500 Jahre Reinheitsgebot – eine kleine Geschichte des Biers und der Klosterbrauereien

Einen Streifzug durch die Geschichte des Bieres präsentieren wir anlässlich des 500. Jahrestags des Reinheitsgebotes. Dazu gehört auch ein Einblick in die klösterliche Braukunst samt Interview mit einer Ordensschwester mit Meisterprüfung im Brauhandwerk.
25. März 2016 | von

Das erste Bier wurde vermutlich vor rund 10.000 Jahren in Mesopotamien gebraut, wo die sesshaft gewordenen Nomaden sich von ihrem neuen Beruf als Landwirte mit Biertrinken entspannten, nachdem sie herausgefunden hatten, dass vergorenes Getreide nicht nur lecker schmeckt, sondern auch angenehm berauschend wirkt. Die ersten historischen Belege für Biergenuss stammen aus der Zeit ab 4000 v. Chr. Sie zeigen in Form von Piktogrammen auf zylindrischen Siegeln Festlichkeiten, die eine gewisse Ähnlichkeit mit den Selfies deutscher Urlauber auf Mallorca aufweisen. Denn die Biertrinker, die sich hier in feucht-fröhlicher Runde versammelt haben, trinken das Gebräu mit Hilfe von Trinkhalmen aus großen Gefäßen. Im alten Ägypten war Bier nicht nur Teil des täglichen Bedarfs, sondern auch Zahlungsmittel und Wirtschaftsfaktor.

Jeder Bauarbeiter, der bei der Erstellung der Pyramiden von Gizeh mitwirkte, erhielt pro Tag acht Liter Bier – Vorarbeiter bekamen eine noch größere Ration. Bier hatte gegenüber dem oft mit Keimen belasteten Wasser den Vorteil, das Infektionsrisiko zu senken und beinhaltete zudem essentielle Vitamine und Spurenelemente.  Medizin und Armeleutegetränk war das Bier bei den Griechen und Römern. Beide Völker waren dem Wein zugetan und schätzten das Gerstenbräu gering, es sei denn, man benötigte es, wie Hippokrates es vorschlägt, zur Linderung von Fieber, als isotonisches Getränk zur Stärkung in der Rekonvaleszenz und gegen Schlaflosigkeit.  

Germanische Vorstellungen

Er kann einem wirklich leidtun, jener wackere Bayer, der so mir nichts dir nichts in den Himmel gelangte und dort feststellen musste, dass es das, was ihm im irdischen Leben am meisten Freude bereitet hatte, dort nicht gab. Statt, wie er es gewohnt war, in aller Ruhe sein Seidla zu trinken oder die Maß zu erheben, musste er stundenlang frohlocken und sich von scheinbar äußerst fadem Manna ernähren.

Das Pech für den zünftigen Trinker war, dass er bedauerlicherweise ein paar Jahrhunderte zu spät auf Erden gewandelt und von dort aus in den zumindest für ihn falschen Himmel gelangt war. Bei den Germanen wäre es ihm weit besser ergangen, denn dort wäre Aloysius in Walhall und nicht im Hofbräuhaus hängen geblieben. Die Germanen verfügten sogar über einen eigenen Gott, der dafür sorgte, dass es ihnen nie an Bier fehlte. Thor, der gewaltige Donnerer und stolze Besitzer eines Hammers war es, der ein wachsames Auge dafür hatte, dass es den tapferen Recken nie an Nachschub fehlte. Das Donnern focht die Germanen im Himmel und auf Erden deshalb nicht an, weil sie sehr wohl wussten, dass es nur erklang, wenn der Gott den gewaltigen Sudkessel reinigte, und das muss schließlich, wie jeder Brauer weiß, regelmäßig getan werden, wenn das Bier nicht bei der Reinheitsprüfung durchfallen soll.  

