Besinnung am heiligen Berg

07. Juni 2007

Dieses Mal halten wir in Spoleto inne. Vom Berg Monte Luco, östlich der Stadt, geht ein starker franziskanischer Anruf aus. Er wurde immer als heiliger Berg betrachtet. Der Ort war schon den Heiden heilig, wie die berühmte Lex Spoletina (das Gesetz von Spoleto aus dem 3. Jahrhundert vor Christus) bezeugt. Dieses Gesetzesschreiben wird im Stadtmuseum aufbewahrt. Im Gesetz heißt es wörtlich: „Niemand darf diesen heiligen Wald entheiligen; niemand darf auf einem Karren oder auf dem Arm etwas, das zum heiligen Wald gehört, wegtragen. Auch darf niemand Holz schlagen, außer an dem Tag, an welchem das jährliche Opfer dargebracht wird."

Ausgangspunkt Spoleto. Der Monte Luco war auch den Christen heilig, welche von den ersten Jahrhunderten an hierher kamen, um im Schweigen und in der Einsamkeit des Berges Ruhe zu finden. Verstärkt wurde diese Rückzugsbewegung vor allem durch Mönche des 6. Jahrhunderts, „die Eremiten der Kongregation von Monte Luco". Die ersten Einsiedler waren mit dem seligen Isaak aus dem Orient gekommen. Später folgten die Benediktiner und die Franziskaner. Viele der heutigen Gebäude und Kapellen, die über den Hang verstreut sind, wurden von den Mönchen errichtet.

Man erreicht den Berg und das franziskanische Heiligtum auf seinem Gipfel, 800 Meter über Meereshöhe, mit dem Auto, wenn man auf der Schnellstraße, die von Perugia über Spoleto nach Rom fährt, auf der Höhe von Spoleto links (nach Osten) abbiegt und dieser Straße, die sich durch einen dichten, Jahrhunderte alten Buchenwald windet, etwa fünf Kilometer folgt. Sie endet am Heiligtum.

Man kann aber auch eine Fußwanderung machen. Von der Piazza Garibaldi, am Fuß der Altstadt, geht man in die Oberstadt zum Dom und dann über die Turmbrücke (Ponte delle Torri), eine 80 Meter hohe und 230 Meter lange Brücke mit zehn sehr großen Bögen aus dem 14. Jahrhundert. Nach dieser Brücke biegt man nach rechts und dann sofort nach links. Dabei folgt man einem schönen, stark ansteigenden Pfad, mit dem Kennzeichen Cai 1. Der Pfad führt an einer Reihe von Gebäuden vorbei, die einmal Einsiedlern dienten und heute in Villen umgewandelt sind. Nach zwei Kilometern überquert man die Asphaltstraße und geht im Wald weiter, bis man zum Konvent des heiligen Franziskus kommt. Er liegt am Rand einer großen Wiese, nicht weit von einigen Gasthöfen (zwei Stunden Fußweg von Spoleto aus).

Lehm und Flechtwerk. Die erste Ansiedlung von Franziskanern in Monte Luco geht auf das Jahr 1218 zurück. Franziskus errichtet für sich und seine Brüder aus Lehm, Kalk und Holz einige Zellen neben dem Kirchlein der heiligen Katharina. Dieses Heiligtum bekam Franziskus von den Benediktinern von San Giuliano geschenkt. Im 14. Jahrhundert wohnten hier franziskanische Einsiedler, deren geistiges Haupt Angelus Clarenus war. Er war ein extremer Verfechter der franziskanischen Armut. Im 15. Jahrhundert kamen die Observanten, die bei der Unterdrückung der Orden durch die Regierung in den Jahren 1860 bis 1866 vertrieben wurden. Unter den Franziskanern lebte auch eine zeitlang der heilige Franziskus von Paola, der hier seine erste Formung für das Einsiedlerleben erhielt und seine Liebe zum heiligen Franz vertiefte.

Der Kern des Klosters sind sieben kleine Zellen, die Franziskus mit seinen Brüdern selbst gebaut haben soll. An manchen Stellen kann man gut den Lehm und das Flechtwerk sehen. An Franziskus erinnert auch der Brunnen im Klosterhof, dessen Quelle nach der Überlieferung auf das Gebet des heiligen Franziskus hin zu sprudeln begann. Mit seinem Wasser, so erzählt die Überlieferung, heilte Franziskus ein verwachsenes Mädchen.

