Das Liebeswäldchen in Gelb und Ultramarin

25. Februar 2004

Die pittoreske Landschaft der Bretagne inspirierte den französischen Maler Paul Gauguin zu bahnbrechenden Werken - lange bevor er sich nach Tahiti einschiffte. Während seines Aufenthaltes in  Pont-Aven und in Le Pouldu schuf er Landschaftsansichten mit atemberaubenden Farbkombinationen  - und seiner Pensionswirtin eine ansehnliche Privatgalerie. 

Finistère, dieses faszinierende „Ende der Erde“, dessen Küste wie eine endlose aus Granit gemeißelte Skulptur wirkt, hat viele Künstler angezogen. Seit 1860  suchten Maler aus Paris, London, Kopenhagen oder Philadelphia in der pittoresken Bretagne das Himmelblau neuer Horizonte. Als Kontrast zu den immer mehr technisierten Metropolen entdeckten sie hier das archaische Leben, die Symbolkraft der Traditionen. Viele trafen sich in Pont-Aven, weil das durch Küstenhandel zu Wohlstand gekommene Städtchen mit seinen steinernen Häusern, schmucken Giebeln und mächtigen Kaminen besonders ansehnlich, freundlich und offen war. Und wohl auch, weil es preiswerte Unterkunft bot.

Kolonie der Malerfreunde. Paul Gauguin, der sich hier vom Einfluss des Impressionismus befreite und einer abstrakteren Form der Malerei zuwandte, wurde 1886 zum Mittelpunkt der Künstlerkolonie von Pont-Aven: Wie er beim Hervorheben des Wesentlichen Farben zum Vibrieren brachte, löste bei allen Bewunderung aus. Doch bei seinem dritten Aufenthalt in der Bretagne hielt es Gauguin nicht mehr in Pont-Aven. Mit einem Boot fuhr er die Küste entlang und entdeckte das stille Dorf  Le Pouldu. Mit Malerfreunden quartierte er sich in der Pension von Marie Henri ein, in deren Bar die Bauern und Algensammler verkehrten. Paul Gauguin, Jacob Meyer de Haan, Paul Sérusier und Charles Filiger malten während des Winters Decken, Wände und Türen des Gaststube an, doch die einfachen Leute von Pouldu wussten die teilweise leichtbekleideten Gestalten wenig zu schätzen. Marie Henry jedoch legte sich Stück für Stück eine Sammlung von Gemälden ihrer Gäste zu...


Kunstwerk Pension. Gauguins Zimmer lag an der Rückseite des Hauses, von wo aus er damals noch über Felder und Dünen aufs Meer blicken konnte. Da das Haus (heute der linke Teil des „Cafe´de la Plage“) von späteren Besitzern mehrfach umgebaut wurde, gingen die Malereien größtenteils verloren. 1989 gedachte man in Pouldu Gauguins und seiner Freunde und beschloss, Marie Henrys Haus neben dem „Café de la Plage“ originalgetreu wieder auferstehen zu lassen. Bretonische Künstler kopierten nach alten Fotos die Malereien in Originalgröße. Mit Mobiliar aus der Zeit wurde die Gedenkstätte „Maison Marie Henry“ bis ins Detail liebevoll und lebensnah eingerichtet. So spricht allein das ungemachte Bett im Zimmer des unordentlichen Gauguin Bände.
Einige der Gemälde, die einst das Haus von Marie Henry schmückten, werden heute im rund 35 Kilometer entfernten Quimper ausgestellt. Der Bischofssitz an den Ufern des malerischen Odet-Flusses mit der gotischen Kathedrale, den von Kastanienbäumen gesäumten Boulevards und den gepflegten historischen Fachwerkbauten präsentiert sich gern als Stadt der Kunst. Im Musée des Beaux-Arts am Place Corentin sind etliche schöne Arbeiten aus der Schule von Pont-Aven zu sehen.

