii nuntiandi“ schreibt Papst Paul VI.: „Das Zweite Vatikanische Konzil [...] hat dieses Thema von der Kirche, die sich durch eine beständige Bekehrung und Erneuerung selbst evangelisiert, um die Welt glaubwürdig zu evangelisieren, mit Nachdruck aufgegriffen.“ Diesem Auftrag wird sich Papst Franziskus widmen: Das Evangelium soll durch ein glaubhaftes Leben der Christen zu allen Menschen gelangen und ihr Zusammenleben weltweit inspirieren, damit sie in Gerechtigkeit und Frieden, Geschwisterlichkeit und Liebe „die Familie Gottes“ bilden.



ZENTRUM JESUS CHRISTUS

Jorge Mario Bergoglio ist Jesuit. Nach dem Studium der Chemie trat er 1958 mit 22 Jahren in den Jesuitenorden ein. 1969 empfing er die Priesterweihe. Er war Novizenmeister in seinem Orden und auch Provinzial. Er ist der erste Jesuit auf dem Stuhl Petri. Die Zugehörigkeit zur „Gesellschaft Jesu“ zeigt sich in seinem ganzen Leben und Wirken. Wie der heilige Ignatius von Loyola es wollte, ist für Papst Franziskus Jesus Christus das Zentrum der Kirche, er ist die Quelle des christlichen Lebens und auch der Evangelisation.

Die Evangelisierung besteht darin, Jesus Christus „zum Herzen“ der Menschen, aller Gesellschaften der weiten Welt und der ganzen Schöpfung zu machen. Das Herz Jesu soll für alle Quelle des Heils sein. Auf Jesus weist auch das IHS-Monogramm im Wappen von Papst Franziskus hin: IHS sind sowohl die Anfangsbuchstaben des Namens Jesu in griechischer Schrift als auch die des Jesuitenideals Iesum Habemus Socium (Jesus haben wir als Gefährten) und werden als Iesus Hominum Salvator (Jesus, Erlöser der Menschen) gedeutet. Jesus Christus ist Ursprung, Mitte und Ziel aller Evangelisation.

Schließlich weist auch der Papstname Franziskus auf das gleiche geistliche Programm hin. Auch der heilige Franziskus und seine Bewegung leben aus einer tiefen persönlichen Beziehung zu Jesus Christus. Von Papst Franziskus wird der Impuls einer Konzentration der ganzen Kirche auf Jesus Christus ausgehen.



NAHE AM MENSCHEN

Als Jesuit, Priester, Pfarrer, Bischof und Papst zeigte und zeigt sich Jorge Mario Bergoglio als charismatischer Seelsorger. Er will die Kirche menschennah und menschenfreundlich gestalten: „Menschen empfinden uns als abstrakt, wenn wir ihnen nicht sagen und zeigen können: Ich bin es, der mit dir lebt, der sich freut, wenn du lachst, und leidet, wenn du weinst“, so schrieb er als Erzbischof von Buenos Aires. Diese Haltung und Forderung erinnert an die Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“ des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“

Die Verwirklichung des Zweiten Vatikanischen Konzils, das im Aggiornamento die lebensdienliche „Orthopraxie“ (das rechte Wirken) der Kirche für das Heil der Menschen erneuern wollte, ist Papst Franziskus ein großes Anliegen. In Wort und Tat sollen alle Christen und die ganze Kirche Jesus Christus nachfolgen und wie er nahe bei den Menschen sein, damit alle Welt die Barmherzigkeit Gottes spürt. Die Barmherzigkeit ist ein durchgängiges Thema bei Papst Franziskus. Das Programm der Pastoral des Jesuitenordens ist in den Worten des heiligen Ignatius von Loyola zusammengefasst: „Den Seelen helfen.“ Papst Franziskus wird Impulse geben für eine Kirche, die den Menschen hilft, „die Fülle des Lebens“ in dieser Zeit und in der Ewigkeit zu finden. Die Seelsorge wird wieder mehr im Vordergrund der Kirche stehen.



