Christen in Nordkorea: doppelt eingesperrt

21. Juni 2021 | von

Im Demokratieindex der britischen Zeitschrift „The Economist“ rangiert Nordkorea auf dem letzten Platz. Im Christenverfolgungsindex von Open Doors belegt das Land den ersten Rang. Unser Beitrag nimmt Sie mit in das diktatorische Regime von Kim Jong-un und blickt auf die tödlichen Gefahren, denen Christen in diesem ostasiatischen Staat ausgeliefert sind.

Raketentests und Hinrichtungen – das gehört wohl zu dem, was man in der Berichterstattung über Nordkorea am häufigsten hört. Seit Jahren hungert die Bevölkerung, die Lebensmittelversorgung für die etwa 25 Millionen Einwohner ist streng rationiert, die Lebenserwartung sinkt kontinuierlich, und dennoch scheint Kim Jong-un, der „Oberste Führer“ der „Demokratischen Volksrepublik Korea“ mehr mit „Säuberungsaktionen“ und Machtkämpfen beschäftigt zu sein denn mit den wirklichen Bedürfnissen seines Volkes. Die Menschenrechtslage ist fatal. Eine unabhängige Berichterstattung ist so gut wie unmöglich: Sofern ausländische Journalisten überhaupt ins Land gelassen werden, weichen ihnen staatliche Aufpasser nicht von der Seite. Obendrein ist das nordkoreanische Internet zensiert und ziemlich abgeschottet: Wenig zu spüren von der uns vertrauten und so selbstverständlichen Freiheit.

Misstrauen, Kontrolle und Zwangslager

Staatliche Kontrolle hingegen steht über allem. Das Regime teilt seine Untertanen in drei Kategorien ein. Gern gesehen sind die „Genossen“, also Mitglieder der regierenden Partei oder ehemalige Helden des Koreakriegs gegen das verfeindete Südkorea (1950-1953). „Schwankende Personen“ sind die, deren unbedingte Loyalität zum herrschenden System nicht vollständig gesichert ist. Und unter den „feindlich gesinnten Personen“ werden alle – immerhin noch etwa ein Viertel der Bevölkerung – subsumiert, die sich im Lauf ihres Lebens auf die Seite der Amerikaner gestellt haben, ehemalige Großbauern und Beamte sowie Menschen, die sich zum Buddhismus oder Christentum bekennen. Dass ein Nordkoreaner jemals sein Land verlässt, und sei es auch nur für eine touristische Reise, ist so gut wie ausgeschlossen. Und auch den Wohnort kann man nicht frei wählen: Dieser wird einem, je nach Einsortierung in eine der drei Kategorien, vom Staat zugeteilt.

Bekannt ist, dass der Staat mehrere Konzentrations- und Umerziehungslager unterhält. Hier werden Menschen aus politischen und religiösen Gründen inhaftiert und im Rahmen der „Sippenhaft“ oft auch deren Verwandten. Neben harter Arbeit und Folter stehen die Willkür der Wärter und Nahrungsentzug auf der Tagesordnung. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 200.000 Menschen derzeit unter solchen Umständen gefangen gehalten werden.

Verfolgte Christen

Auch wenn die Situation aller Menschen bedauerlich ist, die unter solchen Bedingungen, wie sie in Nordkorea herrschen, leben müssen, interessiert uns im Rahmen dieser Serie vor allem die Lage der Christen.

Das Christentum kam erst Ende des 18. Jahrhunderts nach Korea – und zwar mit dem ersten römisch-katholischen Missionar im Jahr 1785. Schon damals war die Verbreitung des Christentums verboten, und es dauerte weit über 100 Jahre, bis die Zahl der Christen signifikant gestiegen war. 1907 zählte Pjöngjang, die älteste Stadt der Halbinsel und seit 1972 offiziell Hauptstadt Nordkoreas, etwa 100 Kirchen und knapp 15.000 Christen. Bis 1945 stieg deren Anteil an der Bevölkerung Pjöngjangs bis auf 13 Prozent. Eine Zeit lang sprach man deshalb sogar vom „Jerusalem des Ostens“. Heute ist davon keine Rede mehr. Denn selbst wenn die nordkoreanische Verfassung den Bürgern eigentlich die freie Ausübung der Religion garantiert, dann doch nur unter der Bedingung, dass sie nicht „zur Infiltration durch äußere Kräfte oder zur Verletzung der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung“ missbraucht wird. Diese Einschränkung öffnet staatlicher Verfolgung Tür und Tor. In Pjöngjang gibt es heute gerade einmal vier christliche Kirchen, wobei gemutmaßt wird, dass auch diese lediglich für propagandistische Zwecke geduldet würden. Von einem durchaus erschreckenden Beispiel berichtete Harmut Koschyk, von 1990 bis 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages, während eines Besuchs in Nordkorea im Jahr 2015: Gemeinsam mit einem Benediktiner aus St. Ottilien durfte er an einer Messe in der Jangchung-Kathedrale in Pjöngjang teilnehmen. Ein nordkoreanischer „Pater Francisco“, vermutlich gar kein Priester, sondern ein Parteifunktionär, wie die deutsche Delegation später vermutete, steht dem Gottesdienst vor. Die Predigt ist durchzogen von Hasstiraden und einem schlussendlichen Aufruf des „Paters“, „mit Gottes Hilfe“ einen „Heiligen Krieg der Wiedervereinigung“ gegen Südkorea zu führen. Ein anschließender Protest beim Vizeaußenminister wird nur mit Schweigen quittiert.

Todesstrafe für die Bibel

Vorfälle wie dieser werden von den internationalen Medien aufgegriffen. Die wenigen Christen im Land – nach offiziellen Angaben sind es 15.000, davon 10.000 Protestanten; Open Doors hingegen geht von bis zu 400.000 Christen aus, davon bis zu 70.000 in Arbeitslagern – müssen mit alltäglichen Schikanen rechnen. Der bloße Besitz einer Bibel kann mit der Todesstrafe geahndet werden. Wer als Christ bekannt ist, muss damit rechnen, dass seine Wohnung ein bis zwei Mal pro Jahr unangekündigt durchsucht wird. Sämtliche Missionarische Aktivitäten gelten als „terroristische Akte“. Open Doors hält fest: „Die gottgleiche Verehrung der Herrscher erlaubt keinerlei Raum für eine andere Religion. Wer es wagt, jemand oder etwas anderes als die Kim-Dynastie und Kim Jong-un im Besonderen zu verehren, wird als Gefahr für den Staat angesehen. Christen gelten daher als Teil der feindlichen Klasse in Nordkoreas Gesellschaftssystem.“ Und der Staat setzt alles daran, Christen „gründlich“ zu verfolgen und sie in ihrem Glauben einzuschränken – nirgendwo auf der Welt mit solcher Totalität wie in Nordkorea.

Zuletzt aktualisiert: 21. Juni 2021
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