Viel mehr als nur ein bisschen wärmer...

25. Februar 2019 | von

Warum man die Dunkelheit schätzen sollte und warum die Welt durch den Klimawandel laut wird, das erläutert unsere Autorin im folgenden Beitrag.

Auch wenn der eine oder andere die weltweiten Steigerungen der Durchschnittstemperatur, die Zunahme von extremen Phänomenen wie Hurrikans oder Tsunamis einfach für Wetter hält − die Fakten sprechen eine andere Sprache. Und wir sollten, wenn wir klug sind, auf diese Sprache hören. Denn sie wird das, was heute das Urteil so vieler bestimmt, die emotionale Befindlichkeit, erheblich beeinflussen. Unsere Umwelt wandelt sich nicht nur durch die steigenden Temperaturen, die bewirken, dass sich der vormals strenge, oft über fünf Monate hinweg schneereiche Winter im oberfränkischen Hof heutzutage so anfühlt wie die deutlich mildere kalte Jahreszeit im vom Atlantikstrom beheizten hanseatischen Bremen. 

Hörbare Veränderungen
Die Änderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, werden mehr und mehr auch hörbar. So hat beispielsweise der Soundtrack, der die eisige Landschaft in den Fjorden von Alaska und der Antarktis prägt, inzwischen eine Lautstärke von über hundert Dezibel erreicht. Das entspricht dem Geräuschpegel, der in einer Disko oder einem Sinfoniekonzert erreicht wird und kann bis zum akustischen Output einer Kettensäge, eines Presslufthammers oder eines heftigen Gewitterdonners reichen. Auf Dauer ist diese Lautstärke nicht nur für Menschen sehr ungesund, die daraufhin unter Schlafstörungen oder Herzrhythmusstörungen zu leiden beginnen. Der Lärm, der von den blubbernden Blasen der schmelzenden Gletscher verursacht wird, schädigt das gesamte arktische Ökosystem. Wissenschaftler warnen inzwischen, dass sich die Klanglandschaften weltweit in einem alarmierenden Ausmaß verschlechtert haben. Sie unterscheiden zwischen Geophonie, den Klängen, die von Landschaften ausgehen, Biophonie, Geräuschen, die von Lebewesen beigesteuert werden, und Anthropophonie, die von menschengemachten Sounds ausgeht. Wichtig beim Tönen der Welt und grundlegend für den Pulsschlag der gesamten Natur ist die Vielfalt der Klänge. Das Prinzip ist dem in einem Orchester vergleichbar. Wenn die Posaunen und der Paukist darauf bestehen, ständig in voller Lautstärke zu spielen, werden sich die Querflöten und die Harfe bald von der Bühne zurückziehen. Wer sich im idealerweise harmonisch gedachten Klang der Welt, dem, was antike Philosophen wie Boethius als musica mundana, musica humana und musica instrumentalis bezeichneten, also den Klang des Universums, die innere, aber in die Welt ausstrahlende Harmonie der Menschen und die vokale bzw. instrumentale Musik, kein Gehör mehr verschaffen kann, verstummt und verschwindet schließlich aus dem Soundtrack der Schöpfung.

Weltweite Lichtverschmutzung
Wie in der Kräuterheilkunde ist es auch beim Klang die Dosis, die das Gift macht. Dasselbe gilt für die vielen Lichter, mit denen wir derzeit unsere Welt erhellen. „Wir können“, so sagt Benedikt XVI., „heute unsere Städte so grell erleuchten, dass die Sterne des Himmels nicht mehr sichtbar sind. Ist das nicht ein Bild für die Problematik unserer Aufgeklärtheit?“, fragt der ehemalige Papst weiter. Das ist es tatsächlich, denn im überhellen Licht, das oft völlig überflüssigerweise nächtens leerstehende Parkplätze, Industrieanlagen oder Kaufhäuser erhellt, übersehen wir die weitreichenden Folgen der inzwischen nahezu weltweiten Lichtverschmutzung. Sie sorgt beispielsweise für das milliardenfache Sterben von Kleintieren. Jede einzelne Straßenlaterne bringt pro Nacht 150 Insekten den Tod. Nun werden die wenigsten von uns den Tod von Mücken betrauern, aber Tatsache ist: Ohne Insekten geht es nicht. Denn diese scheinbar lästigen kleinen Wesen dienen nicht nur Vögeln, Fischen, Eidechsen und Fröschen zur Nahrung, auch die meisten Bäume und Sträucher werden von Nachtfaltern bestäubt. Fällt dieses kleine, aber entscheidende Puzzleteil in unserem Ökosystem weg, hat dies tiefgreifende Folgen. Darüber hinaus beschleunigen Insekten die Abbauprozesse von organischem Material. Auch Pflanzen können durch eine strahlendhelle Nacht in ihrem Wachstum geschädigt werden. So reagieren die Kastanien in der Innenstadt von Fulda sichtbar auf die Straßenlaternen, die ihnen signalisieren, es sei weiterhin Tag bzw. die Umstellung von der warmen auf die kalte Jahreszeit erkennbar verzögern. Durch das spätere Abwerfen des Laubes verlieren die Bäume an Lebenskraft oder erleiden Schäden durch den unvermutet eintretenden Frost.
Papst Franziskus schreibt in seiner Enzyklika „Laudato si“: „Jedes Jahr verschwinden Tausende Pflanzen- und Tierarten, die wir nicht mehr kennen können, die unsere Kinder nicht mehr sehen können, verloren für immer. Die weitaus größte Mehrheit stirbt aus Gründen aus, die mit irgendwelchem menschlichen Tun zusammenhängen. Unseretwegen können bereits tausende Arten nicht mehr mit ihrer Existenz Gott verherrlichen, noch uns ihre Botschaft vermitteln. Dazu haben wir kein Recht.“

Umweltbewusstes Gegensteuern
Umweltbewusste Vordenker steuern deshalb dagegen. So empfiehlt das Bistum Fulda seinen Gemeinden, die Strahler, die die Kirchen beleuchten, um 22.00 Uhr auszuschalten und leistet so einen bewussten Beitrag zur Minderung der Lichtverschmutzung. Die Bürgerstadt Münster votiert nicht nur gegen schrankenlose sonntägliche Ladenöffnungszeiten, sondern empfiehlt ihren Bürgern auch das Abschalten der nächtlichen Außenbeleuchtung als aktiven Beitrag zum Energiesparen und zur Bewahrung der Schöpfung. Die Initiative gegen Lichtverschmutzung, Dark Sky, informiert über die Einflüsse von Skybeamern, Gebäudeanstrahlung und Straßenbeleuchtung auf die Natur, deren Teil der Mensch ist. 
Hildegard von Bingen hörte im 12. Jahrhundert den Aufschrei der Schöpfung. Die Elemente klagten, dass sie angesichts des menschlichen Handelns ihr Gleichgewicht verlören und ihnen die Luft zum Atmen ausginge. Es hat nicht den Anschein, dass sich die Situation seitdem verbessert hätte. Aber genau dies können wir ändern. Denn wir gehen bei unserem Handeln vielfach von falschen Voraussetzungen aus. Außenbeleuchtung an Privathäusern trägt nicht nur zur Lichtverschmutzung bei, sie hält auch keinen Einbrecher ab. Effektiver sind wechselnde energiesparende Innenlampen. Und das ist nur ein Beispiel. Jeder Einzelne kann durch sein Verhalten einen kleinen, aber strahlkräftigen Beitrag zur Vermeidung von Umweltlärm und Lichtverschmutzung beitragen.  

Zuletzt aktualisiert: 25. Februar 2019
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