Gemalte Dankgebete

18. September 2012

An zahlreichen Gnadenstätten treffen Pilger und Wallfahrerinnen auf eine Ansammlung von sogenannten Votivtafeln. Es sind dies kleinere Gemälde, die nicht gerade von hoher Kunst, wohl aber von tiefer Frömmigkeit zeugen und auf ein Gelöbnis zurückgehen.



Der Brauch, einem Heiligtum Votivgaben zu stiften, um sich so der göttlichen Zuwendung zu versichern oder der Gottheit Dank abzustatten, findet sich schon in den vorchristlichen Religionen. Anders verhält es sich mit der Stiftung von Votivbildern, eine Gepflogenheit, die vorwiegend im christlichen Bereich verbreitet war und heute im Schwinden begriffen ist. Ihre Bezeichnung verdanken diese kleinen Gemälde einer lateinischen Beschriftung, die auf den meisten von ihnen angebracht ist: ex voto. Was besagt, dass sie aufgrund eines Gelöbnisses angefertigt wurden.



GNADENSTÄTTE ALTÖTTING

An manchen Gnadenstätten hängen die kleinformatigen Malereien dicht an dicht über- und nebeneinander. Auf vielen davon sind außer der Jahreszahl noch weitere schriftliche Erläuterungen zu lesen. Als Beispiel sei hier auf die Inschrift auf einer Votivtafel in Altötting verwiesen, die als eine der ältesten in Deutschland gilt. Sie wurde von einem Bürger in Gmünd in Auftrag gegeben: Oswald Dienstel, ein Pürger zu Gmünd, ist vor sechs Jahren zu Altenötting gewesen mit seinem Sohn, der hinfallend Siechtum hätt. Hätt ein wenig gepessert, hatt er ihm fürgenommen, nimmer gegen Altenötting kummen, nun in der Wochen nach Oculi (d. h. nach dem 3. Fastensonntag) im 1501. Jahr in große Krankheit gefallen, dass er gelegen ist mit offenen Augen unredent (stumm) bis an den dritten Tag, und viel Volk zu ihm gangen, (er hat) niemand erkennt noch gesehen, und seines Lebens gar verziegen (verzweifelt). Haben also in sein Hausfrau herversprochen mit einem Priester und mit einem wachsen Haupt und ist gesund worden. Sag er Lob und Dank der Jungfrau Maria in Ewigkeit. Und ist hie gewest am Suntag vor dem Auffahrttag. Im 1501. Jahr.

Demnach war es die Mutter (die hier als Hausfrau bezeichnet wird), welche den Kranken herversprochen hatte. Will sagen, sie hat für den Fall der Heilung ihres Sohnes eine Wallfahrt nach Altötting (und überdies einen wächsernen Kopf als Votivgabe) gelobt. Mittels des Bildes nun dankt sie der Gottesmutter nicht nur für die eingetretene Heilung, sondern dokumentiert so gleichzeitig, dass sie ihr Versprechen gegenüber der Himmelskönigin tatsächlich eingelöst hat.



BLÜTEZEIT IM BAROCK

Votivbilder sind in der abendländischen Kirche erst seit dem 14. Jahrhundert bezeugt. Die älteste bekannte Tafel entstand 1323. Sie zeigt ein Schiff in Seenot und wurde ins spanische Pyrenäenkloster Montserrat gestiftet. Im 15. Jahrhundert häufen sich die Belege, vor allem in Deutschland (und dort insbesondere in Altötting) und in Italien. Am meisten verbreitet waren die gemalten Exvotos im Barockzeitalter.

Damals hat sich auch eine feste, schon fast stereotype Darstellungsform herausgebildet. Mehrheitlich kommen dabei drei Grundelemente zum Tragen. Am unteren Bildrand sind die Bittstellenden zu sehen. Ihr Blick ist nach oben gerichtet, zum Schutzheiligen oder zur Patronin, welche auf den Wolken thronen oder aus dem geöffneten Himmel auf die Erde herabschauen. In der Bildmitte schließlich illustriert der Maler die Notsituation (körperliches Gebrechen, Unfall, Krankheit). Wie auf dem erwähnten Exvoto von Altötting findet sich darüber hinaus nicht selten ein den Vorfall erläuterndes Textfeld.

Votivbilder gelten vielen als Beweise für die auf die Fürsprache der Heiligen hin erfolgte göttliche Hilfe. Wer mit dieser Form der Religiosität vertraut ist, hat damit keinerlei Schwierigkeiten. Ebenso verständlich ist, dass sich bei Unbeteiligten, aber auch bei ‚aufgeklärten‘ Zeitgenossen beim Betrachten dieser Bilder gelegentlich eine gewisse Skepsis einstellt. Sie verweisen dann wohl darauf, dass auch psychische Einflüsse eine Heilung begünstigen können, so wie es ja auch Krankheiten gibt, die seelische Ursachen haben.

Aus der Sicht des Glaubens jedoch sind solche Unterscheidungen eher zweitrangig, zumal die Gläubigen ja wissen – oder wissen müssten –, dass Gott alle und alles trägt und demzufolge auch durch die ganz natürlichen Ursachen wirkt.



QUELLE FÜR VOLKSKUNDLER

Die alten Votivtafeln sind längst nicht mehr nur von religions-

geschichtlichem, sondern immer mehr auch von volkskundlichem Interesse. Was sich unter anderem dem Umstand verdankt, dass Volkskunde und Volksreligiosität wohl unterschieden, aber nicht voneinander getrennt werden können. Deshalb bedauern heute nicht nur die Gläubigen, sondern auch viele in Glaubenssachen eher skeptische Geister, dass zur Zeit der Reformation viele Votivbilder verbrannt wurden. Andere sind verschollen, weil man sie in späteren Zeiten einfach abgehängt hat und auf irgendeinem Speicher deponierte.



Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016