25. Juni 2009

Aufbruch hin zu Antonius

 Neugierig und mit frischem Blick begibt sich mit dieser Ausgabe beginnend Bruder Andreas Murk auf die Spuren des heiligen Antonius. Zum Auftakt schnürt er quasi sein Reisegepäck, um sich gemeinsam mit Ihnen auf den Weg zu machen: unseren Antonius zu entdecken, und mit ihm gelingendes Leben.



 Nach dem viel zu frühen Tod von Pater Andreas-Pazifikus Alkofer musste für die Antonius-Rubrik im Sendboten ein neuer Autor gesucht werden. In den vergangenen zwei Jahren konnten Sie die anschauliche Schilderung des Antonius-

lebens aus der Feder Valentin Strappazzons, des ehemaligen Direktors der französischen Ausgabe des „Messaggero di sant’Antonio", lesen. Als sich das Ende dieser Lebensbeschreibung abzeichnete, musste wieder ein neuer Autor gewonnen werden. Da die Brüder, die fachlich in der Lage gewesen wären, diese Aufgabe zu übernehmen, aus zeitlichen Gründen oder wegen anderer Verpflichtungen absagten, fiel die Wahl auf einen jungen und unerfahrenen Bruder: mich. Nach einigem Zögern nahm ich diese Herausforderung schließlich an.



Als regelmäßige Leserinnen und Leser des Sendboten kommt Ihnen das vielleicht ein wenig bekannt vor. War es nicht auch der Mangel an Brüdern, die bei einer Priesterweihe predigen konnten oder wollten, der die Wahl schließlich auf Antonius fallen ließ?



Freilich besteht ein erheblicher Unterschied: Bei Antonius gingen lange Studien der Heiligen Schrift voraus, und er brillierte mit einem natürlichen Sprachtalent. Ich hingegen besitze allenfalls eine gehörige Portion Neugier, um mich auf „il Santo", „den Heiligen", wie ihn die Italiener einfach und achtungsvoll nennen, einzulassen. Doch ich freue mich, wenn Sie sich gemeinsam mit mir auf eine „Entdeckungsreise" zu und mit Antonius von Padua machen.



Am Beginn dieser Reise stehen für mich einige Erinnerungen. Die erste datiert in das Jahr 1995, das große Jubiläumsjahr zum 700. Geburtstag des Heiligen. Ich erinnere mich, wenn auch dunkel – damals war ich elf Jahre alt –, an die mich sehr beeindruckende goldene Antoniusbüste, die damals auch Station im Kloster Schwarzenberg machte, nah meinem Heimatort. Das war dann aber auch schon alles an Erinnerung zu diesem Ereignis.



Erste Berührungspunkte



Dass Antonius angerufen wird, wenn man etwas verloren hat, habe ich als Kind auch mitbekommen, wahrscheinlich vermittelt von meiner Uroma. Und tatsächlich war ich einmal in großer Not wegen einer verlorenen Zahnspange. Sie muss irgendwo im Hof beim Aussteigen aus dem Auto in der Dunkelheit auf den Boden gefallen sein. Mit Taschenlampen suchten wir alle in Frage kommenden Stellen ab – von der Zahnspange keine Spur. Statt den heiligen Antonius zu bestürmen, wandte ich mich damals lieber gleich an den „lieben Gott". Und siehe da, am nächsten Morgen lag meine Zahnspange, wenn auch in zwei Teile zerbrochen, mitten in unserem Hof. Für mich war ganz klar: Ein Wunder, wenn auch, zumindest aus meiner heutigen Sicht, ein sehr materialistisches. Nur verantwortlich war eben nicht der eigentlich zuständige Patron, sondern Gott persönlich.



Eine dritte und letzte Erinnerung reicht in mein Noviziat im

Kloster Maria Eck zurück. Dort gab es unter den Brüdern einen innigen Verehrer des heiligen Antonius. Der erklärte mir des

Öfteren, Franziskus sei doch eigentlich viel zu fromm gewesen, weshalb er es lieber mit dem heiligen Antonius halte. Der sei schließlich mit beiden Beinen im Leben gestanden…



Ich könnte ein wenig weiter in meinen Erinnerungen graben und vielleicht noch einiges zu Tage befördern, doch die Frage, wie ich es nun mit dem beziehungsweise den Heiligen überhaupt halte, wäre noch nicht geklärt; ebenso wenig die Frage, welche Relevanz nun konkret der heilige Antonius für mich persönlich hat. Doch diese Frage müsste schon beantwortet werden, bevor ich mich mit Ihnen auf eine, mitunter auch mühsame, Entdeckungsreise mache.



