Auf dem Weg in die Türkei und den Libanon

10. November 2025 | von

Der Papst reist im November in die Türkei und den Libanon. Anlass: 1.700 Jahre Konzil von Nizäa.

Lange war spekuliert worden: Wohin wird Papst Leo XIV. reisen? Vor einigen Wochen wurde nun bekannt: Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche wird zunächst vom 27. bis 30. November auf Einladung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und der örtlichen Bischöfe die Türkei besuchen, anschließend den Libanon. Bei beiden Besuchen werden Franziskaner-Minoriten zwar nicht im Zentrum stehen, aber zwei von ihnen werden eine nicht ganz unwesentliche Rolle spielen: Gastgebender Bischof in der Türkei wird Erzbischof Martin Kmetec sein, und im Libanon wirkt Bischof Cesar Essayan als Apostolischer Vikar in Beirut. 

Grundlagen im Glauben
Historischer Anlass des Türkeibesuchs ist das 1.700-jährige Jubiläum des Konzils von Nizäa. Die Versammlung des Jahres 325 gilt als Schlüsselmoment in der Geschichte des christlichen Glaubens. Diesen historischen Moment dürfe man nicht verpassen, so Papst Leo XIV. bei der Ankündigung der Reise. 
Das Erste Konzil von Nizäa wurde im Jahr 325 von Kaiser Konstantin einberufen, um die Einheit der jungen Kirche zu sichern. Anlass war ein heftiger Streit über die Frage, wie das Verhältnis zwischen Gott Vater und Jesus Christus zu verstehen sei. Der alexandrinische Theologe Arius vertrat die Auffassung, Christus sei zwar einzigartig, aber von Gott geschaffen und daher nicht göttlich im selben Sinn wie der Vater. Viele andere Kirchenführer hielten dagegen, dass Christus wahrer Gott sei und mit dem Vater das gleiche Wesen teile. Auf dem Konzil setzten sich diese Stimmen durch, und die Lehre des Arius wurde als Irrlehre verworfen. In diesem Zusammenhang entstand das Nizänische Glaubensbekenntnis, das Christus eindeutig als „wesensgleich“ mit dem Vater bekennt. Damit legte das Konzil von Nizäa einen Grundstein für das christliche Glaubensverständnis, das die Kirche bis heute prägt.
Was dem Konzil nicht nachhaltig gelungen ist: die Festlegung des Ostertermins. Zwar hat das Konzil festgelegt, Ostern am Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsanfang zu feiern. Doch seit dem 16. Jahrhundert begehen die orthodox-östliche und westliche Christenheit aufgrund unterschiedlicher Kalenderberechnungen das Osterfest in der Regel nicht am gleichen Datum. Seit Jahrzehnten gibt es Pläne, das zu ändern, allerdings bislang ohne Erfolg. Dass im Jubiläumsjahr Ostern in den Ost- und Westkirchen zum gleichen Termin, am 20. April 2025, gefeiert wurde, war allerdings nur ein kalendarischer Zufall.

Freude und Hoffnung
Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholo­mäus I., hat die bevorstehende Reise von Papst Leo XIV. in die Türkei begrüßt. In einer Erklärung äußerte das Patriarchat seine „Freude über den bevorstehenden Besuch von Papst Leo XIV. von Rom in der Türkei“. Gemeinsam wollen die beiden Kirchenoberhäupter am 28. November in Iznik, wie Nizäa heute heißt, an den zentralen Feierlichkeiten zum 1.700-jährigen Jubiläum des Konzils von Nizäa teilnehmen.
Im Anschluss reist Papst Leo XIV. weiter in den Libanon, ein seit Jahren mit Instabilität konfrontiertes Land. Politische und wirtschaftliche Herausforderungen prägen den Alltag der Menschen. Bischof Cesar Essayan erklärte in einem Interview mit Vatican News: Wir hoffen, dass Papst Leo – in der Tradition seiner Vorgänger – Worte finden wird, die den Libanon wieder in den Blickpunkt der internationalen Bühne rücken und daran erinnern, dass nur der Frieden ein Weg ist, der den Menschen in seinem Wesen achtet.“

Interview mit Erzbischof Martin Kmetec

Lieber Erzbischof Martin: Du erwartest bald prominenten Besuch in der Türkei. Papst Leo XIV. wird bei dir zu Gast sein. Welche Stimmung erwartet ihn im Land?
Wir können sagen, dass wir alle wirklich voll Vorfreude und Optimismus sind. Der Besuch des Papstes zeigt deutlich, dass die katholische Kirche mit dem Stuhl des heiligen Petrus und den Nachfolgern der Apostel verbunden ist, also mit der sakramentalen Tradition. Wir fühlen das Bedürfnis, in unserem Glauben und unserer Hoffnung gestärkt zu werden.

