Des Christfest himmlisch‘ Beiwerk

01. Januar 1900 | von

Sitten und Bräuche sind geschichtlich gewachsen. Sie ändern sich mit der Zeit und sind somit in verschiedenen Ländern und Kulturen einer eignen Entwicklung unterworfen. Wir kennen religiöses Brauchtum in vielen Variationen rund um die Sakramente – Taufe, Erstkommunion, Hochzeit, Krankheit, Tod und andere – und natürlich die christlichen Feste. Wir sollten einmal darüber nachdenken, ob uns Sinn und Bedeutung jedes einzelnen Brauches noch bewusst sind, wie wir ihn feiern und begehen. Stehen wir noch hinter unserem Tun und sind wir bereit, das von uns Geforderte dazu beizutragen? Das Weihnachtsfest steht bevor mit einer reichen Fülle christlichen Brauchtums. Wie sind die Rituale im Glauben verwurzelt, welche Geschichte erzählen sie uns, wann brachten sie ihren unverwechselbaren Glanz erstmals in den Alltag der Menschen?

Wohl zu der halben Nacht. Christlich gesehen gehört zu Weihnachten nicht mehr und nicht weniger als die liturgische Feier und Erinnerung an die Geburt Christi, die Menschwerdung Gottes. Nach uralter Tradition wird diese Feier in der Nacht zwischen dem 24. und 25. Dezember begangen durch eine Mitternachts- beziehungsweise die Christmette. Wohl zu der halben Nacht, sei der Heiland geboren, singen wir in einem Weihnachtslied und der Evangelist Lukas berichtet (2,1-14) von diesem Ereignis: Zur Zeit der Nachtwache der Hirten...
Das Wachen in der Heiligen Nacht ist das Kennzeichen des Hochfestes Weihnachten. Die besondere Nachtwache war im Judentum bereits vorgebildet (AT Buch der Weisheit 18,14 f ): Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war, da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel...

Figürliche Darstellung. Krippenspiele hatten früher Tradition und die Krippe gehört heute in die Kirche und in den Familien unter den Weihnachtsbaum. Die Verbreitung ist eng mit Franziskus von Assisi verbunden, der 1223 in Greccio erstmals eine neuartige Form einer Krippenfeier in Szene setzte. Franziskus baute eine reale Krippe mit lebenden Tieren, Ochs und Esel, einer richtigen Krippe mit Heu, dem Kind, Maria und Josef. Seit diesem Zeitpunkt hielt die figürliche Darstellung der Geburt Christi Einzug in die Kirchen und Häuser der Christen. Dem Leben Jesu entsprechend wird die Krippe mehrmals umgestellt: die Anbetung der Magier, Kindermord von Bethlehem, Flucht nach Ägypten.
Der Christbaum. In allen Kulturen und Religionen symbolisiert der Baum das Leben. Bäume galten immer als Göttersitze. Auch in der Bibel spielen Bäume eine große Rolle: vom Paradiesbaum, dem Baum der Verheißung und vom Kreuzesbaum ist die Rede. Innerhalb der kirchlichen Liturgie tauchen an bestimmten Festen immer wieder Bäume und Zweige auf, als Ehren-, Huldigungs- und Segenszeichen. Immergrüne Zweige tragen Symbolcharakter für das Wiedererwachen der Natur. Bereits in vorchristlicher Zeit galt die Farbe Grün als Hoffnungsträger. Ist unser Christbaum aus diesem Grunde eine immergrüne Tanne?
Weihnachten ohne den bunten Christbaum mit den vielen Lichtern können wir uns heute kaum denken. Und doch ist dieser Brauch noch nicht alt. In Straßburg ist er 1539 erstmals urkundlich erwähnt. Es dauerte jedoch noch lange, bevor er seine Verbreitung in Deutschland und von da in weite Teilen der Welt fand. Die immergrünen Nadeln im Winter stehen für Hoffnung und Leben. Mit dem Wachstum des Tannenbaumes verbindet sich eine weitere Symbolik: Jede Tanne hat unzählige Kreuzsymbole. Jeder Zweig bildet immer wieder die Form eines Kreuzes. Krippe und Kreuz gehören zusammen.
Der Schmuck des Weihnachtsbaumes bezieht sich auf das zu feiernde Ereignis und macht deutlich, welche Funktion der Baum hat. Aus der Tradition des Paradiesbaumes wird der Christbaum, paradiesisch geschmückt. Wir behängen den Christbaum mit Äpfeln (aus den verschiedensten Materialien), legen sie auf den Weihnachtsteller, symbolisch geht diese Handlung auf den Sündenfall zurück. Nach mittelalterlichem Verständnis war der Apfel eine sündhafte Frucht: lateinisch malum bedeutet Apfel aber auch Übel. Nur ein Wortspiel? Jedenfalls wurde die Paradiesgeschichte mit dem Apfel verbunden. Weihnachtsäpfel sollen nach alter Auffassung eine helle und eine rote Seite haben. Erstere als Sinnbild des Todes, letztere als Liebe Gottes und Quell neuen Lebens.

