Gott loben, das ist unser Amt

29. Oktober 2013 | von

Neben Bibel und Katechismus gehört ein Gebet- und Gesangbuch zur Grundausstattung eines jeden katholischen Christen. Die jahrzehntelange Erfahrung mit dem bisherigen „Gotteslob“ befruchtete das Konzept der Neuausgabe, die im Advent eingeführt wird, leider nicht in allen Diözesen fristgerecht. Seelsorger, Organisten, Kantoren, Gottesdienstleiter, aber vor allem der einfache gläubige Sänger und Beter, werden sich mit dem neuen Buch vertraut machen. Dann dient es ihrem Leben und ihrem Glauben.



Am ersten Advent dieses Jahres werden wir nicht nur ein neues Kirchenjahr beginnen, sondern auch ein neues Kapitel in der Geschichte der Gesangbücher aufschlagen. Doch obwohl die Druckmaschinen auf Hochtouren laufen, um die Tausende von Exemplaren fristgerecht fertigzustellen, die von den Gemeinden bereits vorbestellt wurden, ist inzwischen klar, dass sich die Einführung des neuen Gebet- und Gesangbuches in einigen Diözesen verzögern wird. Der Grund sind Probleme mit dem Dünndruckpapier, das sich als so durchscheinend erwiesen hat, dass die Lesbarkeit beeinträchtigt ist.



EIN SPIRITUELLES HAUSBUCH

So wird mit der Einführung in den Bistümern München und Freising, Regensburg, Freiburg, Köln, Bamberg, Augsburg, Limburg, Paderborn, Mainz und Bozen Brixen erst ab März 2014 gerechnet. Wirft man einen Blick in die lange und facettenreiche Gesangbuchtradition, ist diese Verzögerung aber nur ein Wimpernschlag in der Hymnologiegeschichte und braucht die Vorfreude auf das neue Buch keineswegs zu schmälern.

Der wichtigste Beweggrund für die Neugestaltung des Gotteslobes ist die veränderte gesellschaftliche Situation, die sich in einem anderen Umgang mit der Sprache ebenso niederschlägt wie in veränderten Singgewohnheiten und unterschiedlichen Graden der Verwurzelung des Glaubens in den Gemeinden und bei den einzelnen Gläubigen. Auf diese Situation antwortet die katholische Kirche mit einem Hausbuch, das dem geistlichen Leben Nahrung bieten möchte, das niederschwellige und praxis-orientierte Zugänge zum Glauben anbietet und es den Suchenden leicht macht, zu den Quellen des Lebens zu gelangen, die sich in den Texten und Liedern des neuen Gotteslobes finden.



BEGRIFFE UND HINFÜHRUNG

Der Stammteil beginnt deshalb gleich nach dem Inhaltsverzeichnis mit einem kleinen Lexikon. Hier sind wichtige Begriffe wie Firmung, Gebote der Kirche, Dekalog, eucharistischer Segen, Chrisam oder Charisma und die Seite, auf der diese im Gotteslob erläutert werden, aufgelistet. Wer also ein bestimmtes Gebet, eine Kirchenjahreszeit oder die Erklärung eines Begriffes sucht, wird hier schnell fündig. Dieses praxistaugliche Element zeigt beispielhaft, dass die Kommission unter der Leitung des Würzburger Bischofs Dr. Friedhelm Hofmann, die sich in den vergangenen Jahren der Erstellung des Gotteslobes gewidmet hat, vor allem den Sitz im Leben im Blick hatte, den das Gotteslob bei den Gläubigen haben soll.

Gesangbücher sind immer ein Spiegel der Spiritualität der Epoche, in der sie entstehen. Heute ist das Glaubenswissen bei vielen weggebrochen. Zugleich ist aber eine große Sehnsucht nach den Quellen des Heiles spürbar. Auf sie antwortet der Gebetsteil, mit dem das Gotteslob beginnt. In klarer, schnörkelloser Sprache, der man die Gebetspraxis anmerkt, wird hier zunächst in den Umgang mit dem Wort Gottes im Gottesdienst, in persönlicher Schriftlesung oder beim Bibellesen in der Gemeinschaft eingeführt. Die Texte sind so gehalten, dass auch derjenige, der bisher nicht im Glauben verwurzelt ist, eine verständliche Einführung findet.



SCHATZKISTE DER GRUNDGEBETE

In der Rubrik Im Gebet antworten finden sich zunächst die Grundgebete in deutscher und lateinischer Sprache. Das Rosenkranzgebet wird in Wort und Bild erklärt und, was sicher viele freuen wird, die lichtreichen Geheimnisse, die der selige Papst Johannes Paul II. uns geschenkt hat, sind gemeinsam mit den gewohnten freudenreichen, schmerzhaften, glorreichen und trostreichen Geheimnissen abgedruckt.