Vom Zankapfel zum Fastengetränk 

„Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer“, hatte Jesus seinen Jüngern einst gesagt und sich ihnen in Brot und Wein zur Speise und zum Trank gegeben. Deshalb, und weil das Verhältnis von Germanen, Göttern und Bier so untrennbar eng war, dauerte es eine Weile, bis die Christen und das Bier zu einem guten Team wurden. Noch der  irische Wandermönch Columban sah sich 611 genötigt, ein von einer Gruppe gemütlicher schwäbischer Trinker zu Ehren Odins gebrautes Fass mit der Kraft seines Atems zum Platzen zu bringen. Doch schon zwei Jahrhunderte später hatte sich die Situation grundlegend verändert.

Die Mönche waren nämlich dahintergekommen, dass man mit Flüssigkeit nicht das Fasten bricht, sprich in der Fastenzeit Bier trinken darf. Der St. Galler Klosterplan sieht deshalb drei Brauhäuser, dazu Kühl- und Gärhäuser und eine Böttcherei vor, in der die Fässer hergestellt wurden. Da dieser Plan zusammen mit dem Capitulare de Villis et Curtis Imperii Karls des Großen, das das Bierbrauen ebenfalls fest eingeplant hatte, die Grundlage für die kulturelle Entwicklung des Reiches bildete, verfügte bald jedes Kloster über eine eigene Brauerei. Und noch eine Innovation verzeichnete das neunte Jahrhundert in Sachen Bier. Statt der bis dahin üblichen Zutaten wie Rosmarin, Lorbeer, Johanniskraut, Baumrinde, Anis oder Bilsenkraut wurde dem Gerstensaft nun Hopfen zugesetzt, den man bis dahin eher als Gemüse angesehen und ähnlich wie Spargel zubereitet gegessen hatte. Die ausschließlich weiblichen Dolden, die hier zum Einsatz kommen, geben dem Bier nicht nur seine charakteristisch herbe Note, die durch die im Hopfen enthaltenen ätherischen Öle und Gerbstoffe entsteht, sie sorgen auch für eine feste Schaumkrone, die sowohl Aromastoffe als auch Kohlensäure am Entweichen hindert, und machen das Bier haltbarer.  

Die Erfindung des Reinheitsgebotes

Sobald das Bier nicht nur von der Familie verbraucht, sondern in einer Wirtschaft ausgeschenkt wurde, benötigten die Brauer hierfür ein Braurecht, das von den Landesherren verliehen wurde, die dann auch dafür zuständig waren, dafür zu sorgen, dass die vor dem Reinheitsgebot gebräuchlichen Vorschriften eingehalten und so die Qualitätsstandards gewahrt blieben. Als erste Vorläuferin des Reinheitsgebots gilt eine Bierverordnung, die Bestandteil der Stadtrechte war, die Friedrich Barbarossa unter dem Titel Iustitia Civitatis Augustensi im Jahr 1156 der Stadt Augsburg verlieh. 

Das Reinheitsgebot, dessen 500-jährige Geltung in diesem Jahr gefeiert wird, wurde von Herzog Wilhelm IV. am 23. April 1516, unterstützt von seinem Bruder Ludwig X., erlassen. Es besagt, dass fortan ausschließlich reines Wasser, Gerste und Hopfen beim Brauen verwendet werden dürften. Hefe als Zusatz kannte man damals noch nicht, weil deren Wirken allein den frei in der Luft fliegenden Hefen geschuldet war. Für die Prüfung der Qualität des Biers durch die jeweiligen Stadtoberen gab es im Mittelalter und der frühen Neuzeit ein ganz besonderes Verfahren, das eine Menge Sitzfleisch erforderte. Sie erschienen nämlich, mit Lederhosen bekleidet, in der Braustätte und nahmen auf Bänken Platz, die zuvor sorgfältig mit Bier übergossen worden waren. Dort blieben sie zwei Stunden lang sitzen. Wenn sie sich wieder erhoben, musste die Bank an ihres Rückens Ende festkleben, damit die gute Qualität des Biers als bestätigt angesehen werden konnte. Wer sich näher mit dem Reinheitsgebot, dem Bier und seiner Geschichte beschäftigen möchte, kann dies in der Bayerischen Landesausstellung 2016 im Kloster Aldersbach im Passauer Land tun, wo schon im 13. Jahrhundert Bier gebraut wurde. Dort werden auf etwa 1.400 Quadratmetern Ausstellungsfläche Ausstellungsstücke rund um das Bier präsentiert und über Klosterbrauereien, Brauhäuser, Biermonopole, Bierkrawalle oder die Pioniere des Brauwesens informiert. Die Ausstellung ist vom 29. April bis 30 Oktober täglich von 9.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.

