Barocke Schmuckstücke Antonius zu Ehren

01. Januar 1900 | von

Mehr als 100 Antoniusgedenkstätten (Einzelstatuen, Bilder oder Bildstöcke nicht einbezogen) weist die von Dr. Reinhold Rinnerthaler verfaßte Broschüre St. Antonius von Padua - Wundersames über den Heiligen (im Verlag der Benediktinererzabtei St. Peter in Salzburg) für ganz Österreich auf. Fast ein Drittel davon befinden sich in Tirol. Die Antonius gewidmete erste Nummer der Reihe Heilige und Selige - Verehrung, Brauchtum und Kunst in Österreich wurde bereits ein Bestseller. Er zählt alle bedeutenden, dem hl. Antonius geweihten Kirchen und Kapellen sämtlicher Bundesländer auf und ist so ein nützlicher Ratgeber zu den Stätten der Antoniusverehrung in Österreich. Ein rundes Duzend dieser Gedenkstätten wurde bisher auch in unserer Zeitschrift, jeweils in der Juniausgabe, vorgestellt. In diesem Jahr präsentieren wir Ihnen drei aus dem Land Tirol.

Wildschönauer-Antoniuskapelle. Wild und schön, sanft und friedlich, im Gleichklang mit der Natur so heißt es in einem Tourismusprospekt, liegt die Wildschönau, südlich der sich kleinen Stadt Wörgl in den Kitzbühler Alpen. In dem 24 km langen, relativ unberührten Tiroler Hochtal mit einem milden und sonnigen Klima leben rund 3.800 Menschen. Vier Pfarren gibt es in der Wildschönau: Auffach, Thierbach, Unterau und Oberau. Im Hauptort Oberau ist die Pfarrkirche, aus aribonischem Schenkungsgut, der hl. Margaretha geweiht, die zur Zeit der Kreuzzüge besonders vereht wurde und auch als Rodungsheilige gilt. Unfern der im 18.  Jahrhundert nach einem Brand neuerrichteten Barockkirche, der auch Wildschönauer-Dom genannt wird, steht am westlichen Ortsrand von Oberau eine Kapelle zu Ehren des hl. Antonius. Sie wurde zwischen 1706 und 1708 anstelle eines Vorgängerbaus durch den Maurermeister Hans Hueber erbaut, der Oberauer Kellerwirt Balthasar Dengg hatte den Grund gestiftet und auch Geld bereit gestellt.

Barocker Zentralbau. Die Kapelle präsentiert sich dem Besucher als achteckiger Zentralbau mit ansehnlicher Barockausstattung. Der Chronik ist zu entnehmen, daß der Dekan Fröhlich von Zell am See, wohin Oberau seelsorglich damals gehörte, am 2. Oktober 1708 in der neuerrichteten Kapelle die erste Messe las, was ihm einen scharfen Verweis eintrug, weil er zuvor nicht die Erlaubnis des fürsterzbischöflichen Konsistoriums eingeholt hatte. Johann Anton Emmer, damals Dekan in der Wildschönau, begründete das Abtragen der alten Kapelle mit ihrer Baufälligkeit, andererseits mit der Notwendigkeit, wegen des Zulaufs der Fremden eine größere Kapelle zu bauen. Der Vikar meinte auch, daß durch das Anwachsen der Pilger die Schulden für den Bau rascher abgetragen würden und rechtfertigte so die enormen Ausgaben für den Neubau. Mit Stolz vermerkte der Vikar jedoch auch, daß man einen ähnlichen Bau im ganzen Unterinntal nicht finden könne.

Originell und tänzelnd -grazil. Der helle barocke Bau wird von einer Kuppel bekrönt. Der beim Bau verwendete Tuffstein kam aus Ellmau, vom Fuße des Wilden Kaisers. Schmuckstück der Kapelle ist der originelle Hochaltar, der - wie im Kirchenführer zu lesen ist - im Gegensatz zur ungebändigten, lastenden Schwere von Architektur und Stuck über die Sprache einer tänzelnd-grazilen Eleganz verfügt: Auf dem Tabernakel steht in einem holzgeschnitzten Rahmen ein Bild der Gottesmutter. Darüber befindet sich das ordentliche Altarbild mit Antonius und Gotteskind. Das Hauptbild ist von barocken Ranken umgeben und wird von Putten getragen. Auf zwei seitlich angebrachten Holz-Prospekttüren sind Wundertaten des Heiligen dargestellt. In der Aufschrift ist zu lesen: Wer Wunder sucht und Zeichen Will, Bey Sanct Antoni find Man Vill.