Katechetisch sehr gelungen ist der Gebetsteil, der eine ausgezeichnete Auswahl an liebgewordenen Kirchenvätertexten mit einer reichen Fülle von Gebeten geistlicher Schriftstellerinnen und Schriftsteller der jüngeren Zeit, darunter auch irische Segensgebete und einige gelungene Texte „namenloser“ Gemeindemitglieder, anbietet. Bedauern wird man lediglich das Fehlen eines Textes unserer neuen Kirchenlehrerin Hildegard von Bingen, zumal andere Kirchenlehrerinnen wie Teresia von Avila oder Thérèse von Lisieux durchaus vertreten sind. Dieser Schatzkiste von Gebeten vor Gottes Angesicht in verschiedenen Lebenssituationen schließen sich einige ansprechend gestaltete Vorlagen für Hausgottesdienste im Familienkreis an.



GLAUBENSWISSEN UND PSALMEN

Der Abschnitt Den Glauben leben führt in die Zehn Gebote, die Gebote der Kirche, die Werke der Barmherzigkeit, die Gaben des Heiligen Geistes und die Kardinaltugenden ein. Auch hier überzeugt die verständliche, Fernstehende zum Hinhören und Gläubige zur Vertiefung des Glaubenswissens einladende Sprache.

Auch im neuen Gotteslob nehmen die Psalmen einen breiten Raum ein, jener Gebetsschatz aus dem Alten Testament, in dem wir in unverstellten Worten Trauer und Freude vor Gott zur Sprache und zum Klingen bringen können. Was die nichteucharistischen Gottesdienstformen angeht, liegt der Schwerpunkt im neuen Gotteslob auf vielfältigen Angeboten für die Gestaltung der Tagzeitenliturgie. Sie kann sowohl dem persönlichen Gebet Nahrung geben als auch von Gemeindegruppen werktags oder als Vesper am Samstag und Sonntag gemeinsam gebetet und gesungen werden.



MODELLE FÜR LAUDES UND VESPER

Im Bereich der Psalmen wurden einige vertraute Kehrverse übernommen, aber auch leicht singbare neue ergänzt. Ein für die Praxis sicher hilfreiches Novum ist, dass es nun für jede Kirchenjahreszeit auch jeweils eigene Laudes gibt und dass alle Laudes- und Vesper-Modelle hintereinander abgedruckt wurden. Neu in der Reihe der Vespern ist die abendliche Tagzeitenliturgie für die Verstorbenen und das in vielen Gemeinden bereits erprobte Abendlob mit Lucernar.

Dankbar werden viele vermerken, dass zu den neu hinzugekommenen Gesängen auch zahlreiche Antiphonen und Hymnen aus dem monastischen Bereich zählen. Ebenso wird dem Gregorianischen Choral mehr Raum gegeben. So ist der Introitus des lateinischen Requiem nun zusätzlich zu den bereits bekannten lateinischen Hymnen und Sequenzen im Stammteil enthalten. Die Kommission trägt damit der Tatsache Rechnung, dass viele Gläubige auf ihrer Suche nach einer vertieften Spiritualität in den Klöstern fündig geworden sind und die dort kennen- und lieben gelernten Gebete und Gesänge nun auch in ihren Gemeinden verwurzeln möchten. Grundlegend erneuert sind auch die Andachten: ausgezeichnete, spirituell tiefgründige Texte, die an Bekanntes anknüpfen und es mit Neuem, Wegweisendem verknüpfen.



LIEDER ZU GLORIA UND CREDO

Viele Gemeinden sind vor allem auf den Liedteil des neuen Gotteslobes gespannt. Er beginnt mit einigen Liedern für den Tagesbeginn, das Mittagsgebet und den Tagesschluss. Im Anschluss daran finden sich die lateinischen und deutschen Ordinarien, gefolgt von einer Reihe von Liedern, die als Ordinariumsgesänge eingesetzt werden können.

Die in der Vorbereitungsphase kontrovers diskutierte Frage, wie man mit den Paraphrasen in den vielfach beliebten Gloria- und Credo-Liedern umgehen solle, ist so gelöst worden, dass sich, neben einer Reihe bekannter Glorialieder, für den Gesang des Glaubensbekenntnisses ausschließlich solche Gesänge finden, die den Text komplett wiedergeben. Hier setzt die Kommission darauf, dass die Gemeinden die Angebote zu gesungenen Glaubensbekenntnissen, die den gesamten Text unseres essentiellen Grundgebetes wiedergeben, dankbar aufgreifen werden.



