Gebt die Hoffnung nicht auf!

20. Juni 2011

Der Minoritenpater Maximilian Maria Kolbe ist wohl der bekannteste Märtyrer der Nächstenliebe aus der NS-Zeit. Vor 70 Jahren, am 14. August 1941, starb er im Hungerbunker von Auschwitz stellvertretend für einen Familien-

vater. Woraus hat er Hoffnung geschöpft dort „in der Hölle“? Erinnern wir uns an die letzten Stationen seines Lebens. Fragen wir, wie von dieser unbändigen Kraft des Standhaltens etwas auf uns überspringen kann in den Bedrängnissen unseres Glaubensalltags heute. Wovon zehren wir, wenn es hart auf hart geht?



13. Februar 1941: Pater Maximilian wird in „seiner“ Pressestadt Niepokalanów verhaftet und mit fünf Patres in den Pawiak, das Gefängnis von Warschau, verfrachtet. 12. Mai 1941: Der eingesperrte Guardian einer enorm gewachsenen Gemeinschaft schreibt an seine Mitbrüder und lenkt deren Blick auf die Immaculata: „Wir versprechen, dass wir uns führen lassen, wohin sie uns führen will. Indem wir heiligmäßig unsere Pflichten erfüllen, können wir dazu beitragen, dass durch ihre Liebe alle Seelen gerettet werden.“ 28. Mai 1941: Viele Geistliche werden Richtung Auschwitz deportiert, Pater Maximilian ermutigt im Gedränge eines Güterwagens nach Augenzeugenberichten: „Gebt die Hoffnung nicht auf!“

Es folgt die bekannte Geschichte der Stellvertretung Anfang August. Der Ordensmann geht in den Hungerbunker für einen Familienvater, der später dessen Selig- und Heiligsprechung in Rom mitfeiern wird. Ist das nicht ein Beispiel, wie zwei christliche Lebensformen, Ehe und Ehelosigkeit, fruchtbar aufeinander bezogen sind? Die Begründung für diesen Akt der Hingabe gegen alles urmenschliche Überlebenwollen, ausgesprochen beim demütigenden Strafappell vor dem Kommandanten Fritsch, lautet: „Ich bin katholischer Priester.“ Die Sterbezelle im Keller wird zum Raum gläubiger Erwartung, verwandelt durch die Gegenwart unseres Mitbruders mit seinem Beten, Singen und Schweigen. Welche innere Freiheit wird offenbar inmitten von zusammengepferchten, erniedrigten Menschen – aus der Kraft göttlicher Liebe! Wer je diese Zelle nachher betritt, steht auf heiligem Boden, am angemessensten im Schweigen!

Als man Pater Maximilian als letztem Überlebenden am Vorabend des Hochfestes Mariä Himmelfahrt 1941 die Todesspritze setzt, sind seine Gesichtszüge „friedvoll und strahlend“. Dieses Geschehen ist nicht ablösbar und nicht verständlich ohne das lebenslange Ringen von Pater Kolbe um die österliche Hoffnung gegen alle Hoffnungslosigkeit.



Jesus und Maria lieben

Die Hoffnung ist nicht nur grammatikalisch weiblich, für Pater Maximilian ist sie es ganz, in der Person Marias. „Maria“ ist auch heute noch das Grußwort in Niepokalanów. Ich höre Sie tief durchatmen und fragen: Sind nicht ureigentlich nur Gott und die Hoffnung verbunden? Beim Propheten Jeremia verheißt allein der Gott Israels Zukunft und Hoffnung (Jer 29). Die Gestalt Jesu zieht die Hoffnungsspur durch den Staub der Straßen Palästinas. Der Gottes- und Menschensohn sucht HoffnungsträgerInnen, die seine Botschaft von der vorbehaltlosen Liebe des Vaters weitertragen an alle Ecken und Enden der Welt und Zeit. Besingen wir ihn nicht zu Recht auf die bekannte Taizémelodie als „meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht, Christus, meine Zuversicht!“?

