Die Marianische Initiative

22. September 2011 | von

„Miliz der Immaculata“ nannte der junge Minoritenpater Maximilian Maria Kolbe die Vereinigung, die er zusammen mit einigen gleichgesinnten Mitbrüdern am 16. Oktober 1917 in Rom gründete. Ort war das internationale Studienhaus der Franziskaner-Minoriten in der Via San Teodoro 42, direkt neben dem Forum Romanum. Was ist aus diesen kleinen Anfängen geworden?







Man schreibt den 16. Oktober 1917. Ein junger Mann im schwarzen Ordenskleid lenkt eilig seine Schritte in Richtung des Internationalen Kollegs der Minderbrüder-Konventualen in Rom. Bereits seit Anfang des Jahres reift in ihm der Gedanke, eine marianische Vereinigung zu gründen. Heute will er sein Vorhaben in die Tat umsetzen und zusammen mit sechs anderen Brüdern die Bewegung „Militia Immaculatae“ gründen, zu Deutsch „Die Miliz der Immaculata“, abgekürzt M.I. Der zu diesem Zeitpunkt 23-jährige Initiator der Zusammenkunft hieß mit weltlichem Namen Raymund Kolbe, stammte aus Polen und war seit 1910 Mitglied des Ordens der Minderbrüder. Sein Ordensname, unter dem er am 10. Oktober 1982 von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen wurde, lautet: Maximilian Maria.



Bewegt von seiner tiefen Liebe zur Immaculata war es Kolbes Absicht, „eine globale Vision katholischen Lebens in neuer Form, bestehend in der Verbundenheit mit der Immaculata, unserer universalen Mittlerin bei Jesus“ zu präsentieren, so lauten seine Worte. Letztlich ging es ihm darum, die Welt für Christus zu gewinnen – die Welt zu einer christlichen Welt umzugestalten.

Nach seiner Priesterweihe im Jahre 1919 kehrte Maximilian Maria Kolbe in sein Heimatland zurück. Neben seiner Tätigkeit als Dozent für Kirchengeschichte am ordenseigenen Seminar in Krakau kümmerte er sich intensiv um die Weiterentwicklung seiner M.I. Eine Tuberkuloseerkrankung zwang den jungen Priester zu einer fast einjährigen Pause.



DIE MODERNSTEN MEDIEN

Wieder einigermaßen genesen, widmete er sich entschlossener denn je der Verwirklichung verschiedener Projekte im Sinne seiner Bewegung, der Eroberung der Welt für Christus. Pater Kolbe gründete zur Verbreitung der Ideen der M.I. und zur Kontaktpflege der Mitglieder eine eigene Zeitschrift: „Rycerz Niepokalanej“ („Ritter der Immaculata“). Im Oktober 1927 begannen die Bauarbeiten für die Klosterstadt Niepokalanów, der „Stadt der Immaculata“, in der Nähe von Warschau. Auch in Japan, das er mit vier weiteren Brüdern ab Februar 1930 bereiste, gründete er in der Folgezeit eine Klosterstadt und publizierte eine Zeitschrift in der Landessprache. Nach seiner Rückkehr wurde Pater Kolbe 1933 beim polnischen Provinzkapitel als M.I.-Beauftragter auf Weltebene bestätigt. Drei Jahre später, am 8. Oktober 1936, weihte sich die Ordensgemeinschaft der Franziskaner-Minoriten der Immaculata.

Printmedien spielten von Anfang an eine wichtige Rolle bei der Expansion der M.I. Dabei kamen die modernsten Druckmaschinen zum Einsatz. Neben den Printmedien stellte Kolbe ab

Dezember 1938 auch das Radio in den Dienst der Verkündigung. Der Herbst des Jahres 1939 setzt eine erste dramatische Zäsur: Am 19. September wird Pater Kolbe mit einigen Mitbrüdern von deutschen Soldaten, die verwüstend in die Klosterstadt eindringen, in ein Arbeitslager deportiert. Zwar nach kurzer Zeit wieder freigelassen, wird er im Februar 1941 durch die Gestapo erneut festgenommen und ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert.

Im Juli desselben Jahres geht er freiwillig für einen unschuldigen Familienvater in den Hungerbunker und stirbt am 14. August 1941 durch eine Giftinjektion. Mit vielen Feiern wurde an diesen Tag vor 70 Jahren erinnert.

Der Tod Pater Kolbes setzte der Entwicklung der M.I. jedoch kein Ende. Heute zählt die Bewegung, die landesspezifisch verschiedene Bezeichnungen annehmen kann, weltweit mehr als drei Millionen Mitglieder und ist in 48 Ländern der Welt, in Afrika, Asien, Europa, Nordamerika, Ozeanien und Südamerika vertreten. In Deutschland wirkt sie unter dem Namen „Marianische Initiative – P. Kolbe (M.I.)“.