ARME KIRCHE FÜR DIE ARMEN

Der neue Papst hat selbst erklärt, wie er auf den Namen Franziskus kam: Cláudio Kardinal Hummes habe ihm während der letzten Abstimmung im Konklave ins Ohr geflüstert: „Vergiss die Armen nicht!“ Er habe sogleich an den heiligen Franz von Assisi gedacht, den Mann der Armut, der sich für die Armen, für Frieden und Heil (Pace e Bene) aller Menschen einsetzte. „Ach, wie wünsche ich mir eine arme Kirche für die Armen!“, äußerte Papst Franziskus bei seinem ersten Treffen mit Tausenden von Journalisten am 16. März. Vor dem Diplomatischen Korps führte er am 22. März 2013 näher aus, was er damit meinte: „Einer der ersten Gründe (für die Namenswahl) ist die Liebe, die Franziskus zu den Armen hatte. Wie viele Arme gibt es noch in der Welt! Und welchen Leiden sind diese Menschen ausgesetzt! Doch es gibt auch noch eine andere Armut! Es ist die geistliche Armut unserer Tage, die ganz ernstlich auch die Länder betrifft, die als die reichsten gelten.“

Papst Franziskus wird ganz sicher viele neue Impulse für die Überwindung des Hungers in der Welt geben. Eine Milliarde Hungernde heute ist ein Skandal, der beseitigt werden kann und muss. Krankheit, Kindersterblichkeit, Analphabetismus und Bildungsnotstand in vielen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas können und müssen behoben werden. Darauf wird Papst Franziskus drängen. Dazu muss die ganze Kirche neu werden. Sie muss arm werden!



FRANZISKANISCHER LEBENSSTIL

In den ersten Tagen und Wochen hat Papst Franziskus gezeigt, was armes Leben der Kirche bedeutet: Bescheidenes Auftreten und eine einfache, aber klare Sprache sprechen, die auch alle Menschen verstehen. Er wendet sich bei den Generalaudienzen besonders den Behinderten zu und wäscht jugendlichen Strafgefangenen am Gründonnerstag die Füße. Er wird nicht müde, die Würde und Rechte der Armen in den Mittelpunkt zu stellen. Die liturgischen Gewänder, die Gottesdienste und der Umgangsstil werden einfacher. Durch sein Handeln lebt der neue Papst Bescheidenheit vor.

Bergoglio ist als „Kardinal der Armen“ bekannt geworden: „Meine Leute sind arm und ich bin einer von ihnen“, hat er mehr als einmal gesagt, als er erklärte, warum er sich entschieden habe, in einem Zimmer zu wohnen und sein Abendessen selbst zu kochen. Er ist in die Slums von Buenos Aires gegangen. Immer hat er soziale Ungerechtigkeiten angeprangert. Er hat vorgelebt, was er predigte: mehr konkrete und persönliche Hilfe für Arme und Bedürftige, das kann nur eine arme Kirche. Papst Franziskus lebt franziskanische Askese und verknüpft sie mit dem Dienst an den Armen. Das wird er der ganzen Kirche ins Stammbuch schreiben.



FRIEDE UND BEWAHRUNG DER SCHÖPFUNG

Der heilige Franziskus von Assisi steht auch für Frieden und Bewahrung der Schöpfung. In der Ansprache an das Diplomatische Korps sagte Papst Franziskus: „Und damit komme ich zu einem zweiten Grund für meinen Namen. Franziskus von Assisi sagt: Arbeitet, um den Frieden aufzubauen! [...] Es kann keinen wahren Frieden geben, wenn jeder sein eigener Maßstab ist, wenn jeder immer und einzig sein eigenes Recht einfordert, ohne sich gleichzeitig um das Wohl der anderen – aller – zu kümmern, angefangen von der Natur, die alle Menschen auf dieser Welt verbindet.“

Seit Beginn seines Pontifikats mahnt Papst Franziskus zum Frieden, zum Beispiel in Syrien, Ägypten und anderen Ländern. Er fordert Achtung und Bewahrung der Natur, weil sie Gottes Schöpfung ist, die allen Menschen aller Zeiten das Leben ermöglichen soll. Für Erhalt, Sicherung oder Wiederherstellung des Friedens sowie für den Erhalt der Schöpfung, deren Krone der Mensch ist, wird Papst Franziskus neue Impulse geben.



