Ein Ausflug in die antonianische Kunst

28. Juli 2017 | von

Literatur über den heiligen Antonius in deutscher Sprache ist dünn gesät. Ein neu erschienenes Werk von Leo Andergassen in italienischer Sprache widmet sich dem Thema: „Die Ikonografie des heiligen Antonius von Padua vom 13. bis zum 16. Jahrhundert in Italien“. Ein sperriger Titel, der aber einiges an Wissenswertem über den Paduaner Heiligen zu Tage bringt. Der Sendbote hat 

P. Luciano Bertazzo, den Direktor des Antonianischen Forschungszentrums in Padua, dazu interviewt.

 

Sendbote: Was hat das Antonianische Forschungszentrum in Padua dazu veranlasst, ein Buch gerade über die Ikonografie des heiligen Antonius herauszugeben?
Das Thema der Ikonografie, also der Bilder und Darstellungsformen einer Persönlichkeit, die im Laufe der Zeit entstehen, ist sehr wichtig, denn es gibt Aufschluss über die Geschichte und die Legenden, die sich um eine Person ranken. Hier geht es vor allem um Kunstgeschichte. Vor allem beim heiligen Antonius, dem ersten franziskanischen Heiligen nach dem heiligen Franziskus, ist die Ikonografie sehr wichtig und umfangreich, und seit ein paar Jahrzehnten gibt es eine Studie und eine interessante kunsthistorische Überlegung zu diesem Thema. Es ist äußerst lohnenswert, sich damit auseinanderzusetzen!

Warum haben Sie entschieden, vor allem den Zeitraum zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert zu beleuchten? 
Das 13. Jahrhundert ist das Jahrhundert, in dem der Heilige gelebt hat und gestorben ist, das heißt, dass die ersten ikonografischen Zeugnisse aus dieser Zeit stammen. Das 16. Jahrhundert ist nicht nur das Jahrhundert, in dem es zur ersten wichtigen Spaltung des franziskanischen Ordens in Konventuale und Observanten (1517) gekommen ist, in diese Zeit fällt auch das Konzil von Trient (1545-1563), nach welchem es zu einer Festigung des Bildnisses des Heiligen kam und sich bestimmte Symbole herauskristallisiert haben, durch die er zweifelsfrei erkannt wird: das Buch, die Lilie und das Jesuskind. Diese drei Elemente sind seit dieser Zeit Fixpunkte der antonianischen Ikonografie, auch wenn sie natürlich in Komposition oder Darstellungsform variieren.

Welche Bücher wurden bisher zur Ikonografie des heiligen Antonius veröffentlicht?
Der gerade erschienene Text ist besonders wichtig, denn er stellt einen wichtigen Schritt für das Studium der Ikonografie des Heiligen dar. Um ehrlich zu sein, wurde es auch schon lange ersehnt, denn die beiden vorausgehenden, bedeutenden Werke zu diesem Thema sind schon älteren Datums. Das erste, ein Text von Conrad de Mandach, stammt aus dem Jahr 1899; der zweite von Vittorio Facchinetti erschien 1928. Das gerade erschienene Werk des Wissenschaftlers Leo Andergassen geht weit über sie hinaus. Es geht ihm nicht darum, alle Darstellungen des heiligen Antonius minutiös zu rekonstruieren, sondern einen unter vielen Aspekten neuen Weg vorzuschlagen. Dabei hat er auch die Unmenge an Untersuchungen, die in der Zwischenzeit gemacht wurden, berücksichtigt: 50 Seiten Bibliografie zeugen von dem Reichtum und dem Interesse, das dieser Thematik entgegengebracht wird. Eines jedoch ist sicher: Wer sich ab heute mit der Ikonografie des heiligen Antonius beschäftigen möchte, kommt an diesem neuen Werk nicht vorbei.

Die Studien der Ikonografie des heiligen Franziskus sind wesentlich umfangreicher als die zum heiligen Antonius. Wie ist das zu erklären? Welches sind die grundlegenden Unterschiede zwischen beiden?
Der Unterschied liegt darin, dass die Faszination des heiligen Franziskus sich sowohl in der entsprechenden Ikonografie als auch in seiner Biografie wiederfindet, während es bei Antonius eine seltsame „Doppelung“ gibt, ein Auseinanderklaffen von Biografie und Ikonografie.
Bis 1317, dem Jahr der Heiligsprechung von Ludwig von Anjou, waren diese beiden die „Stars der Heiligkeit“ des Franziskanerordens, auch deshalb wurden sie oft gemeinsam dargestellt: Einer ist der heilige Ordensgründer, der „Vater“ Franziskus, der andere, Antonius, ist der perfekte Jünger, derjenige, dem es gelungen ist, im Orden einen Schwerpunkt zu setzen, vor allem im Bereich der Predigttätigkeit. Aber Parallelen finden sich auch in den christologischen Bezügen der beiden Heiligen: Franziskus wird oft mit den Stigmata dargestellt, Antonius hat meist das Jesuskind auf dem Arm. In ganz frühen Darstellungen wird Franziskus sogar mit dem Kreuz gezeigt, Antonius hat das Buch, denn er war der Prediger des Wortes Gottes schlechthin. Franziskus wird gezeigt, während er zu den Vögeln predigt, Antonius mit den Fischen. Diese Parallelen ziehen sich durch die gesamte Geschichte der Ikonografie der beiden Heiligen.       
Es gibt jedoch einen Grund dafür, warum es mehr Bilder vom heiligen Franziskus gibt, die deshalb natürlich auch mehr untersucht werden konnten. Franziskus wurde unter der Erde bestattet, und lange Zeit war es nicht einmal möglich, sein Grab zu sehen; das führte in Assisi zu einer Flut von Darstellungen, die dazu dienten, sein Leben zu zeigen. Der Leichnam des Antonius jedoch wurde in einem Grabmal bestattet, an sichtbarer und zugänglicher Stelle, was den Gebrauch von Bildern, um sich ihm und der Geschichte seiner Heiligkeit zu nähern, fast überflüssig machte.

