Erst Veloziped, dann Automobil

17. Dezember 2014 | von

In einem Peugeot 407 fuhr Papst Franziskus beim Europaparlament in Straßburg vor. Der Automobilhersteller Armand Peugeot begann mit Zweirädern, Dreirädern und Vierrädern und stieg dann auf richtige Autos um. Doch bis heute sponsert das Unternehmen Peugeot Fahrradrennen.



Vor hundert Jahren, am 2. Januar 1915, verstarb einer der bedeutendsten französischen Industriellen des 19. Jahrhunderts und Gründer des zweitältesten Automobilherstellers der Welt: Armand Peugeot. Auch hundert Jahre nach seinem Tod ist noch sichtbar, wie sein Wirken Europa verändert hat.

Die Familie Peugeot betrieb nachweislich bereits seit dem Jahr 1766 eine Ölmühle im französischen Hérimoncourt, nahe der Schweizer Grenze. Kurz darauf wurde das Unternehmen durch Zukäufe um einige andere Betriebe erweitert, unter anderem um eine Eisengießerei, aus der ein metallverarbeitender Betrieb hervorging. In dieser Manufaktur wurden, angefangen von

Uhrenfedern und Kaffeemühlen bis hin zu Sägeblättern, alle möglichen Artikel aus Metall hergestellt.



DAS FAHRRAD GRAND BI

Der berufliche Weg von Armand war also bereits vorgezeichnet, als er am 26. März 1849 in Hérimontcourt bei Montbéliard (nach anderen Quellen im 7 Kilometer entfernten Valentigney) zur Welt kam. Er sollte in die Führung des Familienbetriebs einsteigen. Nach seiner Schulzeit schloss er die École Centrale ab, Frankreichs bedeutendste Ingenieursschule, und bereiste zum Zwecke weiterer Studien England. Dort sah er etwas, das sein Leben und die gesamte europäische Industriegeschichte einschneidend verändern sollte: einen Vorläufer des Fahrrads.

Auf dem Kontinent hatte es zwar schon Entwicklungen im Fahrradbereich gegeben, zuvorderst wäre wohl die Draisine von 1817 zu nennen. Aber das Fortbewegungsmittel war wieder in Vergessenheit geraten und wegen der Unfallgefahr mancherorts sogar verboten.

Armand Peugeot erkannte das wirtschaftliche Potenzial des Fahrrads, das auch den ärmeren Bevölkerungsschichten, die sich keine Kutschen oder dergleichen leisten konnten, zu mehr Mobilität verhelfen sollte. So begann er, nach Abschluss seiner Studienreisen, mit seinem Cousin Eugène, dem die Leitung der Firma vom gemeinsamen Großvater übertragen worden war, unverzüglich eine Fahrradproduktion einzurichten. Die hergestellten Räder hatten ein großes Vorderrad, an dem die Pedale befestigt waren, und ein kleineres Hinterrad zur Stabilisierung. Deshalb wurden sie auch „Grand Bi“ genannt, also hohe Zweiräder. Experimentiert wurde damals, neben Zweirädern (Bicyclettes), auch mit Tricyclettes und Quadricyclettes.



VELOZIPEDS UND DREIRÄDER

Im Jahr 1882 hatte man die Serienproduktion gestartet, und 1889 verkauften die Gebrüder Peugeot bereits 19.000 Stück ihrer Vélocipèdes (noch heute ist vélo das französische Wort für Fahrrad). Aus dem beschaulichen Familienbetrieb war ein modernes Unternehmen mit Massenproduktion entstanden. Auch an Radrennen, wie dem ab 1891 ausgetragenen Radmarathon Paris-Brest-Paris, nahmen die Peugeot Räder mit großem Erfolg teil, was den Absatz nochmals beflügelte. Bis heute stehen acht Tour de France Siege für die Marke mit dem Löwen zu Buche. Der letzte 1967 durch Roger Pingeon, bei dem Peugeot nicht nur das Material stellte, sondern auch als Hauptsponsor auftrat.

Die erfolgreiche Produktion von Fahrrädern war Armand aber nicht genug. Er begann, mit Dreirädern zu experimentieren, die er zunächst vom Erfinder Léon Serpollet mit Dampfmotoren ausstatten ließ. Diese wurden bei der Weltausstellung 1889 erstmalig der Öffentlichkeit präsentiert und fanden großen Anklang.

Im darauffolgenden Jahr kaufte Armand vom deutschen Automobilhersteller Daimler-Benz einen Benzinmotor und ließ damit einen Prototyp bauen, der auch in Serie ging.



PEUGEOT-BENZINER TYP 14

Parallel zur Lizenzfertigung, die er mit den Stuttgartern verhandelt hatte, gab er auch die Entwicklung eines eigenen Benziners in Auftrag und konnte 1897 den ersten Wagen mit Peugeot-Motor vorstellen. Der Name des Modells war „Typ 14“.

Wie schon beim Fahrrad, setzte Armand auf den Einsatz bei Rennen und Zuverlässigkeitsfahrten, um die Qualität seines Autos unter Beweis zu stellen. Die Siege und Podestplätze bei vielen Grand Prix erwiesen sich als hervorragende Werbestrategie, und der Löwe auf dem Kühler galt alsbald als Gütesiegel. Zuvor hatte er seine eigene Firma gegründet; seinem Cousin Eugène erschien das finanzielle Risiko der Motorenentwicklung als zu hoch für die bestehende Firma.



LASTKRAFTWAGEN UND OMNIBUSSE

Eugène erkannte das Potenzial des Automobils etwas später. Zunächst baute er erfolgreich Motoren in seine Zweiräder ein, womit er ein Pionier der Motorradentwicklung wurde. Dann versuchte er sich mit seinen Söhnen ebenfalls in der Entwicklung von vierrädrigen Gefährten. Die Konkurrenz untereinander führte jedoch dazu, dass man sich gegenseitig Marktanteile streitig machte und Marken wie Renault im Wettbewerb weit vorbei zogen.

1910 wurden die beiden Firmen wieder vereinigt, um auf größere Marktanteile zu kommen. Als sich Armand 1913 aus dem operativen Geschäft zurückzog, produzierte die „Société des Cycles et Automobiles Peugeot“ immerhin 10.000 Autos pro Jahr und war damit zum größten Automobilhersteller Frankreichs geworden. Außerdem stellte die Firma mittlerweile Lastkraftwagen und Omnibusse her, ja versuchte sich gar an Schiffsmotoren, allerdings mit mäßigem Erfolg.

Privat fand Armand Peugeot sein Glück mit seiner Frau Sophie Léonie Fallot, die er 1872 heiratete. Aus der Ehe gingen vier Mädchen und ein Sohn hervor, der jedoch bereits 1896 verstarb. Deswegen ging die Leitung der Firma nach dem Tod von Armand an die Söhne Eugènes. Sie führten das Unternehmen erfolgreich weiter. Die entscheidenden Weichenstellungen aber, die Peugeot zu einem der großen Auto- und Fahrradfabrikanten Europas machten, hatte Armand vorgenommen.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016