Das eine Bild Gottes

14. Dezember 2006 | von

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Der Mensch entdeckt und beschreibt sich selbst. Er kann Symbole schaffen als Zeichen für eine unanschauliche Wirklichkeit. Der biblische Mensch aus Fleisch und Blut erfährt und deutet sich als Symbol der Welt Gottes, als „Abbild Gottes und Gott-ähnlich“. – Im Rahmen einer biblischen Anthropologie beschreibt unser Autor in einer neuen Reihe die symbolische Bedeutung des Menschlichen.

Die zentrale Aussage über das biblische Menschenverständnis wird im Schöpfungsbericht gemacht: Die männlichen und weiblichen Menschen sind als Ebenbild Gottes königliche Menschen und in ihrer Verantwortung gegenüber den Nächsten und der Schöpfung in Pflicht genommen. Diese Symbolsprache verweist auf den, der den Menschen als sein „Ebenbild“ erschaffen hat.
Nach einer über tausendjährigen Tradition christlicher Bibelauslegung beschreibt Bonaventura in seinem Büchlein „Pilgerweg der Seele zu Gott“, wie alles den Menschen zu Gott hinleiten will, weil seine Spuren in den Geschöpfen aufleuchten. Wir können in unserer Seele einkehren, „wo das Bild Gottes in uns aufstrahlt“. Christus hat menschliche Gestalt angenommen und so das erste Bild, das in Adam zerbrach, wiederhergestellt.

Ebenbild. Mann und Frau sind von gleicher Würde. Gemeinsam sind sie jenes Bild, in das Gott etwas von seinem Wesen hineingelegt hat. Gott segnet Adam und Eva gemeinsam (Gen 1,28), denn als Paar vollenden sie die Schöpfung, in ihrer Verwiesenheit aufeinander, durch ihre Liebe und die Weitergabe des Lebens.
Hier wird nicht nur über die Ehe eine Aussage gemacht, sondern auch die Ergänzung angesprochen, die der männliche und der weibliche Eros, der mütterliche und der väterliche Mensch einander schenken. Diese Polarität des Menschen äußert sich in allen Bereichen des Lebens, in der Weltgestaltung genauso wie in der Gottbeziehung und Mystik. Denken wir an die Hilfe und die Bereicherung, die Benedikt und Scholastika oder Franz von Assisi und Klara einander schenken durften.
Im jüngeren Schöpfungsbericht (Gen 1-2,4a) wird Gottes Werk im Rhythmus einer Arbeitswoche erzählt. Am Ende der einzelnen Schöpfungstage heißt es immer: „Gott sah, dass es gut war.“ Erst am sechsten Tag, nach der Erschaffung des Menschen, kommt Gottes Werk ans Ziel. Hier heißt es, dass Gott alles sah, was er gemacht hatte, und es für „sehr gut“ befand (Gen 1,31).
Das Schöpfungswort des sechsten Tages wird durch eine feierliche Selbstberatung Gottes eingeleitet, die auf den Höhepunkt des göttlichen Schaffens verweist: „Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels… Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,26f).
Der Mensch ist nicht nur durch Gottes Wort ins Dasein gerufen worden, er vermag auch auf dieses Wort zu hören und zu antworten. Er ist das Lebewesen, das sich Gott zuwenden und zu ihm beten kann. Der Mensch ist berufen, Dialog-Partner Gottes zu sein. Mehr noch, er ist fähig zu einer innigen Beziehung mit seinem Schöpfer in dem Bund, den Gott mit ihm schließt. Als Mann und Frau sind sie das eine Bild von Gott, berufen in ihrer Bezogenheit und Gemeinschaft, den Dialog der Liebe miteinander zu führen und darin die Sprache der Liebe Gottes wiederzugeben.

Am Du zum Ich. „Der Mensch wird am Du zum Ich“ (Martin Buber). Im zweiten Schöpfungsbericht (Gen 1,4b - 2,24) kommt das Verhältnis von Mann und Frau in einer naiv anmutenden Erzählung zur Sprache. Der für den Menschen sorgende Gott stellt fest: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht“ (Gen 2,18). Adam bedarf der Ergänzung, um vollendet gut zu sein. Dieses Gegenüber findet er in den Tieren, die Gott vorführt und die er benennen darf, nicht (Gen 2,19f). Sie geben ihm keine Antwort, darum bleibt der Mensch unter ihnen ein Einsamer. Erst als Gott ihm den Partner von seinem Bein und Fleisch, das heißt von seinem Wesen, zuführt, findet der Mensch sein entsprechendes Gegenüber (2,23).
Die Erschaffung der Frau aus dem Mann will auch die Macht des Eros erklären, die stärker ist als die Bindung an die leiblichen Eltern: „Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau und sie werden ein Fleisch“ (Gen 2,24). Der Eros wird hier weder vergöttlicht noch verteufelt, er ist von Gott den Menschen eingestiftet und deswegen gut. Er ist jene Anziehungskraft, die Menschen zur Partnerschaft führt, damit sie füreinander da sind und sich miteinander entfalten.
Das Leben in seiner vollen Leiblichkeit ist einfach schön und herrlich, weil es aus dem Geheimnis Gottes quillt und in der Menschwerdung Gottes sein Mysterium und seinen Sinn hat. In all seiner Sinnlichkeit ist der Leib so schön, weil hier das Tor gesehen wird zu Gottes geheimnisvoller Schönheit.

