Das Weinwunder zu Kana

Jesu erstes öffentliches Auftreten bei der Hochzeit zu Kana gehört zu den bekannten Erzählungen der Heiligen Schrift. Unser Autor fragt: Wo ist Kana eigentlich?

600 Liter Wein! Das ist mehr als reichlich bemessen, selbst für eine große Hochzeitsfeier. 600 Liter Wein sind das Ergebnis des ersten Zeichens Jesu, als er der Peinlichkeit, dass der Wein bei der Hochzeit ausgetrunken ist, Abhilfe verschafft. Ein nicht gerade bescheidenes Wunder, sondern eines, das die Überfülle Gottes aufzeigen will. „Am dritten Tag fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt und die Mutter Jesu war dabei. Auch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit eingeladen. Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus erwiderte ihr: Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter sagte zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut! Es standen dort sechs steinerne Wasserkrüge, wie es der Reinigungssitte der Juden entsprach; jeder fasste ungefähr hundert Liter. Jesus sagte zu den Dienern: Füllt die Krüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis zum Rand. Er sagte zu ihnen: Schöpft jetzt und bringt es dem, der für das Festmahl verantwortlich ist! Sie brachten es ihm. Dieser kostete das Wasser, das zu Wein geworden war. Er wusste nicht, woher der Wein kam; die Diener aber, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es. Da ließ er den Bräutigam rufen und sagte zu ihm: Jeder setzt zuerst den guten Wein vor und erst, wenn die Gäste zu viel getrunken haben, den weniger guten. Du jedoch hast den guten Wein bis jetzt aufbewahrt. So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn.“ (Joh 2,1-11)

Diese Erzählung soll von einem Gott künden, der sich auch in den ganz alltäglichen Situationen gütig und verschwenderisch liebend zeigt und nicht erst in den existenziellen Notlagen. 600 Liter Wein für eine Hochzeit, bei der die Gäste ja schon nicht mehr ganz nüchtern sind…

Zahlreiche Kandidaten

Wo dieses biblische Kana in Galiläa liegt, ist bis heute wissenschaftlich und archäologisch nicht ganz geklärt und kann aus den Angaben des Neuen Testaments nicht direkt erschlossen werden. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich verschiedene Vermutungen und Traditionen herausgebildet. Neben Qana im Libanon, das von libanesischen Christen als biblisches Kana verehrt wird, und Ain Kana bei Nazareth kommen hauptsächlich zwei Orte infrage: zum einen der heute menschenleere Ruinenhügel Chirbet Qana („Ruinen von Kana“), auch Kenet-el-Jalil, etwa 13 km nördlich von Nazareth. Kaiser Theodosius erwähnt in einem Reisebericht im 6. Jahrhundert, dass dort eine Höhle gefunden worden sei mit einem Gestell für sechs Steinkrüge, von denen zwei noch vorhanden gewesen sein sollen. Das lässt zumindest auf eine lebhafte Erinnerung an das Weinwunder Jesu in Chirbet Qana durch Pilger schließen. Zum anderen kommt ab dem 17. Jahrhundert Kfar Kenna („Dorf der Schwiegertochter“), etwa 9 km nordöstlich von Nazareth, als Ort der biblischen Hochzeit ins Spiel. Während Chirbet Qana immer mehr verfiel, lag Kfar Kenna nicht nur verkehrstechnisch günstig, sondern besaß schon eine Kirche, so dass Pilger auch aufgrund der Entscheidung eines päpstlichen Gesandten vermehrt dort des Weinwunders gedachten. Der Anspruch, das neutestamentliche Kana zu sein, wurde in Kfar Kenna schließlich 1883 durch den Bau der römisch-katholischen „Hochzeitskirche“ der Franziskaner an der Stelle einer verfallenen Moschee unterstrichen. Unter dem Boden der Moschee wiederum ließ sich ein Mosaik einer vormaligen Synagoge aus dem 5. Jahrhundert ausmachen. Die Fassade dieser Kirche ist in kleinerer Ausführung der Fassade des Salzburger Doms nachempfunden. Ein alter Krug wird hier gezeigt, der unter Umständen eine Nachbildung eines beim Wunder Jesu genutzten Kruges sein könnte.

Hochzeitswein – und Christusverehrung

In der Nähe der katholischen Kirche steht in der Mitte dieses arabischen, hauptsächlich von Minaretten geprägten Städtchens mit rund 20.000 Einwohnern noch eine etwa gleich alte griechisch-orthodoxe Hochzeitskirche, die sich rühmt, sogar zwei Krüge von der damaligen Hochzeit zu besitzen. Als dritter Ort der Verehrung findet sich in Kfar Kenna das Haus des Nathanael, der im Johannesevangelium als einer der ersten Jünger von Jesus berufen wurde (Joh 1,45-50) und aus Kana stammte (Joh 21,2). In den Souvenirläden lässt sich der sogenannte Hochzeitswein von Kana kaufen, obwohl in und um Kfar Kenna kein Wein angebaut wird – wohl auch eine Art Wunder…

Wie vielmals in der Bibel ist es wissenschaftlich nicht sicher, welcher heutige Ort oder welche Stadt sich hinter den biblischen Orten verbirgt. Beim neutestamentlichen Kana in Galiläa wird nach aktuellem Stand aus topographischen und linguistischen Gründen erneut der Ruinenhügel Chirbet Qana favorisiert, da u.a. Anlaut und Aussprache des Ortsnamens Kfar Kenna weniger gut zur neutestamentlichen Schreibweise passen. Letztendlich ist das für einen Pilger aber zweitrangig: Indem er einen Ort verehrt, auch wenn es nicht „der richtige“ ist, und des biblischen Geschehens gedenkt, verehrt er letztendlich doch Christus selbst und lässt sich konkret anrühren von der verschwenderischen Liebe Gottes.

Zuletzt aktualisiert: 22. Mai 2023
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