Genie des Schattens

18. April 2006 | von


Rembrandt van Rijn, der renommierteste Künstler des Goldenen Jahrhunderts der Niederlande, wurde vor 400 Jahren in Leiden geboren. Ein Genie von barocker Schaffenskraft, dessen Gemälde, Zeichnungen und Radierungen von einzigartiger Qualität sind. Im 17. Jahrhundert zuhause, war er zugleich seiner Zeit  weit voraus. 

Wie kein anderer führt Rembrandt in seinen Bildern Lichtregie, malt ausdrucksvolle Gesichter und Hände, ergreifende Szenen, die seinen Werken zeitlose Anziehungskraft verleihen. Sein Heimatland feiert 2006 sein Andenken mit herausragenden Ausstellungen. In Leiden und Amsterdam schlagen historische Stadtbilder steinerne Kapitel aus seinem Leben auf: Museen, Rathäuser und Kirchen erzählen von Erfolg und Not, von einer Hochzeit und von sechs Todesfällen.

Perfekte Imitation. Dabei beginnt sein Leben verheißungsvoll. Rembrandt wird als neunter Sohn des Müllers Harmen van Rijn am 15. Juli 1606 geboren. Schon früh wird seine Begabung erkannt und gefördert: Der Vater schickt ihn auf die Lateinschule, wo er ersten Zeichenunterricht erhält. Mit 14 geht er bei dem Leidener Maler Jacob van Swanenburgh in die Lehre. 1625 wird er für ein halbes Jahr Schüler des Amsterdamer Künstlers Pieter Lastman. Hier lernt er neben Malen und Zeichnen auch die Kunst des Radierens. Nach der Rückkehr malt Rembrandt Menschen und Dinge mit sinnlicher Freude an der Nachahmung, vertieft sich in die perfekte Darstellung von Stoffen und Schmuck. Mehr und mehr lässt er sich auch von den Utrechter Caravaggisten inspirieren, stellt seine Figuren nun vor allem mit dem Einsatz von Licht und Schatten dar: eine Technik, die er lebenslang weiterentwickeln wird.


Licht und Schatten. 1628 hat Rembrandt seinen ersten Schüler, 1629 erhält er bedeutenden Besuch in seinem Atelier im elterlichen Haus: der Sekretär des Statthalters bewundert seine Arbeit. Er bekommt Aufträge aus Amsterdam, pendelt hin und her, bis er sich 1632 endgültig in Amsterdam niederlässt. Rembrandt zieht bei Hendrick van Uylenburgh ein, einem Kunsthändler, der auch eine Malerschule betreibt. In diesem Umfeld bekommt er nicht nur Aufträge für Porträts, er lernt auch seine spätere Frau kennen: Saskia van Uylenburgh, Nichte des Hausherrn und eine gebildete, begüterte junge Frau. Als Rembrandt Aufträge für mythologische und biblische Porträts vom Statthalter Frederik Hendrik bekommt, wagt er den Schritt in die Ehe. 1634 heiratet er Saskia. Das junge Glück endet jäh, als ihr erster Sohn 1635 im Alter von zwei Monaten stirbt. 1638 wird Tochter Cornelia geboren und wird nur einen Monat alt. Auch das dritte Kind, das 1640 geboren wird, sollte nur wenige Wochen überleben. Da wohnen Rembrandt und Saskia bereits in dem großen Haus, das er 1639 für 13 000 Gulden gekauft hat. Trotz seiner bisherigen Erfolge - etwa mit dem ersten Gruppenporträt „Die Anatomie des Dr. Tulp“ - muss er sich für das neue Heim hoch verschulden. Ein großer Auftrag, ein Gruppenporträt der Bürgerkompagnie des Kapitän Frans Banning Cocq, das später als „Nachtwache“ zu Weltruhm kam, dient ihm als Legitimation für seinen riskanten Umgang mit Geld.