Romantische Mühlen. Auch in Pont-Aven erinnert seit 1986 ein reizvolles Museum, das eine gut konzipierte Tonbildschau über die große Zeit zeigt, an Gauguin und seine Weggefährten. Es hütet nicht nur einige der hier entstandenen Werke wie den „Gelben Christus“, sondern bietet auch wechselnde Ausstellungen, die entweder einen Maler oder einen besonderen Aspekt der in Pont-Aven entstandenen Kunstbewegung beleuchten.
Ein gutes Dutzend Galerien im Ort widmet sich der zeitgenössischen Produktion zwischen Kunst und Kitsch und lebt vom florierenden Tourismus. Derweil  dokumentieren historische Wassermühlen, von denen „Le Moulin de Rosmadec“ zum ebenso romantischen wie renommierten Restaurant avancierte, an eine frühere Quelle des Wohlstandes in Pont-Aven. Die vielen Mühlen verdankten ihr Entstehen der idealen Lage am schnellen Lauf des Flusses, der  - aus dem Massiv der Montagnes Noires herabströmend – hier durch natürliche Dämme aus enormen Granitblöcken gebremst wird. Aus dem Mehl, das in Pont-Aven gemahlen wurde, verstanden die Bewohner feine Galettes zu backen, die bis heute ein beliebtes Souvenir sind.

Vorbild des „Gelben Christus“. Spaziergänge auf den Spuren der Künstler führen aus dem charmanten Ort heraus. Zum Beispiel durch stille Buchen- und Eichenalleen, vorbei an behäbigen Bauernhöfen, zur Kapelle von Trémalo. Die gotischen Granitmauern bergen eine Christusstatue aus dem 17. Jahrhundert, die Gauguin als Vorbild für seinen „gelben Christus“ diente. Ein symbolträchtiger Treffpunkt der Maler war auch der „Bois d’Amour“, dessen Stille und altehrwürdige Baumriesen sie anzogen. Hier erteilte Gauguin dem jungen Paul Sérusier eine stilprägende Lektion: Es gehe nicht darum, die Natur naturgetreu wieder zu geben, sondern vor der Kulisse der Natur zu träumen. Auf den abgelösten Deckel einer Zigarrenkiste malte Sérusier nach Gauguins Anleitung ein Bild, das die neuen Künstlerfreunde später zu ihrem „Talisman“ erklären. „Wie seht ihr diese Bäume“, soll Gauguin angesichts einer Ecke im Liebeswäldchen gefragt haben. „Sie sind gelb. Also setzen Sie gelb hin. Und der Schatten ist ziemlich blau. Malen Sie ihn in einem reinen Ultramarin. Diese roten Blätter? Nehmen Sie Zinnober.“ In vielerlei Varianten ist dieser Moment überliefert, in dem Gauguin den Synthetismus entwickelte. Durch Gauguins Anregung zur Verwendung reiner Farben, so wie sie aus den Zinntuben kamen, ging das Liebeswäldchen in die Kunstgeschichte ein.

Kühn kombinierte Farben. Seiner Ansicht nach lag in der inneren Übereinstimmung von Farbe und Form das Wesen der Synthese. Noch heute wirken seine Farbkombinationen kühn und abstrakt. Doch damals musste der Künstler erleben, dass seine bahnbrechenden Werke nur Hohn und Spott ernteten. Der 1848 in Paris geborene, der eine farbenprächtige Kindheit in Peru erlebte, schmiedete unruhig neue Fluchtpläne, suchte sein Paradies in der Südsee, die doch längst europäisiert war. Ernüchtert, krank, erfolglos starb er schließlich am 8. Mai 1903 in Hiva-Hoa. Weit weg von der Bretagne, in der er für kurze Zeit der anerkannte Kopf einer Künstlergruppe war... 
                                                               

INFOS
Ein deutschsprachiger Prospekt „Die Malerstrasse der Cornouaille“ (herausgegeben vom Groupement Touristique de Cornouaille, B.P. 410, F-29330 Quimper Cedex, Tel. 0033/ 98-907505) informiert über Museen, Galerien, Gastronomie und Unterkünfte in der bretonischen Küstenregion zwischen Audierne und Le Pouldu, zu der auch Pont-Aven und Quimper gehören. Allgemeine Auskünfte erteilt das Französische Fremdenverkehrsamt, Westendstrasse 47, 60325 Frankfurt/Main, Tel. 0190/570025, Fax 0190/599061.

Internet: www.PontAven.com                  

 

 

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Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016