Begleitung in bewegten Zeiten

26. Juli 2005 | von

Energie und Tatkraft strahlt er aus, Rüdiger Kiefer - und beides wird er auch brauchen: Der Pallottiner ist seit März 2005 der neue Generalsekretär der VDO (Vereinigung der Ordensoberen), ein Amt, das einiges von ihm verlangt. Im Gespräch mit Michaela Limbach erzählt er von den Herausforderungen und Aufgaben, die in Bonn auf ihn warten.

 Der Zusammenschluss von VDO, VOB und VOD (die Vereinigungen der Oberen der Männer-, Brüder- und Schwesterorden), der die Kräfte der Ordensgemeinschaften bündeln soll, verlangte geradezu auch nach der Einrichtung eines gemeinsamen Generalsekretariats. Dieses vertritt die Interessen der Ordensoberen von circa 100 Männer- und gut 300 Frauenorden in Deutschland. Auf die Frage, warum gerade Bonn als Standort gewählt wurde, verweist Pater Kiefer auf eine wesentliche Aufgabenstellung des VDO: die Pflege der Kontakte zur Deutschen Bischofskonferenz, dessen Sekretariat ebenfalls in Bonn angesiedelt ist. Die Wege zwischen diesen beiden Stellen sind also kurz, und das kann nur hilfreich sein, denn „Lobbyarbeit“, also die Interessenvertretung der Orden innerhalb der Kirche, sind ein Hauptaufgabengebiet des neu gegründeten Generalsekretariates.

Gesellschaftliches Geschick gefragt. Doch die innerkirchliche Arbeit ist nur eine Seite der Aufgabenstellung, auch auf gesellschaftlichem und politischem Parkett muss Pater Kiefer sein Geschick beweisen. Sozialversicherungsträger, Banken, politische Gruppen, sie alle sind Gespräch- und Verhandlungspartner für ihn. „Dabei“, so betont er, „geht es neben der Wahrung der Ordensinteressen auch um die Verdeutlichung und Präsenz ordensspezifischer Spiritualität innerhalb der gesellschaftlichen Wirklichkeit.“ Er vertritt eben nicht „irgendeinen Verband“, sondern eine Vereinigung, die christliche Wertmaßstäbe für ihr Handeln zu verwirklichen sucht. Nicht immer eine leichte Aufgabe, denn „was ein Orden denn so eigentlich ist, wissen viele heutzutage nicht mehr“. Aufklärungsarbeit tut also Not, zumal die Ordenslandschaft in Deutschland vielfältig und nicht so leicht auf einen Nenner zu bringen ist.

 Anfragen der Zeit. Vielfalt und Bewegung, das sind schon die Kennzeichen der Orden heutzutage und so verwundert es nicht, wenn Pater Kiefer als weitere Aufgabenstellung die Begleitung der Orden nennt. Begleitung in bewegten Zeiten, denn mit abnehmenden Mitgliederzahlen stellen sich für viele Orden ganz neue Herausforderungen. „Wohin führt uns der Weg?“, „Wo liegen unsere Wurzeln und wie können wir das Anliegen des Gründers, der Gründerin in heutige Zeiten übersetzen?“, sind Fragen, die nicht schnell und leicht zu beantworten sind.
Hier Hilfestellungen zu geben und auch spirituell Klärungen zu ermöglichen, das sieht Pater Kiefer als wichtige Herausforderung seiner Arbeit an. Umwandlungsprozesse zu ermöglichen und bei „Aufbauarbeiten“ den Orden mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, gehört dann ebenso dazu wie der Aufbau einer Art „Erfahrungsbörse“, an der alle Orden partizipieren können. Denn manche Fragen bedürfen heute eines oder gar mehrerer Fachmänner und –frauen. Was geschieht mit den Liegenschaften eines Ordens, wie kann Geld ethisch angelegt werden? Auch rentenversicherungsrelevante Fragen werden gestellt - kaum ein Anliegen, dessen sich das Generalsekretariat nicht annimmt. Dabei steht Pater Kiefer nicht alleine. Mit Sr. Cäcilie (Generalsekretärin für die Frauenorden), einem Justitiar und anderen Angestellten versucht er, der Flut der Aufgaben Herr zu werden. Wichtig ist ihm dabei, dass zwei Ordensleute an der Spitze des Generalsekretariates stehen. Nicht nur dass ihr Einsatz sich nicht an tariflichen Arbeitszeiten ausrichtet, wichtiger noch ist ihm, dass eine Art „Grundverständnis“ zwischen der Leitung und den Orden besteht: die eigenen Kenntnisse, die eigenen Ordenserfahrungen ermöglichen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf beiden Seiten, und auch hier ist die geistliche Dimension als Arbeitsgrundlage unverzichtbar.

