Ehrfurcht vor dem Leben

01. Januar 1900 | von

Wenn ich es als meine Lebensaufgabe betrachte, die Sache der Kranken unter fernen Sternen zu verfechten, berufe ich mich auf die Barmherzigkeit, die Jesus und die Religion befehlen. Ein Satz, der viel aussagt über die lebenslange Triebfeder seines Urhebers, Albert Schweitzer. Dem großen Menschen und Mahner gelang es, im afrikanischen Lambaréné seinen Traum zu verwirklichen. Doch zunächst zu den Grundlagen seiner humanistisch geprägten Lebensaufgabe.

Blendender Start. Albert Schweitzer wird am 14. Januar 1875 in Kaysersberg bei Colmar im Oberelsass als zweites von fünf Kindern geboren. Noch im selben Jahr übersiedelt die Pfarrersfamilie nach Günsbach im Münstertal. Dort verbringt Albert Schweitzer seine Jugend, eine glückliche Zeit, wird er sie später nennen. Vom Vater bekommt er die Liebe zur Musik und zur Bibel vermittelt.
1893 beginnt Schweitzer seines Studien an der Universität von Straßburg. Kühn nahm ich mir vor, Theologie, Philosophie und Musik miteinander zu betreiben. Meine gute Gesundheit, die mir die erforderliche Nachtarbeit erlaubte, machte es mir möglich, diesen Vorsatz durchzuführen. Aber es war doch viel schwieriger, als ich gedacht hatte. 1894 absolviert er einen einjährigen Militärdienst und studiert in seiner Freizeit das Leben und die Lehren Jesu.
Er nimmt Orgel- und Klavierunterricht und studiert Philosophie in Paris und Berlin. 1898 legt er das erste theologische Examen ab. Ein Jahr später veröffentlicht er Kants Philosophie der Religion. Die Dissertation ist auch heute noch ein anerkanntes Werk über einen schwierigen Philosophen. Im gleichen Jahr erhält er ein Predigtamt als Vikar an der Nicolaikirche in Straßburg. Im Jahr 1900 erhält er den Doktortitel in Theologie. Im Alter von 27 Jahren wird er Dozent an der Universität.
Albert Schweitzer genießt bereits zu diesem Zeitpunkt ein hohes Ansehen. Das hat er zum Teil seiner unerschöpflichen Energie zu verdanken. Er scheint ohne jegliche Unterbrechung arbeiten zu können - als Musiker, als Dozent, als Schriftsteller und Theologe. Schweitzer avanciert zum kompetenten Musikkenner und Interpreten Bachs und spielt dessen Werke in ganz Europa.

Im Visier: Afrika. Doch zu dieser Zeit hat der Professor und zweifache Doktor die Weichen längst in eine andere Richtung gestellt. Im Oktober 1905 informiert er seine Eltern und engsten Freunde, dass er Medizin studieren wolle, um später als Arzt nach Zentralafrika zu gehen. Die Überraschung ist groß: Wie kann ein Mann, der solch blendende Erfolge aufzuweisen hat, das alles aufgeben wollen?
Er selbst gibt die Anwort: Den Plan, den ich nun zu verwirklichen übernahm, trug ich schon länger mit mir herum. (...) Es kam mir unfasslich vor, dass ich, wo ich so viele Menschen um mich herum mit Leid und Sorgen ringen sah, ein glückliches Leben führen durfte. Ich musste immer wieder an die denken, deren materielle Umstände oder die Gesundheit solches nicht erlaubten. Bereits 1896 überfiel mich der Gedanke, dass ich das Glück nicht als etwas Selbstverständliches hinnehmen dürfe, sondern auch etwas dafür geben müsse.

Er ist 31 Jahre alt, als er sein siebenjähriges Medizinstudium antritt.
Nach dem Studium macht er in Paris eine Spezialausbildung auf dem Gebiet der Tropenmedizin und heiratet 1912 Helene Bresslau.
Das Ehepaar Schweitzer sammelt Geld für die Errichtung eines Krankenhauses in Afrika. Schweitzer bittet die Pariser Missionsgesellschaft in deren Missionsstation arbeiten zu dürfen. Nach einigem Zögern – die Gesellschaft hält ihn für einen schlechten Christen – wird seine Bewerbung angenommen und das Versprechen abgenommen, den Eingeborenen im Kongo nicht seinen Glauben zu predigen. Im März 1913 bricht das Ehepaar Schweitzer auf, im Gepäck 70 Kisten mit Arzneimitteln.

Lebensaufgabe Urwaldspital. Dies ist der Beginn einer jahrzehntelangen mühevollen Arbeit unter extremen Bedingungen am Tropenspital Lambaréné in Zentralafrika. Die Lebensbedingungen und die feuchte Hitze im Urwald belasten die Gesundheit der beiden. Der erste Weltkrieg unterbricht ihr Werk – sie finden sich bald als Zivilinternierte in Frankreich wieder.

Im Februar 1924 bricht Schweitzer erneut nach Lambaréné auf – ohne seine Frau. Deren Gesundheitszustand verbietet einen weiteren Tropenaufenthalt. Insgesamt macht der Arzt zwischen 1913 und 1948 sieben Afrikareisen. Später folgten - unter anderen Bedingungen - weitere 13 Reisen zwischen 1949 und 1959 während der er das Spital ausbaut.

Faszinierendes Leitbild. Seine Aufenthalte in Europa und Amerika nutzt Schweitzer, um am Kulturleben aktiv teil zu nehmen als Schriftsteller, Referent und an der Orgel – dadurch macht er sich bekannt und vermag Geld für seine Projekte in Afrika zu sammeln.
Seine Erfolge zeichnen sich in großen Ehrungen, darunter der Friedensnobelpreis, aus. Der Mann aus Lambaréné wird plötzlich weltweit berühmt, und viele Presseorgane, auch die amerikanische Zeitschrift Times, küren ihn zum bedeutendsten Menschen der Welt.
Albert Schweitzer wurde zu einem maßgeblichen Vorbild einer ganzen Generation. Sein aufopfernder Dienst faszinierte Millionen von Menschen. Sie folgten seinen humanitären Vorstellungen und seinem Grundsatz: Ehrfurcht vor dem Leben. Tausende von Menschen (nicht nur Ärzte und Krankenschwestern) begannen nach seinem Vorbild den Dienst in Afrika und anderen armen Ländern.
Albert Schweitzer reist 1959 zum letzten Mal nach Afrika und bleibt dort bis zu seinem Tod. Er stirbt am 4. September 1965 im Alter von 90 Jahren. Er ist in Lambaréné begraben.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016