Per Bahn oder auf Knien zur Madonna del Sasso

28. März 2022 | von

Der zweite Beitrag in unserer Serie über Wallfahrtsorte in Deutschland, Österreich und der Schweiz führt uns in den Kanton Tessin. Auf 370 Metern Höhe besuchen wir die Wallfahrtskirche „Madonna del Sasso“.

Von der Bahnstation Locarno ist es nicht mehr weit: Einmal die Straße überqueren, in die Standseilbahn („Funicolare“) einsteigen, und man wird für knapp 5 Schweizer Franken gut 800 Meter in den Ortsteil Orselina gefahren. Etwa 350.000 Passagiere entscheiden sich jedes Jahr für diese Fahrt und erreichen so die Wallfahrtskirche „Madonna del Sasso“.

Klassisch wird das Heiligtum freilich auf andere Art und Weise erreicht. Bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts reichen die Belege für die „trotta“ zurück: Auf bloßen Knien machten sich die Bußwilligen vom Seeufer auf den Weg hinauf zum Marienaltar der Wallfahrtskirche. Kniend ankommende Pilgerinnen und Pilger sieht man heutzutage allerdings nur noch selten. Etliche ersteigen den Berg aber nach wie vor betend und meditierend über den Kreuzweg und erreichen so das Gotteshaus mit dem überwältigenden Panoramablick über den Lago Maggiore.

Von der Vision zur Wallfahrt

Die Wallfahrtsgeschichte reicht zurück ins Ende des 15. Jahrhunderts und beginnt mit einem Franziskaner namens Bartolomeo Piatti. Der siedelt sich am Fuß des Felsens an und führt ein asketisches Einsiedlerleben. Die Verehrung der Jungfrau Maria ist ihm ein großes Anliegen. Einer Legende zufolge soll er um 1480 eine Marienvision gehabt haben. Ein Jahr später beginnt er mit dem Bau einer Kapelle, die sich rasch zum Wallfahrtsort entwickelt.

Ende des 16. Jahrhunderts wird weiter oben auf dem Felsen eine zweite Kirche errichtet, die schließlich 1616 eingeweiht wird. Ein Turm, kleine Kapellchen, Zimmer für Gäste – nach und nach wird die Wallfahrtsstätte ausgebaut. Sie wird zum beliebten Ziel zahlloser Gläubiger, die der Gottesmutter hier ihre Anliegen anvertrauen und auf ein Wunder hoffen – oder aus Dankbarkeit zurückkommen, um ihre Votivgaben zu spenden.

Im Jahr 1848 werden dann allerdings die Franziskaner enteignet. Der Kanton Tessin übernimmt Kloster und Kirche, während dem Kapuzinerorden die Seelsorge auf dem heiligen Berg übertragen wird.

Nach der Madonna ins Museum

Bis heute sind die Kapuzinerbrüder für das Wallfahrtsgeschehen an der mittlerweile in den Rang einer „Basilica minor“ erhobenen Kirche verantwortlich. Die wertvolle Holzskulptur aus dem 5. Jahrhundert, eben die Madonna del Sasso, hüten sie wie einen Schatz. Kunsthistorisch bedeutsam sind aber auch die Altartafeln „Flucht nach Ägypten“ von Bramantino (1465-1530), einem italienischen Architekten und Maler, und „Grabtragung Christi“, gemalt von Antonio Ciseri (1821-1891), einem schweizerisch-italienischen Maler. Die reichen Stuckarbeiten und prächtigen Fresken kommen seit der letzten Kirchenrenovierung vor einigen Jahren wieder viel besser zur Geltung.

Wer den heiligen Berg erklimmt, kann seit Herbst 2016 sein Besuchsprogramm um einen Gang durch das „Museo Madonna del Sasso“ erweitern. Dieses befindet sich im ältesten Teil des Klosters. Acht Ausstellungsräume erzählen die Geschichte der Wallfahrt und geben einen Einblick in das Leben der Kapuzinerbrüder. Eindrucksvoll ist auch die Sammlung der Votivgaben, die vor allem aus dem 19. und 20. Jahrhundert stammen – und davon Zeugnis ablegen, wie sehr der Wallfahrtsort in der Bevölkerung verankert war und ist.

Zuletzt aktualisiert: 28. März 2022
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