Ein edler Wettstreit – die Erfolgsgeschichte der Klosterbrauereien

Braurechte zu erhalten galt als Auszeichnung, auf die ein Bürgerbräu ebenso stolz war wie ein Klosterbräu. Deshalb nimmt es nicht Wunder, dass unter den Klöstern bald ein Streit darüber ausbrach, wer sich mit Recht „älteste Brauerei der Welt“ nennen dürfe. Zunächst beanspruchte das Kloster Weihenstephan den Siegespreis und berief sich dabei auf ein Schriftstück von 1040. Da dies sich jedoch als eine Fälschung aus dem 17. Jahrhundert herausstellte, trägt nun das Kloster Weltenburg mit seiner Brauerei von 1050 die Palme. Zu Unrecht, denn die Brauereien der Pharaonen sind früher da gewesen. Sollte dieser Gedanke bei den Brüdern Schwermut evozieren, sei ihnen als Arznei mit Hildegard von Bingen ein Becher Bier empfohlen.

Tatsächlich muss die erste Klosterbrauerei noch vor dem St. Galler Klosterplan ein fester Bestandteil klösterlichen Lebens gewesen sein, denn sonst wäre es den Nachfolgern des heiligen Gallus nicht in den Sinn gekommen, derart detaillierte Pläne der Brauvorgänge zu zeichnen. Fest steht, dass vom 9. Jahrhundert an die Mehrzahl der Klöster über eine Brauerei verfügte und viele von ihnen ihr Erzeugnis auch außerhalb des Klosters verkauften. Die Mallersdorfer Mönche beispielsweise erhielten 1623 das Recht „Bier unter dem Raiff [das bedeutet fassweise] zu verkaufen“. Und als das Kloster von den Mallersdorfer Schwestern wiederbesiedelt wurde, knüpften sie selbstverständlich an diese gute Tradition an und errichteten 1881 wieder eine Brauerei, mit der Superior Hundhammer und Generaloberin M. Hieronyma Eder ein doppeltes Ziel verfolgten: „den Klosterbewohnern ein reines nahrhaftes Getränk zu verschaffen und obendrein noch um die Wohlfahrt und Gemütlichkeit einer ehr- und lobesamen Bürgerschaft von Mallersdorf und Umgebung sich verdient zu machen.“

Auch heute noch steht, was in der Landschaft der Klosterbrauereien keineswegs mehr selbstverständlich ist, eine klösterliche Braumeisterin dem Betrieb vor, der 18 Prozent der hergestellten 2.000 Hektoliter Bier und 700 Hektoliter Limonade für den Eigenbedarf benötigt und den Rest verkauft. 

Der Sendbote des heiligen Antonius hat Sr. Doris ein paar Fragen zu ihrem Beruf, der Rolle der Klosterbraue- reien und neuen Biertrends gestellt:

Wie sind Sie mit der Braukunst in Kontakt gekommen?

Zur Braukunst bin ich über meine Realschuldirektorin gekommen. Meine Vorgängerin Sr. Lisana (Braumeisterin in Mallersdorf seit 1933) suchte eine Nachfolgerin. Ich wollte nach meinem Schulabschluss Landwirtschaft lernen und hatte auch vor, meinen Weg im Kloster zu suchen. Da ich aus Mittelfranken stamme, war bei uns zuhause Bier kein Getränk. Mein Vater trank selbsterzeugten Apfelmost.

Wie sah Ihre Ausbildung aus?