Neben der Kapelle, die ursprünglich der heiligen Katharina geweiht war und später dem heiligen Franziskus, gibt es eine Kapelle, die an den heiligen Bernhardin von Siena erinnert, der diesem Konvent neues Leben verlieh. Die Bibliothek, das Dormitorium der Novizen, der schlichte Vorratsraum (Cantina), die Küche, das Refektor – hier ist alles geprägt von Bescheidenheit und Armut. Alles passt zum Bild der kleinen Zelle des Franziskus.

Berühmte Persönlichkeiten. Zu den besonders bekannten Brüdern gehört der heilige Bonaventura, der heilige Antonius von Padua und der schon genannte Bernhardin von Siena. Weniger bekannt ist der selige Franziskus von Pavia, Antonius Tigrini und Paoluggio Trinsi. Sie alle liebten die Kontemplation und suchten an diesem Ort Kraft aus der Stille.

Wer die Einsiedelei des Monte Luco besucht, kommt nicht vorbei am seligen Leopold Gaiche. In der kleinen Kirche des Konventes liegt sein Leib unter dem Hochaltar. Der selige Leopold gehört zu diesem Heiligtum und hat ganz Umbrien, ja fast ganz Italien durchpilgert, gestützt auf einen Stock, der heute noch gezeigt wird.

Der selige Leopold ist 1738 bei Perugia als Kind umbrischer Landleute geboren. Er musste Schafe hüten. Durch Opfer und mit viel Disziplin konnte er die Grundlagen der lateinischen Sprache lernen. Er wurde Franziskaner und 1757 zum Priester geweiht. Zunächst erhielt er den Auftrag, Theologie und Philosophie zu dozieren, aber nach wenigen Jahren erkannten die Oberen seine Berufung zum Volksmissionar. Ununterbrochen durchzog der Selige von 1768 bis 1815 die Straßen Italiens und predigte auf den Plätzen und von den Kanzeln zum großen Segen der Menschen, die ihm gerne zuhörten. Sowohl zu Hause im Konvent als auch außerhalb pflegte er sein Gebets- und Opferleben. Er unterbrach seine Reise nicht, ganz gleich ob Regen, Sonne, Wind oder Schnee ihn begleiteten. Wie Franziskus betete er: „Sei gepriesen für jegliches Wetter!" In seinem langen Apostolatsleben heilte er viele Kranke und verhalf unzähligen Sündern zur Umkehr. Dabei bediente er sich vor allem der seligen Jungfrau Maria.

Ihr Bild „Mutter der Barmherzigkeit", auf welchem sie zusammen mit ihrem Kind Jesus und einem reumütigen Sünder dargestellt ist, trug er immer bei sich. Der selige Leopold war auch eine zeitlang Provinzial der Reformbrüder in Umbrien. Er starb am 2. April 1815, 83 Jahre alt. Auf dem Monte Luco wollte er einen Ort der Besinnung für die Brüder gründen, die das franziskanische Apostolat üben. Papst Leo XIII. hat ihn 1893 selig gesprochen. In dem Kirchlein wird das Kreuz aufbewahrt, das der Selige in seinen fast 50 Pilgerjahren mit sich trug.

Schlichter Lebensstil. In Monte Luco ist auch nach der Unterdrückung im 19. Jahrhundert wieder franziskanisches Leben. Der Konvent besteht aus fünf Patres und den Postulanten (Ordensinteressenten) des jeweiligen Jahres. Es sind junge Männer der umbrischen Provinz, welche sich auf die Einkleidung und das Noviziat in San Damiano in Assisi vorbereiten. Die Brüder setzen das Apostolat im Sinne des heiligen Franzikus und des seligen Leopold fort, indem sie Kurse für franziskanische Spiritualität und Tage des Schweigens und des Gebetes anbieten.

Während des Jahres ist Monte Luco ein Ort der Sammlung, der Stille und des Gebetes. Der ganze Konvent ist ein Zeichen der Armut und des schlichten Lebensstils. Doch an sonnigen Wochenenden und in den Ferienmonaten Juli und August gleicht die große Wiese vor der Einsiedelei einem einzigen Ferienlager.

Nach dem Besuch der Einsiedelei kann man zu den Grotten des heiligen Franziskus, des heiligen Antonius, des heiligen Bernhardin und anderer berühmter Persönlichkeiten gehen. Einige sind im Wald, andere bilden Flügel des kleinen Konventes.

Der Wald aus Steineichen umgibt das Kloster, spendet Schatten und lädt zur Rast ein. Wunderbar ist die Aussicht vom Berg ins weite Spoletotal, Belvedere genannt. Auf einer großen Marmorplatte stehen in Latein die Worte des Franziskus: „Ich habe nichts Schöneres gesehen als mein Spoletotal."

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016