Feuerzauber erlischt. Denn nicht nur das Haus und dessen elegante Ausstattung, auch seine Sammelleidenschaft kostet viel. Das Haus füllt sich mit Kunstgegenständen, mit orientalischen Stoffen, Samt, Brokat, Gold und Perlen, mit Gemälden und Zeichnungen alter Meister. Viele dieser kostbaren Gegenstände und Kuriosa dienen ihm als Requisiten für Bilder. Zwischen 1639 und 1658 vollendet Rembrandt zahlreiche Gemälde und Radierungen, bildet Schüler aus, empfängt vornehme Gäste und Auftraggeber. Die „Nachtwache“ wird 1642 vollendet und erregt Aufsehen. Wegen exzellenter malerischer Gedanken wird das großformatige Gemälde gelobt, aber auch als dunkel kritisiert.
Im Jahr zuvor war Sohn Titus geboren worden, der sich als lebensfähig erwies, aber Saskia das Leben kostet. Sie stirbt, kaum 30 Jahre alt, am 14. Juni 1642. Rembrandt leidet sehr unter dem Tod seiner Frau. Finanzielle Sorgen trüben das Gemüt zusätzlich. Er zieht sich aus der Gesellschaft zurück. Zugleich wenden sich etliche Auftraggeber nach der Erfahrung mit der „Nachtwache“, wo die meisten Figuren des Gruppenporträts kaum erkenntlich sind, bequemeren Künstlern zu. Mit Saskias Tod erlischt der Feuerzauber in Rembrandts Bildern, seine Kunst wird tiefer. Etwas später malt er auch Landschaften, wie er sie als Kind aus dem Fenster der elterlichen Mühle erblickte. Doch auch diese finden wenig Anklang beim Publikum. Der Zeitgeschmack zieht idyllische Naturporträts seinen Landschafts-Gleichnissen vor.


Niedergang. Die schwierige finanzielle Situation bringt Rembrandts negative Seiten zum Vorschein. Schüler müssen für ihren Unterricht bezahlen, werden ausgebeutet und schlecht behandelt: Er will so viel Umsatz machen wie möglich. Die Wirtschafterin, die Rembrandt nach Saskias Tod engagiert hatte, um Titus zu versorgen, verklagt ihn wegen gebrochenen Eheversprechens. Der Künstler lässt sie 1650 in eine Anstalt aufnehmen, setzt dafür eine Rente aus. Zu diesem Zeitpunkt ist die junge Hendrickje Stoffels bereits seit drei Jahren die neue Ziehmutter für Titus. Rembrandt und Hendrickje haben eine Beziehung, aus der Tochter Cornelia hervorgeht. Um 1653, als in Amsterdam wieder die Pest regiert, verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage Rembrandts noch mehr, 1656 wird er vom Hohen Rat von Holland für bankrott erklärt. In drei Auktionen werden all seine Besitztümer - die Kunstsammlung, die Möbel und Bilder sowie das Haus - verkauft. Der Erlös von 17 000 Gulden reicht nicht, um alle Schulden zu begleichen. Doch zum Glück blieb die Inventarliste erhalten. Dadurch konnte das Rembrandt-Haus als Museum rekonstruiert werden. Dem Besucher gibt es faszinierende Eindrücke vom Leben des Künstlers auf der Höhe seines Erfolges.

Inneres Leuchten. 1658 zieht Rembrandt mit Hendrickje und den beiden Kindern in eine Wohnung an der Rozengracht. Hendrickje und Titus gründen einen Kunsthandel, für den er die Bilder liefert, beispielsweise das bekannte Gruppenporträt der Tuchmachergilde. Ein anderes großes Gemälde für das Rathaus wird vom Bürgermeister abgelehnt und zurückgegeben. Und die Kette der Unglücksfälle reißt nicht ab. 1663 stirbt Hendrickje an der Pest. Ein Jahr später malt Rembrandt sein letztes großes Gemälde, „Die Judenbraut“, über das heute spekuliert wird, ob es Titus und Magdalena van Loo darstellt, deren Hochzeit 1668 gefeiert wird. Titus soll die Geburt seiner Tochter Titia nicht mehr erleben. Auch er stirbt, Mitte 1668, an der Pest.
Rembrandt malt noch zwei Selbstporträts. In dem einen präsentiert er sich als großer Künstler, im anderen zeichnen sich die Zerrüttungen des Lebens und seine Läuterung in den Zügen ab. In einer Reihe von greisen Gestalten der Bibel oder des antiken Geisteslebens hatte er dem Alter einen mythischen Schimmer gegeben. Auch Rembrandts letztes, schlichtes Selbstporträt zeigt dieses Leuchten von innen heraus. Doch das Publikum, das diese späten, an Gedanken und Gefühlen reichen Werke schätzt, sollte erst noch geboren werden. Rembrandt stirbt am 4. Oktober 1669 im Alter von 63 Jahren und wird wie sein Sohn Titus in der Westerkerk bestattet. Der genaue Ort ist nicht einmal bekannt.

Informationen zu Ausstellungen und Veranstaltungen im Jubiläumsjahr: www.rembrandt400.com

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016