Die Frucht des Weinstocks in der Kultur der Bibel

21. Februar 2014 | von

Die Darstellung der Weinkultur im Zeugnis der Bibel beider Testamente wird vielfältige Themen aufgreifen. Die biblische Botschaft hat das Thema Wein und Weinbau auch weltweit bekannt gemacht.



Die Früchte des Weinstockes, die das Heilige Land liefert, gehören zusammen mit dem Getreide und dem Olivenöl zur täglichen Nahrung (siehe Dtn 8,8; 11,14; 1 Chr 12,41). Vielfältig berichtet die Bibel von der Kultivierung der Weinberge und den Arbeiten für die Gewinnung von Traubensaft, Wein und Rosinen. Der Wein-Symbolik begegnet man im Bereich der Liebe, der Freude, des Lebens und des göttlichen Segens. Nicht umsonst trinkt man den Wein mit dem Trinkspruch „Le-chaim“ – auf das Leben! Im alttestamentlichen Kult war der Gebrauch des Weines streng geregelt. In den sozialen Bestimmungen und in den Gesetzen der Abgabe an den Tempel und an das Kultpersonal spielte er eine große, genau festgelegte Rolle.



ISRAEL, LAND DER WEINGÄRTEN

Nur wenige Kulturen hängen so sehr von der sorgfältigen und klugen Arbeit der Menschen und zugleich vom Rhythmus der Jahreszeiten ab wie der Rebstock. Als das Land der Weingärten lehrt Israel, mit Dank die Früchte der Erde zu verkosten, sich mit Liebe einer verheißungsvollen Arbeit zu widmen, aber auch alles von der göttlichen Freigiebigkeit zu erwarten. Der kostbare Weinstock hat aber auch etwas Geheimnisvolles an sich. Sein Wert liegt ausschließlich in der Frucht. Sein Holz ist wertlos, es dient einem raschen Feuer (vgl. Ez 15,2-5). Die unfruchtbaren Reben werden ins Feuer geworfen (Joh 15,6). Seine Früchte aber erfreuen „Götter und Menschen“ (Ri 9,13).

Der Weinstock birgt ein tiefes Geheimnis: Er erfreut das Herz der Menschen (vgl. Ps 104,15). Doch gibt es auch einen Weinstock, dessen Frucht die „Freude Gottes“ ist. Wein gehört zum messianischen Festmahl, vor allem zum eucharistischen Mahl, bei dem der Glaubende aus der Liebe Christi schöpft.



SEGENSGEBET DER MESSFEIER

Wie weitreichend und umfassend die „Weinkultur der Bibel“ ist, und damit auch das Thema dieser Artikelreihe, mag das jüdische Segensgebet über den Wein verdeutlichen: „Gepriesen bist du, HERR unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns den Wein, die Frucht des Weinstockes und der menschlichen Arbeit.“ In jeder Eucharistiefeier spricht der Priester diese Segnung über den Kelch mit Wein und fügt hinzu: „Wir bringen diesen Kelch vor dein Angesicht, damit er uns der Kelch des Heiles werde.“  



DER ERSTE WINZER NOACH

Da JHWH nach der Sintflut mit Noach, seinen Söhnen und deren Nachkommen, ja mit der ganzen Menschheit und mit allem Leben einen Bund geschlossen hat, dessen Zeichen der Regenbogen ist, bekommen wir die Zusage, dass JHWH mit Noach einen „Neubeginn“ der Schöpfung gemacht hat.

Schon der Name „Noach“ mag das andeuten. So hat dessen Vater Lamech zur Namensgebung bemerkt: „Er wird uns aufatmen lassen von unserer Arbeit und von den Mühen unserer Hände um den Ackerboden, den der Herr verflucht hat“ (Gen 5,28). Der Name „Noach“ lässt an ein Wortspiel denken, das „Ruhe“ und „Trost“ ausdrückt.

Alle Lebewesen sind ausnahmslos unter diesen Bund gestellt, der nicht an Bedingungen gebunden ist, sondern allein in Gottes unerschüttlichem Willen zu seiner Schöpfung gründet! Die Erzählung vom „Bogen in den Wolken“, dem Zeichen des göttlichen Bundes, weist darauf hin, dass JHWH seinen Kampfbogen beiseitegelegt hat und im Laufe der Geschichte nicht mehr durch Vernichtung Friede geschaffen werden soll.