Bevor ich zu dieser Frage komme, noch eine andere: Wie hält es überhaupt die Kirche mit den Heiligen? Heiligkeit ist da zunächst eine Eigenschaft Gottes. Beim Propheten Jesaja (Jes 6,3) singen die Serafim, und wir wiederholen diese Worte im Sanctus während der Messe: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt." Und besonders Franziskus hebt die Heiligkeit Gottes immer wieder hervor, so zum Beispiel in seinem Lobpreis Gottes vom Berg La Verna: „Du bist der heilige Herr, der alleinige Gott … Du bist allmächtig, du heiliger Vater…"



Der Heiligen Schar



Da die Heiligkeit eine Eigenschaft Gottes ist, ist sie auch etwas, was den Menschen zukommt, die Gott besonders nahe stehen. In den Anfängen der Kirche war die Verehrung dieser Menschen räumlich und zeitlich begrenzt: Man gedachte beispielsweise der Märtyrer an ihrem Geburtstag zum ewigen Leben direkt an ihrem Grab. Erst später begann man, den Raum der Erinnerung durch das Verteilen von Reliquien oder Heiligenbildern auszuweiten und auch Bekenner, Bischöfe, Asketen oder Jungfrauen in die Schar der Heiligen aufzunehmen.



Schon im 3. Jahrhundert lässt sich dann die Vorstellung nachweisen, dass die Heiligen als Fürsprecher bei Gott tätig sind. Der Begriff „Patron" schließlich taucht erstmals bei Ambrosius von Mailand auf und bezeichnet das umfassende Wirken der Heiligen zugunsten von Schützlingen und Verehrern. Schnell könnte man dann auf die Idee kommen – und Heiligenverehrung steht immer auch in Gefahr, auf diesen Irrweg zu geraten –, sich das Heil von den Heiligen selbst zu erwarten. Das Konzil von Trient (1545-1563) war sich dieser Gefahr bewusst und brachte klar ins Wort, was unter Heiligenverehrung zu verstehen ist. Es empfiehlt den Gläubigen, die Heiligen „flehentlich anzurufen und zu ihren Gebeten (die sie vor Gott darbringen), ihrem Beistand und ihrer Hilfe Zuflucht zu nehmen, um von Gott durch seinen Sohn Jesus Christus, unseren Herrn, der allein Erlöser und Erretter ist, Wohltaten zu erwirken". Das Heil kommt also allein von Gott, vermittelt durch seinen Sohn Jesus Christus. Echte Heiligenverehrung zielt demnach auf Gott selbst. Von daher formuliert das II. Vatikanische Konzil: „Jedes echte Zeugnis unserer Liebe zu den Heiligen zielt (…) seiner Natur nach letztlich auf Christus, der ‚die Krone aller Heiligen‘ ist, und durch ihn auf Gott, der wunderbar in seinen Heiligen ist und in ihnen verherrlicht wird" (Lumen Gentium 50).



Teil der Gemeinschaft



Die Rolle der Heiligen ist es also, für uns einzustehen. Um dies zu begreifen, ist es nötig, die Kirche insgesamt als Communio Sanctorum zu verstehen, als Gemeinschaft der Heiligen, die Raum und Zeit übergreift. Neben uns, den auf Erden lebenden Gliedern der pilgernden Kirche, gehören dazu eben auch die Heiligen, die diesen irdischen Weg zu Ende gegangen sind und nun in der Herrlichkeit des Himmels in der Gemeinschaft mit Gott leben. Als Glieder dieser umfassenden Gemeinschaft stehen sie bei Gott für uns ein – ganz ähnlich wie auch wir als Teil der Gemeinschaft füreinander einstehen sollen. Dabei können wiederum die Heiligen uns Vorbild sein. Der Katholische Erwachsenenkatechismus bezeichnet sie denn auch als „Maßstab und Vorbild des christlichen Lebens".



Ich habe Ihnen beziehungsweise uns schwere Kost zugemutet für den Anfang. Doch zu Beginn einer jeden Reise muss man sich genau überlegen, was man ins Gepäck aufnimmt und was nicht – so vermeidet man unterwegs die eine oder andere Panne. Beim nächsten Mal wird noch zu klären sein, wie ich es denn nun persönlich mit den Heiligen halte, damit Sie als Leser wissen, mit welcher Brille ich den heiligen Antonius betrachte. Und dann ist es auch höchste Zeit für die ersten Schritte…



 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016