Größte Kostbarkeiten. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Verständnis für sinnvollen Schmuck des Weihnachtsfestes wesentlich verändert. Die Menschen machen sich wenig Gedanken, ob er sinngemäß dorthin gehört. Dennoch können wir für den traditionellen Behang des Christbaumes eine Symbolik finden: Die Magier aus dem Morgenland brachten dem Kind in der Krippe unter anderem Gold. Gold- und silbernes Flitterwerk, Engelhaar (= Ausdruck der himmlischen Herrlichkeit), glitzerndes Lametta, goldene, rote, grüne und blaue Kugeln sollen symbolhaft ausdrücken, dass für das Kind in der Krippe die größten Kostbarkeiten angemessen sind und ihm würdig sind.
Gold, Weihrauch und Myrrhe. Über die ersten Geschenke zur Geburt Christi berichtet der Evangelist Matthäus im zweiten Kapitel: Als die drei Weisen aus dem Morgenland dem Stern folgend in Bethlehem ankamen, fanden sie das Kind, Maria, seine Mutter und Josef, sie fielen nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. Diese Gaben haben einen starken Symbolcharakter: Gold, als Zeichen für das Königtum des Kindes; Weihrauch, als das der Gottheit und Myrrhe als Symbol der Passion – ein Vorgriff auf die Geschichte Jesu. Die Geschenke waren zu jener Zeit Ausdruck höchster Wertschätzung.
Es ist Brauch, sich zum Weihnachtsfest Geschenke zu machen. Das war nicht immer so. Bis zur Reformation schenkten Erwachsene sich gegenseitig nichts. Es gab aber die Verpflichtung des Dienstherrn, seinen Dienstboten eine Kleinigkeit für ihre geleistete Arbeit zu schenken. Den Armen schenkte man das existentiell Notwendige, wie Essen und Trinken, damit sie mitfeiern konnten.

Bescherung. Das Schenken geht auf den heiligen Nikolaus von Myra zurück. In einer Dezembernacht des vierten Jahrhunderts kletterte er auf das Haus dreier Mädchen und warf ihnen drei Beutel, gefüllt mit Gold durch den Kamin. Nikolaus hatte Mitleid mit den drei Schwestern, denn sie waren so arm, dass sie nicht heiraten konnten. Dem heiligen Bischof zu Ehren wurden bereits im frühen 16. Jahrhundert am 6. Dezember die Kinder mit kleinen Gaben beschenkt.
Martin Luther schaffte in den protestantischen Ländern die Kinderbescherung durch den heiligen Nikolaus ab. Statt seiner ließ er die Geschenke durch den heiligen Christ bringen. So wurde das Christkind zur Geschenkfigur und eroberte (etwa ab 1900), konfessionsübergreifend das katholische Bayern und das Rheinland. Das Schenkfest am Nikolaustag blieb jedoch ebenso erhalten wie Nikolaus als Gabenbringer.
Heutzutage hat in vielen Regionen – reimportiert aus Amerika – der Weihnachtsmann die Rolle des weihnachtlichen Gabenbringers übernommen.
Von ungeahnter Süße. Das Gebäck zum Weihnachtsfest ist in seiner Vielfalt der Zusammensetzungen und Ausdrucksformen unüberschaubar. Jede Region hat ihre Spezialitäten, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Wir haben die Kenntnisse über die Zusammenhänge fast vergessen und machen uns wenig Gedanken über die besonderen Zutaten, die im Mittelalter wohl überlegt ausgesucht wurden.
Nach überliefertem Brauch sollen Leb- und Pfefferkuchen mit sieben- oder neunerlei Gewürzen gebacken werden. Die Zahl sieben war im Mittelalter Ausdruck der Vollendung der Erschaffung der Welt. In sieben Tagen erschuf Gott Himmel und Erde. Wir leben diesen Rhythmus Woche für Woche, Gottes Wort möge uns jeden dieser Tage, mit der rechten Würze, gemeint war damit sein Segen, begleiten.
Die neun Gewürze bezogen sich im Mittelalter auf den Lobpreis Gottes. In jener Zeit war die Zahl drei stets allgegenwärtig: Vater, Sohn und Heiliger Geist (Dreieinigkeit); Erde, Luft und Wasser; Erde, Himmel, Hölle. In dieser dreifachen Einheit sah man die höchste Vollendung und mischte in Früchte- und Gewürzbrot mit neun verschiedenen Gewürzen.
Der Lebkuchen galt im Mittelalter als gesund, heilend, verdauungsfördernd und appetitanregend. Zentren der Lebkuchenbäckerei waren die Klöster.
Später, zur Zeit des beginnenden Gewürzhandels, entwickelte sich aus dem Lebkuchen der Pfefferkuchen Da der Pfeffer sehr begehrt und teuer war, gab man ihn als Gewürz dem Teig zu und unterstrich damit die Bedeutung des Anlasses, zu dem die Pfefferkuchen gereicht wurden, nämlich zu Weihnachten.
Laut einer plausiblen Erklärung, die uns eine Legende liefert, gab es das erste Weihnachtsgebäck bereits in jener Heiligen Nacht, in der Jesus geboren wurde.
Als die Hirten auf dem Felde die frohe Botschaft hörten, eilten sie zu dem Kind in der Krippe. Vor freudiger Erregung und Neugier hatten sie das Brot im Ofen vergessen. Nach der Rückkehr erwarteten sie ein völlig verbranntes, rußgeschwärztes Brot, statt dessen strömte ihnen duftender Wohlgeruch entgegen. Neugierig kosteten sie ein süßes, mundendes Gebäck. Davon gaben sie allen und brachen es in kleine Stückchen, damit jeder eine Kostprobe bekomme. Alljährlich zur Christnacht backten sie kleine Honigkuchen zur Erinnerung: äußerlich dunkel und wenig ansehnlich, aber im Geschmack von ungeahnter Süße.
Bereicherung Brauchtum. Unsere Vorfahren lebten ihr tägliches Leben eingebettet in ihren Glauben und rhythmisiert durch das Kirchenjahr und die daraus resultierenden Sitten und Bräuchen. Wir haben vielfach nur die äußeren Dinge lebendig erhalten und die Zusammenhänge und Bedeutungen verloren. Und dennoch gewinnt man den den Eindruck, dass wir wieder sensibler geworden sind für Überlieferungen unserer Vorfahren, wohl in dem Bewusstsein, dass sie das Leben bereichern.

 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016