WELTEROBERUNG ALS ZIEL

In tiefer Verbundenheit mit der Immaculata strebt die M.I. danach, die Welt für Christus zu gewinnen, indem sie alle anspornt, sich in den Dienst der Immaculata als Mutter der Kirche zu stellen. Wer zu diesem Vorhaben beitragen will, muss bei sich anfangen. Dazu sind alle Christen – Priester, Laien, Ordensleute oder kontemplative Menschen – im gleichen Maß berufen. Kolbe fordert in diesem Zusammenhang auf: „Lassen wir uns doch durch Maria führen, damit wir durch sie Jesus ähnlicher werden.“ Doch der Mensch schafft diese Entwicklung nicht aus eigener Kraft: „Darum muss er sich selbst immer mehr der Immaculata nähern, um von ihr reiche Gnaden zu empfangen zu immer vollkommenerer praktischer Liebe Gottes in jedem Augenblick des täglichen Lebens.“



WEIHE AN MARIA

Angelpunkt der Spiritualität und geistlichen Formung der M.I. ist die Weihe an Maria. Zu diesem Schritt muss man nicht ins Kloster eintreten. Die Weihe als Ausdruck gänzlicher Annäherung und Hingabe an Maria kann sich an jedem denkbaren Ort in der individuellen Lebenswelt vollziehen. Das dazu gesprochene Weihegebet lautet:

Du makellose Jungfrau, meine Mutter, Maria. Ich erneuere heute und für immer meine Ganzhingabe an dich, damit du zum Wohle der Seelen über mich verfügen kannst. Nur darum bitte ich dich, du meine Königin und Mutter der Kirche, dass ich an deiner Sendung für die Ankunft des Reiches Jesu in der Welt treu mitarbeite. So biete ich dir dar, o unbeflecktes Herz Mariä, mein Beten, mein Tun und die Opfer dieses Tages.

O Maria, ohne Sünde empfangen, bitte für uns, die wir uns dir anvertrauen, und für alle, die sich dir nicht anvertrauen, besonders für die Feinde der heiligen Kirche, und für alle, die dir anempfohlen sind.

Wer diesen Schritt tut, steht mit seinem unvollkommenen Tun nicht mehr allein vor Gott. Er darf vielmehr auf die Hilfe und Fürsprache Marias, in deren Dienst er sich gestellt hat, vertrauen.

Einen wichtigen Platz in der M.I. haben Menschen, die leiden. Ihre Weihehingabe an die Immaculata durch Aufopferung ihrer eigenen Leiden lässt den gesamten Verein am Erlösungsmysterium Christi teilhaben und erneuert den missionarischen Impuls.

Als äußeres Zeichen der gänzlichen Hingabe an die Immaculata und auf das Vertrauen auf ihr mütterliches Herz, ist es ein schöner, vom heiligen Pater Kolbe empfohlener Brauch, die „Wunderbare Medaille“ bei sich zu tragen. Die „Wunderbare Medaille“ bezieht sich auf die Erscheinung der Gottesmutter am 27. November 1830, die der heiligen Schwester Katharina Labouré aus dem Orden des heiligen Vinzenz von Paul zuteil wurde.



WELTWEITE ORGANISATION

Die Rechtsnatur der Vereinigung hat sich seit ihren Anfängen mehrfach gewandelt. In der Gründungsphase ist die M.I. eine private Vereinigung, da sie jeder offiziellen Anerkennung der kirchlichen Autorität entbehrt. Schon wenige Jahre später, am 2. Januar 1922, ändert sich dieser Status. Die M.I. wird als „fromme Vereinigung“ (Pia Unio) diözesanen Rechts mit eigener Satzung bestätigt. Ab 23. April 1927 erwirbt die M.I. das Aggregationsrecht über andere Institute, die Phase der Pia Unio Primaria beginnt. Zwischen 1975 und 1997 kommt es erneut zu juristischen Veränderungen, die zu einer Änderung der rechtlichen Natur führen. Die Approbation der Statuten von Seiten des Päpstlichen Rats für die Laien entspricht einer indirekten Approbation der Vereinigung, womit die Zuständigkeit in ihren Belangen dem Heiligen Stuhl zuerkannt wird.

Derzeit, d. h. seit dem 17. Oktober 1997, ist die M.I. eine öffentliche kirchliche Vereinigung päpstlichen Rechts mit internationalem Charakter. Sie ist eine gemischte Vereinigung, insoweit Kleriker und Laien darin gemeinsam wirken, und wird nach Maßgabe der Canones 312–320 des Codex Iuris Canonici, der Direktiven der Kirche und der Statuten geleitet. Die M.I. erhält ab diesem Zeitpunkt gegenüber dem Orden der Franziskaner-Minoriten den Status der rechtlichen Autonomie.