Ich habe von 1966-68 in der Klosterbrauerei Mallersdorf bei Sr. Lisana meine Brauerlehre gemacht. In der Brauerschule in Ulm habe ich dann den letzten Kurs für die Brauerlehrlinge besucht, da ich auf Grund meiner Schulausbildung nicht mehr berufsschulspflichtig war. Dort habe ich 1968 meine Gesellenprüfung abgelegt. Während der Gesellenzeit habe ich in einer mittelständischen und in einer Großbrauerei im Saarland Praktika gemacht. 1974/75 belegte ich den Kurs zur Meisterprüfung und habe im August 1975 in Ulm vor der Handwerkskammer die Meisterprüfung gemacht. Im November desselben Jahres übernahm ich dann die Leitung der kleinen Klosterbrauerei. 

Was unterscheidet Klosterbrauereien und andere Bierproduzenten?

Die Klosterbrauereien unterscheiden sich nach meiner Meinung nicht viel von anderen Bierproduzenten, was den Bierherstellungsprozess betrifft. Jede Brauerei in Bayern muss ein Bier, welches sie in Deutschland verkaufen will, nach dem Reinheitsgebot von 1516 produzieren. Ein Unterschied ist sicher zwischen kleinen und mittleren Brauereien auf der einen und Großbrauereien auf der anderen Seite. Der Unterschied besteht darin, wie lange ein Bier haltbar sein muss, wo es gelagert wird und ob es quer durch Deutschland gefahren wird. Muss Bier als Lebensmittel wirklich ein Jahr lang haltbar sein? Denn dann wird Bier steril filtriert, pasteurisiert oder kurzzeiterhitzt.

Wir haben, so denke ich, wenig Verständnis für frische Nahrungsmittel. Wer weiß heute noch, dass eigentlich Milch oder Butter normalerweise nicht Wochen haltbar sind?  Der Prozess des Haltbarmachens verändert den Biergeschmack und damit haben wir einen Einheitsgeschmack. Muss ich, wenn ich zum Beispiel in Italien oder im Ausland bin, deutsches Bier trinken? Momentan geht der Trend zu den kleinen Brauereien, die gute Zuwachsraten haben. Aber diese Trends sind dem Wandel unterworfen. Es darf für mich nicht sein, dass unsere Gerstenerzeuger und Hopfenbauern und auch wir Kleinbrauer sich dem Diktat der Wirtschaft unterwerfen müssen, ums Überleben kämpfen, weil die Bierindustrie meint, mit niedrigen Bierpreisen den Markt bereinigen zu müssen. Ich glaube auch, dass man selbst beim Bierbrauen ehrlich bleiben muss.

Wie hat sich in den letzten 30 Jahren das Verhältnis zum Bier verändert?

Es wird weniger Bier getrunken und es wird mehr Bier zuhause getrunken. Der Biergenuss in der Gastronomie ist rückläufig, sicher auch durch das Rauchverbot, und bedauerlicherweise wird häufig Bier mit Arbeit und „Saufen“ verbunden. Der Weingenuss ist hoffähig. Wobei man bedenken muss, dass Bier unter den alkoholischen Getränken das alkoholärmste Getränk ist.

Welche Bedeutung hat das bayerische Reinheitsgebot für Sie?

Für mich ist das Reinheitsgebot ein Verbraucherschutzgesetz, welches 1516 den Kaufpreis und die Mindestanforderung an Qualität für Bier regelte. Das Reinheitsgebot steht für mich für Qualität, Tradition und Ehrlichkeit. 

Welche neuen Trends gibt es auf dem Biersektor?

Der neue Trend der Craft Beer Szene. Es lässt sich auch nach dem Reinheitsgebot die Herstellung von Bier variieren – allein auf Grund von neuen Hopfensorten, Brauwasser und Hefestämmen. Ein Gutes hat dies: Es wird wieder über Bier gesprochen. Ich kann mir vorstellen, dass diese Biere als Aperitif zu verschiedenen Biermenüs getrunken werden – an Stelle von Sekt oder irgendwelchen Mischgetränken.
Zuletzt aktualisiert: 17. Oktober 2016
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