Katholiken bilden eine kleine Minderheit in dem offiziell laizistischen Staat, in dem über 90 Prozent der Bevölkerung zum Islam gehören. Kannst du uns ein paar wesentliche Kennzeichen der römisch-katholischen Kirche in der Türkei beschreiben?
Die römisch-katholische Kirche in der Türkei ist eine winzige Minderheit. Wir wurden immer als ausländische Kirche angesehen, aber das stimmt nicht. Seit den Zeiten des Osmanischen Reiches haben sich die Mitglieder unserer Gemeinschaft über die Jahrhunderte hinweg in das gesellschaftliche Leben integriert, vor allem in Küstenstädten wie Istanbul, Izmir, Mersin, Trabzon, Samsun und Iskenderun.
Die Präsenz unserer Kirche wurde durch die Ankunft von Migranten aus Asien und Afrika noch verstärkt. Wir haben Kirchen, die es uns ermöglichen, an den Stätten präsent zu bleiben, an denen das Evangelium von Aposteln wie Johannes und Paulus verkündet wurde. Wir sind Erben des Reichtums der Kirchenväter wie Johannes Chrysostomos, Polykarp, Ignatius und Irenäus, dem Apostel Frankreichs.
Ordensgemeinschaften wie die Lazaristen, die Christlichen Brüder und andere haben die Lehre ins Osmanische Reich gebracht. Es ist erwähnenswert, dass die Töchter der Nächstenliebe den verwundeten Soldaten des Osmanischen Reiches gedient haben und dafür das Grundstück geschenkt bekamen, auf dem sie ein Krankenhaus in Istanbul gebaut haben. Sie hatten auch ein Krankenhaus in Izmir und kümmerten sich um die Ausbildung junger Leute.
Heute ist das alles nicht mehr möglich. Die einzige Möglichkeit, die uns bleibt, ist, uns um die Gemeinschaften zu kümmern, die aus Menschen unterschiedlicher Herkunft bestehen.

Papst Franziskus hat dich am 8. Dezember 2020 zum Erzbischof von Izmir ernannt. In welche Diözese hat er dich da geschickt?
Papst Franziskus hat mich in die Diözese Izmir-Smyrna geschickt. Wir sind eine kleine Gemeinde und bilden zusammen mit der orthodoxen Kirche eine kleine Herde, die einzige verbliebene der im Buch der Offenbarung erwähnten Kirchen. Auf dem Gebiet unserer Diözese liegen die archäologischen Stätten von Ephesus, Laodizea, Hierapolis, Ikonion, Pergamon und andere. Sie erinnern uns daran, wie wichtig unsere Wurzeln sind, die in der Verkündigung des Apostels Paulus und des Apostels Johannes sowie nach ihnen in den Kirchenvätern wie Polykarp, Ignatius und anderen liegen.

Du hast vorher schon länger in der Türkei gewirkt, unter anderem in Istanbul im Konvent der Franziskaner-Minoriten. Du kannst dich vermutlich bestens auf Türkisch verständigen und der Islam dürfte dir auch gut vertraut sein… 
Während meiner ersten Mission im Nahen Osten habe ich auch Arabisch gelernt. Nach meiner Ankunft in der Türkei habe ich Türkisch gelernt, was mir trotz der Schwierigkeiten große Freude bereitet hat. All dies war Teil einer Ausbildung, um auf das menschliche Herz zu hören, das sich durch seine eigene Kultur ausdrückt, damit auch in diesen Sprachen das Wort des Evangeliums und der Erlösung zu hören ist.

Vor einiger Zeit hast du in einem Interview mit Blick auf deine Kirche gesagt, „Wir sind stolz, dass wir noch da sind.“ – Wie siehst du die Zukunftsaussichten für Katholiken in der Türkei?
Ich glaube nicht, dass wir in der Türkei eine große und wichtige Rolle spielen werden. Für mich reicht es, wenn wir Christus, seinem Beispiel und den Lehren des Evangeliums treu bleiben. Es reicht, wenn wir eine lebendige Kirche bleiben, die in der Lage ist, Zeugnis abzulegen und die Gründe für die christliche Hoffnung zu erklären.

