Die Nächstenliebe im Fokus

15. Dezember 2025 | von

In der Aufzählung der vatikanischen Behörden rangiert das „Dikasterium für den Dienst der Nächstenliebe“ an dritter Stelle. Was zu seinen Aufgaben gehört, beleuchtet der folgende Beitrag. 

Mit dem Ministerium für Liebe aus George Orwells dystopischem Roman „1984“ hat das Dikasterium für den Dienst der Nächstenliebe allenfalls eine gewisse Namens­ähnlichkeit. Ansonsten wird die vatikanische Behörde ihrem Namen sicherlich deutlich mehr gerecht als Orwells Ministerium, das für die Haft- und Folterlager und die politischen Gefangenen („Gedankenverbrecher“) zuständig ist und für Liebe sicherlich nur wenig Platz hat. 

Nächstenliebe vornedran
In der päpstlichen Konstitution „Praedicate Evangelium“ folgt das Nächstenliebe-Dikasterium direkt auf das in der letzten Ausgabe vorgestellte Dikasterium für die Glaubenslehre. In den Artikeln 79 bis 81 werden die Aufgaben näher beschrieben. Es wird festgestellt: „Das Dikasterium für den Dienst der Nächstenliebe, das auch Päpstlicher Wohltätigkeitsdienst genannt wird, ist ein besonderer Ausdruck der Barmherzigkeit. Ausgehend von der Option für die Armen, die Schwachen und die Ausgeschlossenen führt es im Namen des Papstes, der im Falle besonderer Not oder anderer Notwendigkeiten persönlich über die zu leistende Hilfe entscheidet, in allen Teilen der Welt das Werk der Unterstützung und Hilfeleistung zu ihren Gunsten durch.“ Hier werden also keine Staatsangelegenheiten verwaltet, keine Missionsprojekte gestartet oder Glaubensfragen diskutiert, es geht vielmehr ganz konkret darum, zu helfen, wo Not ist. 

Urkunden als Einnahmequelle
Wer Meldungen des Vatikans regelmäßig verfolgt, war vor einigen Wochen vielleicht ein wenig überrascht, als es Ende Oktober plötzlich hieß, dass die Bestellung päpstlicher Segens­urkunden eingeschränkt werden müsse: Die Nachfrage ist zu groß! Zu besonderen Anlässen wie Taufe, Erstkommunion, Hochzeit oder Priesterweihe kann man sich nämlich einen Segen von Papst Leo XIV. erbitten. Dieser Segen ist grundsätzlich kostenlos, allerdings fallen Gebühren für Material und Versand an. Offensichtlich haben so viele Menschen Interesse an einem Segen des neuen Papstes für zu Hause, dass die elf Kalligrafen, die mit den Segensurkunden beauftragt sind, völlig überfordert waren. Das normale Monatspensum von 12.000-15.000 Dokumenten wurde wohl mehrfach deutlich überschritten. 
Was nun Nächstenliebe und päpstliche Segen miteinander zu tun haben? Verantwortlich ist dasselbe Dikasterium. Der Präfekt trägt auch den Titel „Almosenpfleger Seiner Heiligkeit“ und hat gemäß Kurienverfassung „die Befugnis, den Apostolischen Segen durch ordnungsgemäß beglaubigte Urkunden auf Pergamentpapier zu erteilen.“ (Art. 81 §2) Die Überschüsse, die damit verdient werden, kommen den karitativen Tätigkeiten des Papstes zugute.

Voller Einsatz für die Armen
Verantwortlich für das Dikasterium ist der Präfekt Konrad Kardinal Krajewski, Jahrgang 1963. Der gebürtige Pole lebt schon seit 1998 in Rom, zunächst als Zeremoniar bei päpstlichen Gottesdiensten. Im August 2013 ernannte ihn der damalige Papst Franziskus zum Päpstlichen Almosenier. Eine der Besonderheiten dieser Aufgabe: Im Gegensatz zu den meisten anderen kurialen Leitungsdiensten erlischt das Amt beim Tod des Papstes und in der Zeit der Sedisvakanz nicht. Papst Franziskus wollte deutlich machen: Den Armen wird weiterhin geholfen!
Und wie wörtlich Kardinal Krajewski das nimmt, wurde im Mai 2019 deutlich. In einem von Obdachlosen besetzten Gebäude in der Nähe der Kirche Santa Croce di Gerusalemme stieg er selbst in den Verteilerschacht, entfernte Sicherungsplomben und reaktivierte damit die stillgelegte Stromversorgung. Er handelte sich damit einigen Ärger ein und wurde vom Netzbetreiber wegen Stromdiebstahl angezeigt. Doch der „Robin Hood des Vatikan“, wie er in den Medien gelegentlich genannt wird, stellt die Option für die Armen an die erste Stelle. In der Nähe des Petersplatzes ließ er Duschen und einen Friseursalon für Obdachlose errichten. Er selbst ist immer wieder mittendrin, wenn Hilfsgüter an Bedürftige verteilt werden. Zu den Initiativen der jüngeren Zeit gehört auch eine 2015 auf Veranlassung von Papst Franziskus eröffnete Arztpraxis „Madre di Misericordia“. Sie befindet sich auf der rechten Seite des Petersplatzes unter den Kolonnaden und behandelt von Montag bis Samstag mittellose Patienten, jährlich etwa 8.500 Personen aus 132 Ländern. 82 Mitarbeitende stehen stundenweise für diesen Dienst der Nächstenliebe zur Verfügung – von der Sprechstundenhilfe bis hin zum Facharzt. Die Praxis verfügt außerdem über einige Fahrzeuge, mit denen medizinische Hilfe bis in die Randgebiete der Stadt gebracht werden kann. Ganz konkrete Zeichen der Nächstenliebe, die da von der Kirche gesetzt werden – und die deutlich machen, dass es auch in der Kurie um den Menschen geht und nicht nur um bloße Bürokratie.

Unter www.elemosineria.va können auch in deutscher Sprache Segensurkunden des Papstes bestellt werden. Wenn der Andrang groß ist, muss man mit einiger Wartezeit rechnen. Wer Versandkosten sparen will, kann die päpstlichen Segen auch persönlich im Vatikan abholen. 

Zuletzt aktualisiert: 15. Dezember 2025
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