EMOTION ZUGELASSEN

In der Kategorie Kirchenjahr findet man eine Fülle bewährter Lieder wieder, darunter auch solche, die aus den Diözesananhängen verschiedener Diözesen nun in den Stammteil Eingang gefunden haben. Auch die bei vielen beliebte Schubertmesse ist nun im Stammteil zu finden. Hier zeigt sich der Trend zu mehr Emotionalität im Kirchengesang, der in den im Vorfeld der Erstellung des neuen Gotteslobes durchgeführten Umfragen ebenso deutlich geworden ist, wie das Bedürfnis nach zeitgemäßen und bewährten Neuen Geistlichen Liedern. Dass die Schubertmesse allerdings nicht unter die Ordinariumsgesänge aufgenommen wurde, hat einen guten Grund, da die Texte mit denen des Ordinariums keineswegs identisch sind.



NEUE GEISTLICHE LIEDER

Außer den in den Stammteil aufgerückten regionalen Lieblingsliedern finden sich auch zahlreiche Gesänge, die bislang nicht im Gotteslob enthalten, aber weit verbreitet waren und sehr gerne gesungen werden, wie etwa Tochter Zion oder Maria durch ein Dornwald ging.

Unter den Neuen Geistlichen Liedern machen die Taizégesänge den größten Anteil aus. Sie haben sich aufgrund ihrer Eingängigkeit und Kürze in vielen Gemeinden durchgesetzt und eignen sich wegen ihres oft lateinischsprachigen Textes auch sehr gut für Gemeinden mit Christen aus vielen Nationen. Durch den mehrstimmigen Abdruck ergibt sich hier zugleich eine Bereicherung für den Gemeindegesang. Überhaupt singt das neue Gotteslob in deutlich mehr Sprachen und Tönen als das alte. Denn auch englischsprachige Lieder sowie einzelne Strophen in weiteren Sprachen sind nun vertreten. 



TIEFER ERKLINGENDE TONARTEN

Die Tonarten sind bei vielen Liedern nun tiefer gewählt. Hier trug die Kommission der Tatsache Rechnung, dass die Praxis gemeinsamen Singens in den Familien, aber auch in Kindergärten und Schulen rückläufig ist und Töne oberhalb des zweigestrichenen C nur noch von wenigen erreicht werden. Auch hinsichtlich einer älter werdenden Gesellschaft – die Senioren werden als neue, begeisterungsfähige Zielgruppe für die Chorarbeit gerade in vielen Diözesen entdeckt – erweisen sich die tiefer erklingenden Tonarten als gute Wahl. Zugleich wurde Wert darauf gelegt, dass die Tonarten für nebenberufliche Kirchenmusiker gut spielbar sind.

Auch im Bereich der Notation gibt es Neuerungen. Für Gregorianische Gesänge wurde in Anlehnung an die Quadratnotation ein Notenhals eingeführt, der die Gliederung der Melodie verdeutlicht. Und für alle, die mehr über die spirituellen Tiefenschichten der Lieder wissen möchten, wurde dort, wo Kirchenliedtexter in den Strophen ihres Liedes einen schriftbasierten Subtext eingebaut haben, dieser durch Kursivsetzung kenntlich gemacht, was am Ende des Liedes vermerkt wird, so dass jeder Gläubige sich an der intelligenten Textierung des Liedes freuen kann.



NEUES DESIGN

Was die äußere Gestaltung des Gotteslobes angeht, hat die Kommission sich für eine überaus schlichte Ausstattung mit Grafiken entschieden. Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten, es erhebt sich aber dennoch die Frage, ob das eher reizlose Grau des Buches und die Strichzeichnungen im Innenteil nicht das Ergebnis der Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner sind. Besonders im Vergleich zum Evangelischen Gesangbuch wären hier andere Designs mit einer lebensfroheren Ausstrahlung wünschenswert gewesen. Dankbar wird die Mehrheit der Nutzerinnen und Nutzer jedoch das vergrößerte Druckbild vermerken.



SO GELINGT DIE EINFÜHRUNG

Bleibt die Frage, wie die Einführung des neuen Gotteslobes vonstattengehen wird. Empfehlenswert ist hier eine behutsame Mischung aus der Freude an Bekanntem und der Neugier auf Novitäten. Für alle Hauptamtlichen gibt es eine Informationsplattform des Liturgischen Institutes in Trier. In vielen Diözesen gibt es bereits das Lied des Monats.

Und auch für die in der Praxis so wichtigen Arbeitshilfen ist gesorgt. Neben den Begleitbüchern für Orgel sind dies ein Begleitbuch für Klavier, das beim Carus Verlag erscheinende Chorbuch Gotteslob, das im Modulsystem Liedsätze für zwei-, drei- und vierstimmigen Chor anbietet, die miteinander kompatibel sind, so dass Chöre verschiedener Besetzungen miteinander singen können. Ein Schulungsmodell für Singeleiter hilft allen nebenamtlichen Kantorinnen und Kantoren dabei, mit den Gemeinden neue Lieder einzustudieren.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016