Gleichberechtigte Partner. Den schönsten Lobpreis auf die Liebe finden wir im Hohen Lied. Hier treten die Partner in verschiedenen Rollen auf: als Hirte und Hirtin, als König und Königsbraut. Sie finden immer wieder neue Namen füreinander und sprechen sich als Geliebter, Freundin und als Schwester Braut an. Für die damalige Zeit ist es erstaunlich, dass die Frau ebenso offen wie der Mann, ihre Sehnsucht und ihre Lust zum Ausdruck bringt. Ihre so offen gezeigten Gefühle sind nicht Zeichen einer „sexuellen Emanzipation“. Sie lassen vielmehr Mann und Frau als gleichwertige Ebenbilder Gottes erkennen. Die Anrede „Freundin“ zeigt den partnerschaftlichen Charakter der Geschlechterbeziehung. Es geht um die Konsequenz des biblischen Menschenbildes. Frau und Mann sind gleichberechtigte Partner. Ihre Liebe verwirklicht sich im gegenseitigen Sich-Annehmen, nicht im Anspruch des einen auf den anderen: „Der Geliebte ist mein und ich bin sein“ (Hld 2,16; vgl. 6,3).
In christlicher Deutung wird die Liebe zwischen Mann und Frau zum Bild der Liebe, die Gott seinem Volk schenkt. Der Apostel Paulus nennt die Ehe ein großes Geheimnis im Hinblick auf das Verhältnis Christi zur Kirche: „Die zwei werden ein Fleisch sein. Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche“ (Eph 5,31f).
Der Ehebund als Liebesbund zweier Menschen nimmt besonders Anteil am Erlösungsbund Christi mit der Kirche. Wo zwei Christen eine Lebensgemeinschaft miteinander eingehen, dürfen sie sich in der Bundesliebe Gottes, in seinem Ja zu den Menschen geborgen wissen. Das unbedingte, uneingeschränkte Ja zu diesem einmaligen, unverwechselbaren Menschen ist dem Ja Gottes zum Menschen vergleichbar.
Da Mann und Frau - „isch“ und „ischa“ im Hebräischen - in gleicher Weise von Gott angeredet sind und antworten können, werden sie füreinander zum Symbol. Das meint ihre Bezogenheit aufeinander und schließt immer zugleich auch ihre Bezogenheit auf Gott ein und deutet sie.

Neuer Adam, neue Eva. Als der Mensch - Mann und Frau - aus der Gemeinschaft mit Gott herausfällt, können sich die beiden Symbolhälften nicht mehr nahtlos zueinander fügen. Von nun an symbolisieren die biblischen Urgestalten das Nein des Menschen zu Gott und zugleich auch den als Strafe erfahrenen Tod.
Die Frühen Theologen der Kirche sehen auch das zerbrochene, beschädigte Bild. Sie erkennen, dass der Spiegel zerbrechen musste, weil der Mensch sich mit seinem „Abbild-Sein“ nicht zufrieden geben will. Er möchte selber Urbild sein.
In diesem Prozess, in dem der Mensch sein eigener Schöpfer sein will, geschieht dem Bild eine so grundsätzliche Beschädigung, dass diese nur von Gott her geheilt werden kann. Doch ist das Ja des Menschen zu seinem Heilwerden erforderlich.
Der Gott der Bibel entlässt zwar sein beschädigtes Symbol, den Menschen, in die ertrotzte „Freiheit“ und löst ihn nicht aus den Folgen seiner Entscheidung. Aber er begleitet Adam und Eva, „den Menschen“, der von nun an einem gesprungenen Spiegel gleicht, in dem selbst Gott sich schwer zu erkennen vermag, auf dem Weg durch die Geschichte.
Gott wirft sein beschädigtes Symbol nicht weg! Wie ein roter Faden zieht sich die Heilungsgeschichte, die an Israel stellvertretend für die ganze Menschheit geschieht, durch das Alte Testament. Sie setzt sich im Neuen Testament fort, wo sie in der Gestalt Jesu von Nazareth, des „neuen Adam“, des „Christus Gottes“, ihren letzten Zielpunkt findet. Von da aus geht der rote Faden weiter, bis in Christus die Menschheit mit der ganzen Schöpfung heimkehren wird zu Gott.
Die Heilsgeschichte zeigt, dass der Gott, der sich Israel offenbart und unter den Namen „ich bin da für euch“ zusagt, immer deutlicher ein menschliches, ein väterliches-mütterliches Antlitz bekommt.
Maria ist nicht nur Bild des wartenden Israel, sondern der ganzen, auf den Erlöser wartenden Menschheit. Sie symbolisiert den Menschen, der vorbehaltlos Ja sagt zu Gott. Ein Ja, das sie bis unter das Kreuz ihres Sohnes führt.
Indem Jesus seine Mutter sterbend der Obhut des Lieblingsjüngers anvertraut, macht er sie zur Mutter aller, die an ihn glauben werden. Da leuchtet Maria auf als „neue Eva“, als Symbol des Lebens.
Der „neue Adam“ ist Christus, der Knecht Gottes. Er wird durch Tod und Auferstehung zum Symbol des unwiderruflichen Ja Gottes zu seinen Menschen. Gott will durch ihn sein Abbild im Menschen erneuern.

Zur Information:

· Mann und Frau sind als „Abbild“ Gottes erschaffen. Darin gründet die tiefste Wesensbestimmung des Menschen, seine   Würde.

·  Als „Erdling“ (= adam) den Mitgeschöpfen zutiefst verwandt, überragt er diese; er ist mehr als bloß eine „Spur Gottes“.

·   Als Dialogpartner Gottes. als Mann und Frau ist er zum Dialog der Liebe berufen und beteiligt sich an der Schöpfungsentfaltung.

·  Der menschgewordene Gottessohn wird Modell für das Geschöpf Mensch. Nach diesem Urbild soll das durch die Sünde verunstaltete Abbild Gottes in den Menschen wiederhergestellt werden.

 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016