DIALOG MIT RELIGIONEN UND KULTUREN

Der neue Papst wird sich für den Dialog mit den anderen Religionen und Kulturen einsetzen, wie es schon in einer seiner ersten Ansprachen deutlich wurde: „Man kann […] keine Brücken zwischen den Menschen bauen, wenn man Gott vergisst. Doch es gilt auch das Gegenteil: Man kann keine wahre Verbindung zu Gott haben, wenn man die anderen ignoriert. Darum ist es wichtig, den Dialog zwischen den verschiedenen Religionen zu verstärken – ich denke besonders an den mit dem Islam […]. Und es ist auch wichtig, die Gegenüberstellung mit den Nichtgläubigen zu intensivieren, damit niemals die Unterschiede, die trennen und verletzen, überhand nehmen, sondern bei aller Verschiedenheit doch der Wunsch überwiegt, wahre Bindungen der Freundschaft zwischen allen Völkern aufzubauen.“ Der Dialog mit den Religionen und Kulturen wird für das weltweite friedliche Zusammenleben aller Menschen in Zukunft noch wichtiger werden. Papst Franziskus wird dieser Dialog ein Herzensanliegen sein.



KIRCHE ENTWELTLICHEN

Der von Papst Benedikt XVI. in Freiburg verwendete und dann oft und kontrovers diskutierte Begriff der „Entweltlichung der Kirche“ ist auch von Papst Franziskus aufgenommen worden. Er will eine authentische Kirche, die für alle Menschen offen ist. Damit sie eine Kirche für die ganze Welt sein kann, muss sie sich entweltlichen, besonders von allem, was sie sich an „europäischer Welt“, an Macht, Reichtümern, Verhaltensweisen, Lebens- und Führungsstil im Laufe der Zeit angeeignet hat. Entweltlichung soll als Ziel haben: fähig zu werden, Kirche für die ganze Welt zu sein.

Durch den neuen Papst kommen die Menschen der südlichen Hemisphäre und damit die Armen, die Hungernden, die Ausgebeuteten und Benachteiligten mit ihren Sorgen und Nöten stärker in den Blick. In der Predigt der Chrisammesse am 28. März 2013 sagte Papst Franziskus: Die katholische Kirche ist „aufgerufen, aus sich selbst heraus und an die Ränder zu gehen, […] nicht nur an die geografischen Ränder, sondern an die Grenzen der menschlichen Existenz“. Dazu muss die Kirche das Kleid, das sie von der westlichen Welt angenommen hat, ablegen. Sie muss das Kleid des Evangeliums tragen, das offen ist für alle Menschen und Kulturen. Auch zu dieser Entweltlichung der Kirche sind von Papst Franziskus Impulse zu erwarten.



KIRCHE IST JUNG UND LEBENDIG

Papst Franziskus steht für eine junge, lebendige und dynamische Kirche, die bei den Menschen anerkannt ist – er bringt sie mit aus seinem Herkunftsland Argentinien. Als Bischof hat er die Jugend und einen lebendigen Glauben der Jugend gefördert. Seine erste Predigt als Papst galt am Palmsonntag auch der Jugend: „Ihr [die Jugendlichen] spielt eine wichtige Rolle beim Fest des Glaubens! Ihr bringt uns die Freude des Glaubens und sagt uns, dass wir den Glauben mit einem jungen Herzen leben müssen, immer: mit jungem Herzen, auch mit siebzig, achtzig Jahren! Ein junges Herz! Mit Christus wird das Herz niemals alt!“

Ende Juli 2013 wird sich Papst Franziskus zum Weltjugendtag nach Brasilien begeben. Er steht an der Seite der Jugendlichen, die die Kirche und den Glauben von heute und morgen entscheidend prägen werden. Er lädt die Jugendlichen ein, den Glauben zu leben und zu verkünden: „Die jungen Menschen müssen der Welt sagen: Es ist gut, Jesus zu folgen; es ist gut, mit Jesus zu gehen; gut ist die Botschaft Jesu; es ist gut, aus sich herauszugehen, bis an die Grenzen der Erde und der eigenen Existenz, um Jesus zu bringen.“

Von Papst Franziskus gehen bereits nach wenigen Wochen Pontifikat frische Impulse für die ganze Kirche und die Welt aus. Mit dem neuen Papst diese umzusetzen, ist unsere Aufgabe und wird unsere Freude sein.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016