NEUGESTALTUNG DER SCHÖPFUNG

Der in diesem Zusammenhang eingestreute Kurzbericht von Noach, der den Ackerbau wieder beginnt und einen Weinberg pflanzt (Gen 9,20), hat keine nebensächliche Bedeutung. Mit Noach beginnt, so will es JHWH, die Neugestaltung der Schöpfung, zu der die landwirtschaftliche Kultivierung wesentlich gehört. Im Weinbau des Noach geht die Verheißung in Erfüllung, die er in seinem Namen mitträgt. „Ruhe und Trost“ sind innigst mit den Früchten des Weinstockes und der Getreideernte verbunden. „Du lässt Gras wachsen für das Vieh, auch Pflanzen für den Menschen, die er anbaut, damit er Brot gewinnt von der Erde und Wein, der das Herz des Menschen erfreut“ (Ps 104,14f).

Im Blick auf die große Wertschätzung des Weinbaues in den Büchern der Bibel ist es nicht verwunderlich, dass rabbinische Deutungen auch im „Baum des Lebens“, den JHWH in der Mitte des Paradieses wachsen ließ, einen besonderen Weinstock erkannten. Eine rabbinische Legende sieht in Noachs neu beginnender Weinkultur etwas vom Paradies, das uns Menschen nie ganz verlassen hat: „Noach fand einen von den Wassern mitgerissenen Weinstock, der aus dem Garten Eden stammte. Die Trauben waren am Stiel. Er aß davon, und sein Herz erfreute sich. Er pflanzte einen Weinberg damit, der brachte Früchte hervor und wurde reif am selben Tag“ (Pirque des Rabbi Elieser, Kap. XXIII).



DIE SÖHNE DES NOACH

Wenn Noach einen Weinberg pflanzte, so kann das als Versuch verstanden werden, an das verlorene Paradies anzuknüpfen oder wenigstens daran denken zu lassen. Für den Weinstock der Messiaszeit haben Rabbinen ja auch schon großzügige Dimensionen vorausgesehen!

In der Noach-Erzählung und der Freude über den Neubeginn des Weinbaues gibt es auch eine Enttäuschung, nämlich die Trunkenheit des Noach, der entblößt in seinem Zelt liegt (Gen 9,21). Der biblische Schriftsteller war wohl überzeugt, dass Noach über die Wirkung des Weines noch nicht Bescheid wusste und sie anscheinend nicht kannte. Es wird ja auch nicht erwähnt, dass Noach Rebstöcke oder Traubenkerne mit auf die Arche genommen hätte.

Die Trunkenheit Noachs ist hier nicht als Warnung vor unmäßigem Alkoholgenuss zu werten. Es geht um das Verhalten von Noachs Söhnen. Während Sem und Jafet die Blöße des Vaters bedecken, macht Ham – von dem die Kanaaniter abstammen – diese peinliche Begebenheit in der Öffentlichkeit bekannt (Gen 9,22). Deswegen trifft ihn, d.h. seine Nachkommen, der Fluch – weil sie in Zukunft wie der Urahn handeln. Wir sehen, dass hier nicht mehr vom Weinbau und dem Rebsaft die Rede ist, sondern das spätere Verhalten der Völker gedeutet wird.



AUSSERBIBLISCHE ERZÄHLUNGEN

In den Sinfluterzählungen außerhalb der Bibel, wie z.B. im babylonischen Gilgamesch-Epos (um 1000 v. Chr.), spielen Wein und Weinbau auch eine besondere Rolle. Gilgamesch sucht nach dem ewigen Leben und im Reich der Sonne stößt er auf einen verzauberten Weinberg, dem die Fähigkeit eigen ist, Unsterblichkeit zu spenden.

Noach ist als „erster Winzer“ in unserem Kulturkreis fast jedem bekannt, wie das Dialekt-Lied beweist: „Der Adam hat Liab aufbracht, und der Noach den Wein. Der David des Zittern spüln, dürft a Steirer g’west sein.“



DER PRIESTER-KÖNIG MELCHISEDEK

Nach einem erfolgreichen militärischen Einsatz, in dem Abram (er hieß damals noch nicht Abraham) seinen Neffen Lot samt Großfamilie befreit, erscheint, ohne vorher jemals erwähnt zu werden, Melchisedek, um zu opfern und den Sieg zu feiern: „Melchisedek, der König von Salem, brachte Brot und Wein heraus. Er war Priester des Höchsten Gottes. Er segnete Abram und sagte: Gesegnet sei Abram vom höchsten Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, und gepriesen sei der Höchste Gott, der deine Feinde an dich ausgeliefert hat. Darauf gab ihm Abram den Zehnten von allem“ (Gen 14,18-20).

