Was es heißt, Gott zu lieben

01. Januar 1900

Der Glaube wurde mir in die Wiege gelegt. Es war natürlich gewesen, in den Glauben hinein zu wachsen. Die 18-jährige Kathrin weiß zu schätzen, dass ihr Glaube wie selbstverständlich auf dem Boden ihres katholischen Zuhauses gewachsen ist. Doch sie ist sich auch sehr bewusst, dass der Glaube immer auch ein persönliches Aufmachen von Herzen ist. Ihr persönlicher Aufbruch ist verbunden mit Jedidja, einer Gemeinschaft der Charismatischen Erneuerung, die sich vor allem der Jugendarbeit widmet. Die Jugendlichen sollen zu einer persönlichen Beziehung zu Jesus finden und diese leben lernen. Man trifft sich wöchentlich zu Gebet und Austausch, veranstaltet alle zwei Monate ein Jugendwochenende und einmal im Jahr ein großes Camp.

Selbstbewusst glauben. Das Camp zu Ostern vor drei Jahren sieht Kathrin als Wendepunkt in ihrem Leben: Ich habe damals begriffen, was es heißt, Gott zu lieben und auch von ihm geliebt zu sein. Von da an begann sie ein eigenständigeres religiöses Leben.
Hatte sie früher die Vorstellungen, die Jugendgruppe und Eltern an sie heran getragen hatten, erst einmal übernommen und auszufüllen versucht, so sucht sie jetzt nach ihrer ganz persönlichen Weise, den Glauben zu leben. Sie greift sich heraus, was sie persönlich anspricht. Auch die diözesanen Weihnachtsexerzitien mit Meditation und Körperübungen geben ihr viel. Von Jedidja angeregt ist die stille Zeit, die man sich täglich nehmen sollte zum Austausch mit Gott. Das habe ich täglich durchgezogen aus Disziplin. Aber dadurch ist eine Gewohnheit entstanden, die mir viel bedeutet. Das Gebetsleben wandelt sich immer wieder. Ich bete nicht nur ein- oder zweimal am Tag, sondern sage oft kurz einen Satz zu Jesus. Die intensivsten Zeiten habe ich, wenn ich spazieren gehe. Das befreit mich. Ich rede mit Jesus, als ob er neben mir ginge, laut. Zwischendurch singe ich. Musik und Lobpreis sind für mich ganz wichtig, um Gott zu danken, zu feiern, die Ehre zu geben. Man muss nicht immer nur bitten. In erster Linie erzähle ich, was heute so war, wie es mir geht, wie ich gerade da bin.

Die fromme Kathi. Ob sie denn auch Antworten bekommt? Durchaus. Das kann ein Gedanke sein, der mir plötzlich in den Sinn kommt. Oder ich spüre, mir ist leicht geworden. Oder wenn ich in die Schöpfung sehe: Dort begegnen mir oft Dinge, durch die ich tief in mir Frieden, Ruhe verspüre, so dass ich weiß, das, was ich jetzt bedacht habe, ist in Ordnung, das kommt von Gott.
An der Schule gibt es viele, die mit dem Glauben nichts anfangen können. Die Allermeisten sogar. Aber Fragen kommen selten. Die Leute in meinem Umkreis wissen, wie ich lebe. Unsere Klasse war bunt gemischt. Da hatte jeder seinen Platz. Jetzt in der Kollegstufe gibt es einige, für die ich als Christin verschrien bin: die ‚fromme Kathrin‘, was gleich bedeutend ist mit uncool sein. Aber das stört mich nicht. Nur umgekehrt war es für mich selbst lange schwer damit umzugehen, dass die anderen anders sind. Nicht dass ich Zweifel am Glauben hatte. Vielmehr habe ich die anderen in Schubladen gesteckt und verurteilt. Ich muss langsam lernen, dass sie ein anderes Leben führen, so, wie es ihrer höchsten Vorstellung von Leben entspricht. Ich will respektieren, dass sie sich anders weiter entwickeln. Jeder Mensch hat den Drang, sich zu entwickeln. Und jeder Mensch ist genauso von Gott geliebt.

Thema Freund. Als Christin fühlt sich Kathrin nicht eingeschränkt im Vergleich zu anderen. Ich finde es lächerlich zu sagen, als Christ sollte man nicht in die Disco gehen oder keine Shirts mit Spaghettiträgern anziehen. Allerdings ist sie nicht die große Discogängerin und hört nur wenig von der gängigen Jugendmusik, von der sie gesteht, dass sich die Texte doch nur hämmernd um ein und dasselbe drehen.
Jetzt, mit achtzehn, hat sie ihren ersten Freund. Vor Jahren hat ihr die Frage: Was, du hast noch keinen Freund? viel ausgemacht. Mit dreizehn, vierzehn Jahren hat sie das in große Selbstzweifel gestürzt, denn der Freund war das Thema Nummer eins unter den Freundinnen. Es hat lange gebraucht, bis ich das annehmen konnte, dass ich noch keinen Freund hatte. Ich dachte, ich bin nicht schön genug, nicht dünn genug. Was habe ich für Diäten gemacht! Für Jungs geschwärmt habe ich viel. Auch für mehrere auf einmal. Es hat lange gebraucht zu lernen, dass Singlesein auch schön ist. Jetzt sehe ich: es ist wichtig, erst einmal allein gut zurecht zu kommen, mich selbst im Griff zu haben, mein Frausein zu genießen und zu leben, in mir Ruhe zu haben, mich so anzunehmen wie ich bin, zumindest in großen Zügen. Sonst kann ich auch einen anderen nicht lieben. Wichtig war für mich auch, im Mann nicht gleich den potenziellen Partner, sondern zuerst den Menschen zu sehen.

Ausdruck göttlicher Liebe. Kathrin ist froh, einen christlichen Freund zu haben. Man hat eine gemeinsame Basis, was ganz entscheidend ist. Ich habe schon gemerkt, dass es mit einem nichtchristlichen Partner früher oder später zu einem Bruch kommt. Ihre Sexualität möchte Kathrin im Sinne Gottes leben. Sexualität ist für mich Ausdruck von göttlicher Liebe, ganz positiv. Sie muss gleichmäßig mit dem Vertrauen wachsen, wobei das Vertrauen ein natürlicher Prozess ist, der viel Zeit braucht.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016