Atem holen. So werden Besucher das Generalsekretariat in Bonn auch nicht einfach unter VDO im Telefonbuch finden. „Haus der Orden“, so ist die offizielle Adressbezeichnung - und in der Tat ist sie bezeichnend: Ein Haus bedeutet allemal mehr als eine Verbandsbezeichnung, ein Kürzel wie VDO, das geradezu zum Verwechseln Abkürzungen wirtschaftlicher oder politischer Lobbygruppen ähnelt. „Mehr“ also will dieses Generalsekretariat sein: vielleicht auch ein Ort zum „Atem holen“ für die Orden in manchmal atemloser Zeit? „Atem holen“, so heißt jedenfalls eine Broschüre, die Pater Kiefer nur zu gerne seinen Besuchern in die Hand drückt. „Atem holen“ veröffentlicht alle Angebote der Frauen- und Männerorden in Deutschland für am Klosterleben Interessierte. „Kloster auf Zeit“, unter diesem Titel war die Broschüre früher bekannt und in überarbeiteter Fassung ist sie heute durch das „Haus der Orden“ erhältlich. Auch das eine Möglichkeit, Ordensleben und seine vielfältigen Angebote den Menschen näher zu bringen.
Wer nun glaubt, mit diesen Aufgaben sei Pater Kiefer ausreichend beschäftigt, mag sich eines Besseren belehren lassen. Der Deutsche Katholische Missionsrat (DKMR), der sich vor allem um die Vergabe von Kleinprojekten in der Mission kümmert und dessen Generalsekretär ebenfalls P. Kiefer ist, gehört ebenso zum „Haus der Orden“, wie auch das Solidarwerk der Orden, als dessen Geschäftsführer er arbeitet, und das sich vorrangig um die Altersversorgung der Ordensmitglieder kümmert.

Und die Zukunft? Bei all den Fragestellungen und Problemen, mit denen sich P. Kiefer in seiner Arbeit konfrontiert sieht: Wie sieht er die Zukunft der Orden? Ist das düstere Bild von den abnehmenden Mitgliederzahlen die einzige Wirklichkeit?
Pater Kiefer wirkt energisch bei seiner Antwort auf die Frage nach der Zukunftsfähigkeit der deutschen Orden. Vieles in der Ordenslandschaft wird sich seiner Meinung nach verändern und muss es wohl auch. Aber es gebe ein buntes Bild, viel Experimentierfreude und Versuche neue Wege zu gehen. Klassische Ordensformen mögen ein Stück weit noch zurückgehen, aber Neues entstehe auch immer wieder: Kleine Wohngemeinschaften von Ordensmitgliedern, die versuchen, in ihrem Beruf das Leben der Menschen zu teilen und so auch spirituell hineinzuwirken in unsere Gesellschaft. Orden, die versuchen, den Ruf der Zeit wahrzunehmen, zu verstehen und zu deuten und darauf dann entsprechend zu reagieren, sie sind Hoffnungsträger für Kirche und Menschen. „Ein frischer Wind“ weht durch die Ordensgemeinschaften, und wenn ein Orden sich den Herausforderungen lebendig stellt, so ist Pater Kiefer guten Mutes für dessen Zukunft.

Ausstrahlungskraft zählt. Das Schielen auf Zahlen ist für ihn der falsche Ansatz. Auch wenn vielleicht weniger Menschen das Ordensleben als ihre Berufung erfahren, wichtig sei nur, dass sie – auch als kleinere Gruppe – Ausstrahlungskraft besäßen. Ausstrahlungskraft fällt Menschen nicht einfach in den Schoß – auch Ordenangehörigen nicht. Sie bedarf auch einer inneren Entwicklung und geistlichen Arbeit an sich selbst. Hier bietet das IMS, das Institut für missionarische Seelsorge und Spiritualität, den Ordensmitgliedern Hilfe an. Ebenfalls im „Haus der Orden“ beheimatet, bündelt und koordiniert es die Aus- Fort- und Weiterbildungsangebote der Orden für ihre Mitglieder. Damit bei aller Arbeit der Ordensangehörigen die eigene Seele nicht zu kurz kommt.
Am Ende des Gespräches mit P. Kiefer mag man auch ihm wünschen, dass auch er immer wieder Zeit zum Atem holen, Zeit für die eigene Seele finden möge, denn wie bereits eingangs gesagt: Energie wird er viel brauchen, um sich seinen Aufgaben gut stellen zu können.

Interessierte finden im Internet unter www.orden.de weitere Informationen zum Haus der Orden.

 

 

 

 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016