Die Begegnung mit dem Priester-König Melchisedek hat in der christlichen Auslegungsgeschichte eine besondere Bedeutung erlangt. Der messianische Psalm 110, der von Christus selbst zitiert wird und auf den sich auch der Hebräerbrief beruft, sagt dem auf Zion eingesetzten Gott-König in einem Schwur zu: „Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks“ (Ps 110,4).



VORAUSBILD CHRISTI

Für den Verfasser des Hebräerbriefes ist der nicht israelitische, aber von Gott eingesetzte Priester-König Melchisedek das Voraus-Bild des Priestertums Christi (vgl. Hebr 5,1-6; 6,20; 7,1-3). Melchisedek opfert „Brot und Wein“ und nicht Fleisch von Opfertieren, wie das die spätere aaronitische Tradition im Tempel verlangte. Das Opfer kommt ohne Opfertiere aus und ist unblutig: „Brot und Wein“ stehen für die Sorge Gottes um den Menschen. Sie sind Zeichen für die Lebenskraft und die Freude am Leben.

Mindestens seit dem fünften Jahrhundert hat die Kirche im Kanon der Messe des lateinischen Ritus das Gedenken an das Priestertum des „heiligen Melchisedek“, wie ihn die Römische Synode von 860 nennt. Fast in allen Riten der Ostkirche wird er ebenfalls genannt.

Im Ersten Eucharistischen Hochgebet wird nach der Wandlung, im Blick auf die eucharistischen Gaben, vom Priester gesprochen: „Blicke versöhnt und gütig darauf nieder und nimm sie an, wie einst die Gaben deines gerechten Dieners Abel, wie das Opfer unseres Vaters Abraham, wie die heilige Gabe, das reine Opfer deines Hohenpriesters Melchisedek.“





GESCHICHTE DES WEINBAUES

Wahrscheinlich gab es den Wein als alkoholisches Getränk zuerst einmal überall dort, wo der Mensch auf Wildreben traf und mit ihnen umzugehen lernte. Man kann sagen, dass die Auswahl der Wildreben-Sorten und deren Kultivierung jeweils am Anfang einer Zivilisation stand, wie die Zeugnisse aus alter Zeit beweisen.

Die Ursprünge der Weinkultur sind in Asien zu suchen. Funde von Weinkernen machte man in der Umgebung von Damaskus, wo man vor einigen Jahren auf eine 8000 Jahre alte Frucht- und Traubenpresse stieß. Weinkerne wurden im heutigen Armenien und Georgien gefunden. Diese Region gilt heute als Geburtsstätte des Weinbaues.

Der altägyptische König Tut-ench-amun (ca. 1332 bis 1323 v. Chr.) erhielt als Grabbeigabe fünfzig Amphoren mit Wein. Schon damals kannte man verschiedene Rebsorten. Schließlich finden wir frühe Zeugnisse vom Weinbau im Alten Testament.

GRIECHEN UND RÖMER

In der griechischen Mythologie ist Dionysos, der Sohn des Zeus, der Gott des Weinstockes. Er hat die Weinkultur in die Welt gebracht und die Menschen den Weingenuss gelehrt. Von dionysischer Stimmung sprechen wir heute noch. Aus griechischer Zeit kennen wir zahlreiche Darstellungen des Weinbaues und der Weinbereitung.

Wo getrunken und gefeiert wurde, ließ sich alsbald auch der erste Mahner in Sachen Mäßigung hören. Hippokrates, der Vater der ärztlichen Wissenschaft, fordert im fünften Jahrhundert vor Christus seine Mitbürger auf, beim Weingenuss nicht über die Stränge zu schlagen.

Die Griechen waren es auch, die etwa ab 500 v. Chr. das Wissen vom Weinbau nach Westeuropa brachten. Die Römer verhalfen dem Weinbau in den letzten beiden Jahrhunderten vor Christus zu weiter Verbreitung. Sie selbst hatten die Kenntnisse über die Etrusker von den Griechen übernommen.






Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016