Durch das Dunkel zum Licht

01. Januar 1900 | von

Das Kontrastsymbol Licht - Finsternis begegnet uns immer wieder in der biblischen Offenbarung. Das Thema wird bereits im Schöpfungsbericht angestimmt - Gott scheidet das Licht von der Finsternis:
Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, daß das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis, und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend, und es wurde Morgen: erster Tag(Gen 1,3-5).
Licht und Finsternis - auf dem Weg des Menschen mit Gott taucht das Begriffspaar immer wieder auf, bis schließlich in der neuen Schöfung Gott selbst das Licht sein wird:

Die Stadt braucht weder Sonne noch Mond, die ihr leuchten. Denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm (Offb 21,23).

Licht und Finsternis. Das geschaffene Licht, das in dieser Welt mit dem Schatten der Nacht wechselt, weist auf jenes ungeschaffene Licht hin, das keinen Untergang kennt, weil es Gott selbst ist. Die Geschichte, die sich in der Zwischenzeit abspielt, ist beherrscht von einer Auseinandersetzung, in der Licht und Finsternis einander gegenüberstehen. Der Gegensatz ist gleichbedeutend mit dem zwischen Leben und Tod. Weg und Zukunft des Menschen werden in Worten des Lichtes und der Finsternis wie in solchen des Lebens und des Todes umschrieben. Über das Verhältnis Gottes zu uns Menschen wird in dieser Symbolsprache ganz Wesentliches ausgesagt: Dem Menschen ist es nicht möglich, durch das Dunkel zum Licht Gottes vorzudringen, Gott aber ist es möglich, unsere Dunkelheit zu durchdringen. - Der Herr macht meine Finsternis hell (Ps 18,29).

Sprachbilder. Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht, sagen wir und meinen damit tiefgründige Unterschiede und Gegensätze in unserem Leben. In einem feinen Sprachunterschied sagen wir, daß die Nacht hereinbricht und der Tag anbricht. Etwas, das über uns hereinbricht, bestimmt uns, es kann uns bedrücken, es zeigt uns letztlich unsere geschöpfliche Ohnmacht. Es gibt Dunkelheiten, die so schwer auf dem Menschen lasten, daß sie ihn umnachten. Umgekehrt kann schon ein wenig Licht vieles zum Guten wenden. In verschiedenen Redewendungen drücken wir diese glückliche Erfahrung aus: Licht ins Dunkel bringen oder ein Licht geht mir auf.

Gabe Gottes. Ein Relief auf dem Tempel des Sonnengottes Aton in Amarna zeigt Pharao Echnaton mit seiner Familie der Sonnenscheibe opfernd. Die Sonnenstrahlen haben Hände, die das schöpferische und lebensspendende Wirken Gottes zeichenhaft darstellen. Der Glaube Israels hat die Identifizierung der Sonne mit dem Bundesgott JHWH abgelehnt. Der Schöpfer ist nicht mit seinen Geschöpfen, so herrlich und gut sie sind, gleichzusetzen. Die biblischen Schriftsteller haben die Sonnensymbolik für JHWH reichlich verwendet. Doch sprechen sie vom Licht, während die Sonne meistens nicht genannt wird. Sie wollten sich bewußt vom Sonnenkult der Nachbarvölker absetzen. Gott hüllt sich in das Licht, wie in ein Gewand (Ps 104,2).
Gott ist der Spender des Lebens. Das Licht symbolisiert diese Gabe Gottes, die allen Geschöpfen das Leben schenkt und bewahrt. Die Erfahrung mit dem leben-liebenden Gott bringt der Beter in Psalm 36 in kräftigen Bildern zum Ausdruck:

Die Menschen bergen sich im Schatten deiner Flügel, sie laben sich am Reichtum deines Hauses, .........
Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht schauen wir das Licht. (Ps 36,8-10)

In dem rätselhaften Satz in deinem Licht schauen wir das Licht (V.10) ist das erstgenannte Licht sein uns zugewandtes Angesicht. Durch seine Freundlichkeit leben wir. Das zweitgenannte Licht ist unser Leben, wie der Ausdruck Licht des Lebens nahelegt.
Das von Gott geschenkte Licht bedeutet mehr als die bloße Existenz, sondern ein von Lebensminderungen befreites Leben, das sich von der Güte Gottes anrühren läßt.

Die im Dunkel sitzen. In einem der Lieder vom Gottes-Knecht (Jes 42,1-7), aus der Zeit des babylonischen Exils, lesen wir, daß JHWH seinen Knecht dazu bestimmt: der Bund für sein Volk und das Licht für die Völker zu sein: blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und alle, die im Dunkel sitzen, aus ihrer Haft zu befreien (Jes 42,6f). Das Exil, die Unfreiheit und Hoffnungslosigkeit Israels ist nur ein Bild für die Situation, in der sich auch die anderen Völker befinden, die wie Israel erlösungsbedürftig sind. Über Israel hinaus will Gott sein Heil grenzenlos machen, und er will es durch seinen Knecht verwirklichen, den er zum Licht der Völker macht. Das Licht ist hier Symbol einer neuen Lebenswirklichkeit, die den Menschen befreit und der gegenseitigen Unterdrückung ein Ende bereitet. - Dem greisen Simeon ist geoffenbart worden, daß jene Heilsverheißung sich jetzt zu erfüllen beginnt. Im Blick auf das Kind Jesu preist er Gott: .... meine Augen haben das Heil gesehen, was du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für den Volk Israel (Lk 2,30-32).

