Der Herr vom Grünen Hügel

16. Januar 2008 | von

„Das älteste, echteste und schönste Organ der Musik, das Organ, dem unsere Musik allein ihr Dasein verdankt, ist die menschliche Stimme." Kein Wunder also, dass Richard Wagner Hymnen an diese komponierte. Mit seiner „Zukunftsmusik" betrat das musikalische Genie Neuland und bleibt auch 125 Jahre nach seinem Tod unvergessen.

er spätere Komponist wurde am 22. Mai 1813 zu Leipzig geboren und am 16. August des gleichen Jahres in der dortigen Thomaskirche auf den Namen Wilhelm Richard Wagner getauft. Bereits sechs Monate nach seiner Geburt verlor er seinen Vater. 1817 wurde der Bub eingeschult. Ein Onkel, Adolf Wagner, legte die Saat für dessen späteres Wirken. Als Philologe hatte er die Schriften des Sophokles übersetzt und gebot über eine umfangreiche Büchersammlung. Ihrer bediente sich das vaterlose Kind und lernte so die Werke Shakespeares oder die der deutschen Romantik kennen. Eine Aufführung der Beethovenschen Oper „Fidelio" zog den 16-Jährigen so in den Bann, dass er beschloss, Musiker zu werden und sich 1831 an der Leipziger Universität einzuschreiben. Nebenher nahm er Kompositionsunterricht beim Thomaskantor Christian Theodor Weinlig. Im Jahr darauf komponierte der 19-Jährige sein einziges Instrumentalwerk von Belang, eine Sinfonie in C-Dur. 1833 erhielt Wagner sein erstes Engagement am Würzburger Stadttheater. Dort stellte er seine Oper mit dem Titel „Die Feen" fertig. Dem Erstlingswerk war kein Glück beschieden, es wurde erst nach Wagners Tod aufgeführt.

Motive aus dem Leben. Ein wenig besser erging es dem folgenden Werk „Das Liebesverbot" nach Shakespeares „Maß für Maß". Mit ihrem Schöpfer am Pult wurde sie 1836 in Magdeburg aufgeführt. Dabei blieb es, weil sich die von Wagner geleitete Operntruppe vor der geplanten zweiten Aufführung auflöste. Mitglied des Ensembles war auch die Sopranistin Minna Planer, in die sich Wagner heftig verliebte und die er bald darauf heiratete. Die Ehe stand von Beginn an unter keinem guten Stern.

Es folgten Anstellungen im ostpreußischen Königsberg, in Riga und Paris. Auf der Flucht vor Gläubigern – Wagner war wieder einmal in Geldnöten – schiffte sich das Paar in Pillau ein, um über London nach Paris zu reisen. In schwerer See pflügte sich der Segler „Thetis" durch die Wellenberge vor Norwegens Küste, immer hart am Kentern. Die dabei erlittene Todesangst prägte Wagner und fand später Eingang in seine Oper „Der fliegende Holländer". Diese spielt in Norwegen und wurde 1843, ein Jahr nach dem stürmischen Erfolg seines „Rienzi", der ihm wiederum die Stellung eines königlich-sächsischen Kapellmeisters einbrachte, in Dresden uraufgeführt. Im „Holländer" taucht zum ersten Mal das Leitmotiv der Erlösung auf, das Wagner im „Tannhäuser" (1845) wieder aufgreift. Der Holländer ist verflucht, nach seinem Tod solange über die Meere zu segeln, bis ihn die Liebe einer Frau erlöst. In Senta findet der Ruhelose seine Retterin und ewige Ruhe. Sie folgt ihm nach. Der gemeinsame Tod als Krönung der Liebe zweier Menschen – ein wiederkehrendes Motiv seit Philemon und Baucis. Kapellmeister Wagner hatte nun vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben keine Geldsorgen. Die so gewonnene Freiheit nutzte er, um sich einem weiteren Werk zuzuwenden.

Wilde Jahre. Die Rede ist von „Lohengrin", der Vertonung der Sage vom Schwanenritter. Dieser kämpft in einem Gottesurteil für den Leumund einer Frau, die fälschlich des Brudermordes bezichtigt wird. Lohengrin gewinnt den Kampf und das Herz Elsas. Beide heiraten unter der Voraussetzung, dass sie nie nach seiner Herkunft fragt, da er sich sonst von ihr trennen müsse. Elsa bricht ihr Versprechen, Lohengrin verlässt sie.

In Wagners Sagenwelt brach sich bald das wahre Leben Bahn. In den Revolutionswirren von 1848 ergriff der Tonsetzer Partei für die Aufständischen. Bald zierte sein Konterfei einen Steckbrief. Wagner floh aus Dresden. Zuerst suchte er Schutz in Weimar bei seinem späteren Schwiegervater Franz Liszt, danach in der von den Wirren unberührten Schweiz. Unterschlupf fand er im Hause des Kaufmanns Otto Wesendonck, mit dessen Frau Mathilde ihn bald eine Liebesbeziehung verband, die ihren Niederschlag in „Tristan und Isolde" fand, und deren Gedichte er in den „Wesendonckliedern" vertonte. Im Exil begann Wagner 1850 mit der Arbeit an seinem umfänglichsten Werk, dem „Ring des Nibelungen" aus dem germanischen Sagenkreis. Erst 24 Jahre später sollte dieses vollendet sein.

Wagner reiste, konzertierte und schrieb bemerkenswerte musiktheo-retische Abhandlungen. Allerdings stammt aus seiner Feder auch das antisemitische Pamphlet „Das Judentum in der Musik", in der er Attacken gegen Giacomo Meyerbeer und Felix Mendelsohn-Bartholdy ritt.

Grüner Hügel. 1864 siedelte Richard Wagner nach München über, um seinem Förderer, dem „Märchenkönig" Ludwig II., nahe zu sein. Zum Skandal geriet die Liaison mit Cosima, geborene Liszt, verheiratete von Bülow, mit der er sich 1870 nach dem Tod seiner ersten Frau Minna vermählte. Sie war seine Geliebte, Ehefrau, Muse und – nach seinem Tod – Nachlassverwalterin. „Die Meistersinger von Nürnberg" wurden 1868 uraufgeführt als Verbeugung vor dem aufrechten Bürgertum des Mittelalters. Wagner war nun längst im Olymp der Unsterblichen angekommen. Ihm fehlte nur noch ein Ort, an dem er seine Werke, wie etwa das Mehrtageereignis „Ring des Nibelungen" oder das Bühnenweihefestspiel „Parsifal", gebührend präsentieren konnte. Mit der Unterstützung seines Freundes auf dem bayerischen Thron fand er sein Elysium auf einem grünen Hügel in Bayreuth. Dorthin pilgern seither Jahr für Jahr Wagnerianer und solche, die dafür gehalten werden wollen. Ihr Idol ruht im Garten der Villa „Wahnfried". Dort wurde der Komponist nach seinem Tod am 13. Februar 1883 in Venedig beerdigt.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016