Zufrieden – mit mir und der Welt

Beziehungsweise
23. April 2017 | von

Vom Glück der Zufriedenheit schreibt unser Autor in diesem Beitrag. Eine günstige Gelegenheit, sich selbst die Frage zu stellen: Wie zufrieden bin ich denn eigentlich?

Drei kleine Beispiele rund um das Wort „zufrieden“ illustrieren die Bandbreite an Situationen, in denen wir dieses Wort einsetzen: 
• Zwei Freunde treffen sich nach langer Zeit. „Wie geht es Dir?“, fragt der eine. „Ich bin zufrieden“, so die Antwort des anderen.
• Ein führendes Wirtschaftsunternehmen veröffentlicht seine Jahresbilanz 2016. „Das Ergebnis ist mehr als zufriedenstellend“, so die erfreuliche Botschaft an die Mitarbeiter/innen und die Kunden.
• Freudestrahlend kommt das Kind mit seinem Halbjahreszeugnis nach Hause. Die Noten liegen im oberen Level – bis auf eine Ausnahme. „In Mathe musst Du aber besser werden.“ Nur eine Drei. Immerhin die Note befriedigend. Die Eltern jedoch sind damit unzufrieden.

Zu schnell zufrieden?
Zufriedenheit hat einen ambivalenten Ruf. Zum einen kann man wirklich mit sich und der Welt zufrieden sein und sich an kleinen Erfolgen und Fortschritten erfreuen. Die Note drei ist nun mal „befriedigend“. Mit ihr kann man befriedigt – „in Frieden“ – leben. Und ohne Druck sogar noch besser werden.
Zum anderen kann man zu schnell mit sich und seinem Tun zufrieden sein und sich geruhsam im Schaukelstuhl  zurücklehnen. Wer seine Talente und Begabungen nicht auszuschöpfen weiß, wird auf Dauer mit sich und der Welt unzufrieden sein. „Das stärkste Hindernis für unseren Aufstieg bildet die Tatsache, dass wir zu schnell mit uns zufrieden sind,“ ermahnte einst schon der Römer Seneca.

Zufriedenheit währt lange
Zufriedenheit hat nicht den seligmachenden Ruf von Glück. Und dennoch ist sie der beste Zustand, den man auf Dauer erreichen kann. Glück dagegen ist begrenzt. Wir erleben glückliche Momente, bestenfalls glückliche Stunden. Wie schnell verlässt uns das Glück. Kein Mensch ist stets beglückt; kein Mensch ist wunschlos glücklich! Wohl zu Recht sprechen wir vom „flüchtigen Glück“. Schon bald haben sich die Glückshormone verflüchtigt...
Zufriedenheit hingegen ist nicht auf den Augenblick beschränkt. Sie währt lange, ja sie kann wie ein roter Faden unser Leben durchziehen. Wir sind eigentlich immer wieder zufrieden (gestellt), wenn unsere reale Lebenssituation sich unseren idealen Lebensvorstellungen in etwa anzunähern weiß. Je kleiner die Kluft ist, desto zufriedener sind wir. Wohl wissend, dass wir dem Ideal nie ganz gerecht werden. Und wohl wissend, dass wir mit vielem in unserem Lebensumfeld und darüber hinaus einfach nur unzufrieden sein können. Gelegentlich werden wir uns mit Fug und Recht auch über uns selbst ärgern, über unsere Unzulänglichkeiten, über unsere Misserfolge, über unsere Fehlentscheidungen, mitunter sogar über unsere „schlechte Laune“. Selbstkritisch können wir an Fehlentwicklungen arbeiten und zur „alten Zufriedenheit“ zurückfinden. 

Genug, um zufrieden zu sein
Glück kann man nicht erzwingen, an Zufriedenheit kann man mitwirken. Durch gezielte Aktivitäten können wir unsere Zufriedenheit sogar steigern, ohne dabei jedoch unsere Ansprüche weiter hochzuschrauben. Die Gefahr der Überforderung ist in unserer an Leistung orientierten Gesellschaft jederzeit vorhanden. Von daher ist es hilfreich und gut, zu seinen Grenzen stehen zu können.
Was ich kann, ist doch eigentlich gut genug. Genug, um zufrieden zu sein! Das scheint wohl die Basis für unsere Zufriedenheit zu sein: Nach einer alljährlichen Befragung von 12.000 
Privathaushalten erreicht die Zufriedenheit der Deutschen sieben Punkte auf einer Zehn-Punkte-Skala. Demzufolge geht es uns in Deutschland doch relativ gut. „Die Zufriedenheit mit sich selbst ist in Wahrheit das Höchste, was wir erhoffen können“, meint wohl zu Recht der Philosoph Spinoza.

Für Überraschungen gut
Wer zufrieden ist, wird mit Optimismus wie auch mit Dankbarkeit auf sein Leben schauen. Seine Aufmerksamkeit wird sich auf die schönen Erlebnisse und Ereignisse konzentrieren, die wiederum seine Genugtuung  zu steigern wissen. Und er wird voller Neugier sein, was das Leben noch für ihn bereithält. Man kann zufrieden sein und dennoch neue Pläne schmieden. Das schützt vor gesättigter Selbstzufriedenheit! Zufriedene Menschen sind immer für Überraschungen gut. „Zufriedene Menschen haben etwas Unheimliches. Man weiß so gar nicht, was sie mit uns anfangen werden“, spottete einst Erich Kästner.

Zuletzt aktualisiert: 23. April 2017
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