Die Bedenken gegen die besondere Verehrung der Mutter Jesu als Hoffnungsgestalt kennt unser Heiliger sehr wohl. So schreibt ihm 1935 Bruder Gabriel Siemienski von Polen aus nach Nagasaki (dieser Konvent blieb beim Abwurf der Atombombe unzerstört!): „Es verträgt sich nicht, dass ich gleichzeitig Jesus und Maria liebe.“ Pater Maximilian entgegnet mit einem einfachen Vergleich aus dem Familienleben: „Aber deinen Vater und deine Mutter, dazu noch deine Brüder und Schwestern, die kannst du gleichzeitig lieben? Freilich, unser Ziel ist Gott, die Heiligste Dreifaltigkeit. Das hindert uns aber nicht daran, Gott den Vater als Vater zu lieben, Gottsohn als Gottsohn und den Heiligen Geist eben als den Heiligen Geist, dazu Jesus als unseren Herrn, die Muttergottes als Muttergottes; und darüber hinaus noch unseren leiblichen Vater, die Mutter, die Verwandten, die Engel und alle Heiligen. Selbstverständlich lieben wir sie nicht alle nacheinander, sondern alle miteinander.“



Gottes Wille zu jeder Zeit

Natürlich ist die Marienverehrung von Pater Kolbe nicht ohne eine gewisse Prägung von seiner Ursprungsfamilie her und von seiner Zugehörigkeit zum polnischen Volk mit seiner Liebe zur Schwarzen Madonna zu verstehen. Entscheidend für die innige Beziehung von Pater Kolbe zu Maria, insbesondere zur unbefleckt Empfangenen, scheint mir allerdings seine radikale Überzeugung zu sein, dass Maria ganz und gar den Willen Gottes verwirklicht und damit den Weg zu Gott keineswegs verstellt, sondern dazu antreibt. Wer sich Maria empfiehlt, legt sich Gott in die Hände. Als Horchende und Gehorchende steht sie uns Menschen zur Seite bei diesem lebenslangen Lernprozess der Angleichung menschlichen Willens an den Willen Gottes, dessen tiefstes Ziel die Heiligkeit des Menschen ist. Die Wahrheitssuche bewegt uns im Sinne von Pater Maximilian auf dieses Ziel zu, darin liegt das Glück beschlossen. So heißt es im Brief an Bruder Gabriel weiter: „Das Wesen der Liebe zu Gott liegt niemals im Gefühl, noch im Gedächtnis, noch in den Gedanken, auch nicht in Verstand und Vorstellung, sondern ausschließlich in der Erfüllung des Willens Gottes. Zu jeder Zeit unseres Lebens!“

Gerne würde ich meinen heiliggesprochenen Mitbruder fragen, wie er in seinem Alltag den Willen Gottes erkannt und erspürt hat. Hatte er nicht viele gewichtige Entscheidungen für sich und die vielen ihm Anvertrauten zu fällen? Zur Unterscheidung der Geister helfen uns heute vielleicht unter anderen auch zwei Gedanken zum Innehalten: Kann ich den Herrn meines Lebens über die Schulter meines Tuns und Lassens schauen lassen und seinen Segen dazu erbitten? Zum anderen lehrt geistliche Erfahrung: Weg wird Weg erst im Gehen. Oft kann man erst im Nachhinein erkennen, ob eine Entscheidung tröstlich wirkt und tieferen Herzensfrieden bringt.



Humorvolle Seite

Bei aller Betonung des Willens und dem Hang zu harten Entscheidungen gegen sich und die Mitbrüder als Wesenszug von Pater Kolbe blitzt ab und an auch eine humorvolle Seite auf. Bei der brüderlichen Erholung, Rekreation genannt, wurde er lächelnd fotografiert. Unser Mitbruder Hieronim Jopek hat diesen Schnappschuss auf sein Andenkenbild zur Ewigen Profess aufgenommen. Verbissenheit und Hoffnung passen eben doch nicht zusammen.

Beim Jahrestag des Lebensopfers von Pater Kolbe in Auschwitz werde ich an Bruder Peter Baptist Wild denken, mit dem ich als Student 1982 die Heiligsprechung vor dem Fernseher im Kloster Schönau verfolgte. Er kommentierte wortkarg: „Ich habe Pater Kolbe in Würzburg ministriert, er suchte bei der Firma

Koenig & Bauer die neuesten Druckmaschinen!“ – er sagte es mit Tränen im Gesicht!

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016