Als Erzbischof von Izmir wirst du beim Papst-Besuch eine große Rolle spielen: Das heutige Iznik ist als Nizäa zum wichtigen Ort der Kirchengeschichte geworden. Welche Feierlichkeiten sind anlässlich des 1.700-jährigen Konzilsjubiläums geplant?
Das Programm für den Besuch des Papstes ist noch nicht offiziell bekannt. Ich kann aber sagen, dass eine Gedenkfeier am Ort des Konzils geplant ist, bei der Papst Leo und Seine Heiligkeit Patriarch Bartholomäus dabei sein werden. Es sieht so aus, als würde es ein akademisches Treffen in der Kirche der hl. Irene geben. Der Papst soll auch bei den Feierlichkeiten zum Fest des hl. Andreas dabei sein. Der Papst wird Ordensleuten, Bischöfen und Priestern bei einem besonderen Treffen begegnen, und schließlich wird es eine Eucharistiefeier für die katholischen Gläubigen aus der ganzen Türkei geben.

Welche Botschaft kann das Konzil von damals für uns heute haben – gerade in Gesellschaften, wo die Frage nach (dem christlichen) Gott oft keine große Rolle mehr zu spielen scheint?
Das Konzil war ein Akt des Dialogs und der ehrlichen Erkenntnis, offen für den Heiligen Geist. Es zeigt uns, dass die Wahrheit niemandem allein gehört, sondern dass wir dazu aufgerufen sind, sie in Liebe und Respekt zu erkennen und zu verstehen, was es bedeutet, Mensch zu sein, geschaffen nach dem Bild Gottes. Die vom Konzil verkündete Wahrheit ist, dass der Sohn Gottes Mensch geworden ist, einer von uns geworden ist, um uns am Kreuz zu retten. Es ist unendlich wichtig, diese Wahrheit demütig anzunehmen und eine Beziehung zu Christus, unserem Erlöser, aufzubauen.

Gibt es in Iznik historische Stätten, die man im Blick auf die damalige Kirchenversammlung besuchen kann? Gibt es ein katholisches Gotteshaus, in dem auch heute noch Gottesdienst gefeiert werden kann?
In Nicäa kann man die Kirche besuchen, die später in eine Moschee umgewandelt wurde und in der das Zweite Konzil von Nicäa (787) stattfand. Von der Basilika, in der das Erste Konzil von Nicäa (325) abgehalten wurde, sind nur noch die Fundamente übrig, die heute unter dem Wasser des Sees liegen. Derzeit gibt es in Nicäa keinen Ort, an dem christliche Gottesdienste abgehalten werden können.

Wie muss man sich die Planung einer Papst-Reise vorstellen?
Für die Reise des Papstes wurde zusammen mit der orthodoxen Kirche eine gemeinsame Kommission gebildet. Der Heilige Stuhl hat eine Delegation geschickt, um den Besuch gemeinsam zu planen und sich auch mit den türkischen Behörden wegen Protokoll- und Sicherheitsfragen zu treffen.

Der Papstbesuch wird sicherlich ein Höhepunkt sein. Doch wie sieht der normale Alltag in der Seelsorge aus? Lässt sich das mit dem kirchlichen Leben in Slowenien, Deutschland oder Österreich vergleichen?
Das pastorale Leben in der Türkei ist irgendwie ähnlich wie das der Kirchen in Europa. Trotzdem gibt es die Herausforderung der Kleinheit und der Hoffnung: hoffen, obwohl wir nur wenige sind und keine großen Aussichten haben. Wir arbeiten nach der synodalen Methode und versuchen, jeden in der Gemeinde einzubeziehen, um gemeinsam voranzukommen und stark im Glauben zu sein. Wir legen großen Wert auf die Ausbildung der Laien, die die Zukunft unserer Kirche sind.
Und abschließend: Wenn der Papst von der Türkei in den Libanon weiterreist, wo du ja auch einige Jahre gelebt hast, was würdest du ihm als Wunsch oder Bitte mitgeben?
Die Kirche im Libanon braucht Unterstützung; andererseits kann sie ihre Kraft in einem neuen Zeugnis finden, frei von jeder Überheblichkeit, wenn sie bereit ist, sich von der falschen Sicherheit zu lösen, die im Wunsch nach Ehre und Schein liegt. Sie kann ihre Identität wiederfinden in der Treue zur Heiligkeit der Heiligen, wie dem hl. Charbel, der hl. Rafqa und anderen.

Vielen Dank, lieber Erzbischof Martin, für das Interview!

Zuletzt aktualisiert: 10. November 2025
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