Interessant ist ein Antipendium, auf dem Beterinnen und Beter in alter Tracht dargestellt sind. Die Fresken im Halbbogen der Kuppel zeigen bekannte Begebenheiten aus dem Leben des hl. Antonius.
Zwischen Ostern und Allerheiligen wird wöchentlich einmal der Gottsdienst in der Antoniuskapelle gefeiert, informiert Pfarrer Josef Aichriedler, unter dem der Bau generalsaniert wurde. Die Kapelle eignet sich nicht nur für Wallfahrergruppen, sondern auch für Jugendmessen, Jahrgangs- und Familientreffen. Die künstlerisch sehenswerte Kapelle ist seelsorglich voll der Pfarre Oberau eingebunden. Auf eine Verbindung zwischen Oberau und dem Markt St. Johann in Tirol muß hingewiesen werden. Die Antoniuskapelle in Oberau ist ihrem Grundriß und Bau nach sehr stark von der 30 Jahre zuvor erbauten Antoniuskapelle in St. Johann in Tirol beeinflußt. Der südöstlich der Pfarrkirche sehehende barocke Zentralbau mit dem Altar von 1764 und dem sehr schönen Gemälde in der Kuppel war Vorbild für den Oberauer Bau. Heute ist die St. Antoniuskapelle in St. Johann in Tirol Friedhofskirche, seit 1955 Kriegergedenkstätte.

Rietzer Rokoko. 30 km westlich von Innsbruck, zwischen Tirols Landeshauptstadt und dem Zisterzienserstift Stams liegt ein kleiner Ort namens Rietz. Die Ortslandschaft im mittleren Oberinntal besitzt drei Kirchen: die Pfarrkirche zum hl. Valentin, die Kreuzkirche und die am höchsten Punkt des Dorfes stehende Wallfahrtskirche zum hl. Antonius. Wer als Vorbeifahrender auf der Straße im Inntal die weithin sichtbare eigenwillige Fassade der Antoniuskirche mit der dem Tal zugewandten Turmuhr sieht, sollte sich alsbald dazu entschließen, die Hauptstraße zu verlassen und sich auf den Weg zur waldreichen Kuppe des Ortes aufmachen. Er wird angenehm überrascht sein über das Innere der Kirche. Eine für die Gegend ungewöhnliche Ausstattung zu Ehren des Paduaner Heiligen lädt nicht nur zu dessen Verehrung, sondern zu Gebet, Stille und Andacht ein.

Farbenfrohe Überraschung. Die erste Kapelle in der damaligen Einöde baute ein Rietzener Einwohner namens Hans Peter Grasmayr im Jahr 1676. In einer Handschrift ist zu lesen, daß er auf eigene Kosten ein Kirchl mit einem Altar zu Ehren des hl. Antoni von Padua, und zwar 25 Werchschuech lang und 18 Schuech in der Breit errichtet hat. Von diesem Kirchlein steht heute nichts mehr. 1773 wurde ein Neubau errichtet, der infolge des Zustroms von Pilgern notwendig war. Die Ausstattung erfolgte im zeitgemäßen Rokokostil. Mehrere Male mußte die Kirche renoviert werden. Einer Renovierungsphase fiel 1880 der Hochaltar zum Opfer. Heute steht im Mittelpunkt des Hochaltares eine Statue der Mutter Gottes. St. Antonius mußte auf den Seitenaltar ausweichen. Seine erst Ende des 18. Jahrhunderts geschaffene Statue steht gegenüber dem Altar des hl. Franziskus. Am meisten überrascht die Wallfahrer in der Kirche von Rietz das farbenfrohe Deckengemälde. Es stellt die Krönung Mariens dar. In Verehrung vor ihr knien Franziskus, Antonius und Bernhard. Ein Meisterwerk von Johann Michael Strickner, der auch über der Chorempore Antonius als Schutzpatron von Rietz verewigte.

Eigenleistung. In urwüchsigem Tirolerisch erzählt Pater Clemens Neurauter, den wir beim Besuch in Rietz als Hilfsarbeiter bei der Errichtung einer Umfassungsmauer antrafen, von seinen drei Kirchen, die er zu betreuen hat. Unter ihm wurden alle drei, darunter auch die Antoniuskirche, renoviert. Daß dabei Bund, Land und Gemeinde mitwirkten, sieht er als ebenso selbstverständlich an wie die Mitarbeit der Bevölkerung, die in Handarbeit, so etwa beim Untermauern des Bodens und der Decken, rund ein Drittel der Leistungen aufbrachte. Ganze 51.000 Schindeln hat ein Rietzener mit seiner Frau hergestellt. Eine Arbeit, die heute kaum noch einer kann.

Hochzeitskirche. Daß die Rietzer Antoniuskirche eine gern aufgesuchte Wallfahrtskirche ist, geht schon aus der Tatsache hervor, daß sich jährlich 45-50 Paare - so der Durchschnitt des letzten Jahrhunderts - das Jawort gegeben haben. Zahlreiche Gruppen von Kufstein bis Nauders, aber auch aus dem südbayrischen Raum pilgern immer wieder nach Rietz. Sollten Sie, liebe Leser, einmal die Autobahn zwischen Innsbruck und Landeck befahren, zweigen Sie bei Telfs ab und besuchen Sie die Antoniuskirche von Rietz. Und lesen Sie dort betend:

O Heiliger Antonius
Beschütz unsre Gmein
Gott Segne mit dem Gnaden Fluhs
Uns Alle Groß und Klein.

 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016