EINSCHREIBUNG UND ORGANISATIONSGRADE

Hinsichtlich der Organisationsstruktur betrachtet, ist die M.I. ein in sich geschlossener Verein. Die Einschreibung erfolgt mit einem rituellen (Weihehingabe und Übergabe der Wunderbaren Medaille) und einem juridischen Akt (Eintragung in das Vereinsregister). Die M.I. wurde vom heiligen Pater Kolbe so angelegt, dass sie immer und überall tätig werden kann, auch wenn eine Organisation schwierig oder unmöglich werden sollte, um auf allen Ebenen der Gesellschaft wie Sauerteig zu wirken. 

Entsprechend diesem Gedanken lassen sich verschiedene Organisationsgrade unterscheiden. Grad I: entspricht der Bewegung ohne straffe Organisation. Die Mitglieder der M.I. wirken auf dieser Ebene als Einzelne, spontan und entsprechend dem Ursprungsplan des Gründers. Grad II: hier bilden sich Gruppen. Ihre Mitglieder, die sich aus der ersten Stufe ergeben, wirken planvoll zusammen, um bestimmte Ziele im Rahmen des offiziellen Programms zu erreichen. Grad III: auf dieser Stufe entscheiden sich die Mitglieder der M.I., voll und ganz ihr Leben in Hingabe an die Immaculata zu leben: im Apostolat, im Dienst an den Pfarreien, als Einzelner oder in den Gemeinschaften des tätigen oder kontemplativen Lebens. Dieser Grad findet sich typischerweise in den Städten der Immaculata, in den Leitungszentren und in kolbianisch inspirierten Instituten.



LEITUNGSSTRUKTUREN DER M.I.

Die Struktur des Vereins setzt sich, unter geographisch-nationalen Aspekten betrachtet, aus folgenden Elementen zusammen: dem Internationalen Zentrum mit Sitz in Rom; den Nationalen Zentren (in Deutschland: Franziskaner-Minoriten, Würzburg); den Regionalen Zentren und den Filialsitzen mit örtlichen Zentren.

Das Internationale Zentrum, zusammengesetzt aus dem Präsidenten, dem Assistenten und dem Präsidiumsbeirat, übt auf Weltebene eine leitende und koordinierende Funktion in dem Verein aus. Seine Aufgabe ist es, das Ideal und die Lehre des heiligen Pater Kolbe zu stärken und diesbezügliche Projekte im Gleichschritt mit der Kirche zu entwickeln.

Die M.I. verfügt über verschiedene Leitungsorgane mit unterschiedlichen Aufgabenfeldern. Es sind dies im Einzelnen: der Oberste Moderator, die Generalversammlung, der Internationale Präsident und der Präsidiumsbeirat. Als Kontrollorgan der Verwaltung ist das Kollegium der Syndizi eingesetzt.



DIE ROLLE DER FRANZISKANER-MINORITEN

Obgleich die M.I. und der Orden der Franziskaner-Minoriten nunmehr selbständige kirchliche Rechtspersonen sind, so stehen sie doch in einer engen Beziehung zueinander. Sie sind über ein gemeinsames Charisma und eine gemeinsame Geschichte mit Bereichen der Autonomie miteinander verbunden und aufeinander verwiesen. Die Verschränkung zeigt sich etwa in den Konstitutionen und den Generalstatuten des Ordens, aber auch in der Leitungsstruktur, dem Apostolat und der Finanzverwaltung der M.I.

Nach dem Willen des Heiligen Stuhles kommt in diesem Sinne dem Generalminister des Minoritenordens der Erste Vorsitz der M.I. zu. Damit soll zum einen die genaue Interpretation des kolbianischen Charismas garantiert und zum anderen an die historische Bindung der Vereinigung an den Orden erinnert werden.

Die rechtlichen Veränderungen bringen in ihrem Vollzug zwangsläufig eine größere Verantwortung von marianisch und kolbianisch bewegten Laien mit sich, die aufgerufen sind, sich verstärkt in den Bereichen Führung und Leitung zu engagieren. Durch die juridisch angestoßene Entwicklung entsteht eine Reihe neuer Aufgabenfelder, die Herausforderungen für die Zukunft darstellen. Ein solches Feld ist z. B. die Gewinnung und Ausbildung von Laien auf nationaler bzw. internationaler Ebene. Auf der anderen Seite ist der Orden aufgerufen, für die M.I. eine qualifizierte geistliche Begleitung sicherzustellen und Ordensbrüder in diesem Sinne auszubilden. Des Weiteren gilt es, Formen der Zusammenarbeit zu kultivieren, die geprägt sind von Respekt für die gegenseitige rechtliche Selbständigkeit.

Im konstruktiven Zusammenwirken und der Pflege des franziskanisch-historischen Bandes zwischen dem Minoritenorden und der M.I. liegt der Schlüssel zum fruchtbringenden Weiterwirken des kolbianischen Charismas, das hilft, auch schwierigen Situationen standzuhalten und in der Liebe zur Gottesmutter Kraft und Hoffnung zu finden.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016