Franziskus bei Franziskus

20. September 2013 | von

Kein denkwürdigerer Zeitpunkt als das Hochfest des heiligen Franziskus am 4. Oktober hätte gewählt werden können, um die Ruhestätte des Namenspatrons zu besuchen: Papst Franziskus kommt nach Assisi. Eine Kleinstadt ist in Aufruhr!



Wohin mit den vielen Menschen, haben sich die Minoritenbrüder des Sacro Convento wohl gefragt, als sie die Nachricht erreichte: Papst Franziskus kündigt seinen Besuch für den 4. Oktober an. Jedes Jahr pilgern an diesem Tag Tausende zum Fest des heiligen Franz von Assisi in die kleine Stadt. Schon da kann man sich vor Menschen kaum retten. Die Straßen sind voll, die Hotels ausgebucht, Campingplätze gefüllt. Jetzt wird das alljährlich geordnete Chaos noch gesteigert.

Dieses Jahr hat die eigene Provinz Umbrien die Ehre, das Öl für die Votivlampe zu spenden, und Papst Franziskus persönlich segnet das ewige Licht, das am Grab des Heiligen brennt.



Mit Papstbesuchen kennen sich die Bewohner Assisis aus. Papst Franziskus ist inzwischen der 19. Papst an der Grabstätte, seit im Mai 1228 Gregorio IX. einige Tage in der Stadt verbrachte. Natürlich liegt hier die Besonderheit im Namen. Weil der frisch Gewählte sich Franziskus nannte, steht seine Amtszeit im Licht der großen franziskanischen Themen: Armut, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Jetzt besucht er erstmals in Papstwürden die Geburts- und Wirkungsstätte des Ordensgründers.



Bisher macht er als „moderner“ Franziskus keine schlechte Figur. Im Juli mahnte der Papst beim Treffen mit Seminaristen, Novizen und Novizinnen zur Demut: „Wenn ich einen Priester oder eine Nonne mit dem neuesten Automodell sehe: Das geht nicht!“ Er selbst bleibt authentisch, fährt lieber Fiat statt Mercedes und trägt seine Aktentasche selbst.

Mit Volksnähe und Bescheidenheit kommt Papst Franziskus bei den Gläubigen und in der Presse gut an. Mit der Ernennung eines Kardinalstaatssekretärs hat er erste personelle Weichen im Vatikan gestellt. Die Option, sich auf die Seite der Armen zu stellen, stammt ursprünglich nicht aus seiner Feder. Aktive Solidarität gehört zum Credo des katholischen Glaubens. Er hat sie jedoch zur Chefsache gemacht und ruft das gesellschaftliche Ungleichgewicht ständig ins Bewusstsein der Welt.



Auch in Assisi lenkt er die Aufmerksamkeit auf die Ausgegrenzten. Nur der Anflug mit dem Helikopter bleibt spektakulär. Danach besucht Papst Franziskus kranke und behinderte Kinder im „Istituto Serafico“. Das Festmahl im Sacro Convento mit geladenen Gästen lässt er aus, speist stattdessen mit Armen und Obdachlosen im Caritas-Zentrum nahe der Basilika Santa Maria degli Angeli.

Den heiligen Franziskus hielten seine Zeitgenossen für verrückt, als er öffentlich allen Reichtümern abschwor, noch heute gilt sein extremer Lebenswandel vielen als wahnsinnig. Am Festtag gedenken die Pilger seiner Wundertaten und sind erinnert an die großen Fußstapfen, die der Heilige in der Nachfolge Jesu uns hinterlassen hat. So erscheint der neue Papst nicht nur vor der Kulisse der Basilika und der historischen Altstadt Assisis. Die Messlatte ist hoch angelegt, und es stellt sich die Frage: Wie radikal, wie mutig, wie verrückt muss heute einer sein, um die Armut zu bekämpfen, mehr Frieden zu bewirken und die Kirche wieder aufzubauen?



Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016