Gottes Kommen zu seinem Volk ist nicht nur ein lichtvolles Geschenk, das untätig zu erwarten ist. Das Licht ist auch Bild für den Wesenszug Gottes, der Gerechtigkeit heißt. Dem Gottesvolk wird im Bild des Lichtes Heil zugesagt, wenn es Gerechtigkeit im Sinne Gottes übt und sich um die gesellschaftlich Benachteiligten kümmert: Wenn du der Unterdrückung bei dir ein Ende machst, auf keinen mit dem Finger zeigst und niemanden verleumdest, dem Hungrigen dein Brot reichst und den Darbenden satt machst, dann geht im Dunkel dein Licht auf und deine Finsternis wird hell wie der Mittag (Jes 58,9f).
Das Licht der Gottesnähe und der Gott entsprechenden Lebensweise übt eine ungeheure Anziehungskraft aus. Die Völker geraten in Bewegung, sie verlassen die Dunkelheit, die auf ihnen lastet und ziehen hinauf zum Berg des Herrn (vgl. Jes 2,2ff). Die Völkerwallfahrt zum Zion, zur Gemeinde JHWHs, die berufen ist, das Licht an alle Menschen weiterzugeben, ist eine Vision, die im Jesaja-Buch mehrfach entfaltet wird.

Kinder des Lichts. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht ein Licht an und stellt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen (Mt 5,14-16). Den Jüngern Jesu ist aufgetragen, die Stadt auf dem Berg zu sein, und durch die neue Lebensform nach der Bergpredigt zur Orientierung für ihre Mitmenschen zu werden. Jesu Worte klingen zwar nüchterner als die Heilsverheißungen der Völkerwallfahrt bei Jesaja, sie greifen dieses Thema aber unverkennbar auf. In den Briefen des Apostels Paulus werden die Christen immer wieder daran erinnert, daß sie durch die Taufe zu Kindern des Lichtes geworden sind.
Denn einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr duch den Herrn Licht geworden. Lebt als Kinder des Lichtes. Das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor (Eph 5,8). Es ist nicht verwunderlich, daß die Taufe in den Anfängen der Kirche als Erleuchtung bezeichnet wurde.

Nacht des Todes. Die Nacht des Verrates - die Nacht der Angst - die Nacht der Gewalt - die Nacht der Verleugnung - die Nacht des Versagens durch die Jünger - die Nacht des Todes - wird zur fast endlosen Nacht, in der die Mächte der Finsternis wirken. Alle Evangelien sind sich darin einig, daß diese Nacht verwandelt wurde. Nachdem der Sabbat vorüber war, gingen drei Frauen zum Grab, und zwar gerade als die Sonne des neuen Tages aufging (Mk 16,3). Der Tag der Auferstehung ist der Tag des aufgehenden Lichtes. Was jetzt geschehen ist, will als neue Schöpfung verstanden werden (vgl. Gen 1,5). Die Gegenüberstellung alte Schöpfung - neue Schöpfung, Adam - Christus ist dem Urchristentum geläufig!

Das wahre Licht. Das Johannes-Evangelium verwendet besonders auffällig die gegensätzlichen Bilder von Licht und Finsternis, Leben und Tod. Der Prolog (Joh 1,1-17) ist ein Hymnus auf das ewige Wort, das Gott in die Welt hineingesprochen hat und das Fleisch geworden ist. Das Verlangen nach Leben und Licht ist dem Menschen vom Schöpfer eingestiftet. Die Schöpfung ist aber in Dunkelheit und Lebens-Verneinung hineingeraten, aus der sie nur Gottes Wort befreien kann (sh. Joh 1,4-5).
Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet ist in konkreter Leiblichkeit erschienen und hat die Glaubenden zu Kindern Gottes und zu Sehenden gemacht. Deswegen kann der Evangelist dieses Zeugnis geben: Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit (Joh 1,14).
Christus spricht die suchenden Menschen an, aber auch jene, deren Glaube verblaßt ist: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben (Joh 8,12).

Letzte Geborgenheit. Der Herr ist dein ewiges Licht (Jes 60,20) so schaut der Prophet Jesaja über diese Weltzeit hinaus auf eine letzte und bleibende Geborgenheit im Licht Gottes. Dieses Ziel darf nicht aus den Augen verloren werden, es gibt den Erdenpilgern Hoffnung. Lebensvollendung ist gemeint, wenn wir für unsere Verstorbenen beten: Herr gib ihnen die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihnen.

 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016