Welches sind die Bereiche, in denen die antonianischen Darstellungen am häufigsten auftreten und warum?
Die meisten Darstellungen finden sich an franziskanischen Orten. Meist handelt es sich um Bilder, die Geschichten zeigen, die leicht anhand einer Katechese zu verstehen sind. Einen großen Anklang finden antonianische Darstellungen besonders in den kirchlichen Kreisen, die sich auf die franziskanische Observanz berufen, denn dort wird vor allem die Figur des Antonius als Prediger hervorgehoben, der in der Lage war, das Wort auf ganz neue Art zu interpretieren. In diesen Kreisen stellt Antonius zusammen mit Bernhardin von Siena das Verbindungsglied zwischen dem Alten und dem Neuen dar. Es gibt ein Bild aus der Antonius-Basilika, das aktuell im Antonianischen Museum zu sehen ist, das genau dieses zum Ausdruck bringt: Es handelt sich um das Lünettenbild, das von Andreas Mantegna im Jahr 1452 geschaffen und sich (heute in Kopie) über dem Portal des Heiligtums befindet. Dieses Fresko sagt uns, dass die Pilger hier von zwei Heiligen empfangen werden, die beide damit beschäftigt sind, mit ihren Worten die Zentralität von Christus – dargestellt zwischen den beiden durch ein von Flammen umgebenes Christusmonogramm – anzeigen: Antonius, dem heiligen neuen Prediger erster franziskanischer Generation, und Bernhardin (der auf dem Vorplatz der Basilika im Jahr 1444 gepredigt hatte), dem Heiligen der zweiten, erneuerten franziskanischen Predigtkultur.

Gibt es auch eine zeitgenössische antonianische Ikonografie?
Ja, und zwar ist sie viel umfangreicher, als man glauben mag. Man muss nur an den Freskenzyklus denken, den Pietro Annigoni in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts für die Basilika in Padua geschaffen hat. Generell ist diese Form gekennzeichnet von einer Rückkehr zu den klassischen Hauptthemen: Das Treffen mit dem Tyrann Ezzelino, die Fischpredigt, Antonius als Prediger… Natürlich fehlen nie die typischen antonianischen Elemente wie Buch, Lilie und Jesuskind. Diesen werden jedoch neue Symbole hinzugefügt: z. B. das Brot, das bereits im 17. Jahrhundert auftrat und sich auf das bekannte Wunder bezieht, bei dem ein kleiner Junge, Tommaso, von seiner Mutter kurz unbeaufsichtigt, in einen Wasserbottich fällt und ertrinkt und, so will es die Tradition, vom heiligen Antonius wieder zum Leben erweckt wird. Die Mutter schenkte als Zeichen ihrer Dankbarkeit den Armen so viel Brot, wie ihr Sohn wog. Das Brot ist also ein Zeichen für die Nächstenliebe, das auch die heutigen Menschen noch erreicht. Antonius bringt seine Botschaft, die sich mit zwei Worten in „Evangelium und Nächstenliebe“ zusammenfassen lässt, auch weiterhin an den Mann und an die Frau; eine radikal-evangelische Haltung, die zwar anders ist als die des heiligen Franziskus, aber genauso stark. 

Kann man Ihrer Meinung nach also sagen, dass diese ikonografischen Werke das Werk der Evangelisierung des heiligen Antonius unterstützen? 
Wenn diese Bilder so gedeutet und erzählt werden, wie sie zu verstehen sind, unterstützen sie eine Botschaft, die auch heute noch lebendig und wirkmächtig ist. Denken wir nur an die Reliefs in der Grabkapelle, die Episoden aus dem Leben des heiligen Antonius zeigen. An ihnen liest man den Wert der Familie, der guten Beziehungen, der am Evangelium ausgerichteten Lebensentscheidungen ab. Diese Skulpturen sind, neben ihrem künstlerischen Wert, Träger einer wichtigen evangelischen Botschaft. Schauen wir noch einmal auf das Brot. Die Mutter, die den Armen so viel Brot schenkt, wie ihr Sohn wiegt, ist Ausdruck einer Solidarität, aber auch der Freude einer Mutter, die selbst wieder zum Instrument der Güte und Hinwendung zu den anderen wird. Die Bilder des heiligen Antonius anzusehen, bedeutet, kurz gesagt, die Frohe Botschaft einer vor langer Zeit geschehenen Sache, die aber bis heute nachwirkt, zu erfassen.

Zuletzt aktualisiert: 24. September 2017
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