“Gott und die Seele begehre ich zu kennen“

25. Oktober 2004 | von

Augustinus wurde am 13. November 354 in der nordafrikanischen Provinzstadt Tagaste in eine Zeit der Wirren und des Zerfalls des Römischen Reiches hineingeboren. Tagaste lag südwestlich von Karthago, dem heutigen Souk Arhas, im ostalgerischen Bergland. Sein Vater Patricius war Heide und starb 371 als Christ. Seine Mutter, die heilige Monika, war überzeugte Christin und erzog den Sohn in ihrem Glauben.
Wir wissen nur wenig mehr von seinen Eltern als das, was er selbst in den Bekenntnissen berichtet. Es mag sein, dass er vom Vater das heiße Blut, von der Mutter den Willen zum Geistigen geerbt hat; die erzieherischen Einflüsse der beiden dürften gering gewesen sein.

Ungezwungene Studienjahre. Viel bestimmender wirkte auf seine Entwicklung ein ausgeprägter Trieb zur Geselligkeit und Freundschaft. Ein platonischer Zug, der zu seiner Zeit üblich war. In allen entscheidenden Momenten seines Lebens waren Freunde um ihn. Diese Freundschaften führten ihn in die manichäischen  Zirkel, und Freunde erleichterten ihm später den harten Weg der Umkehr. Ein starkes Mitteilungsbedürfnis beherrschte sein geistiges Leben von den Anfängen in seinen fröhlichen und ungezwungenen Studienjahren – durch alle Krisen seines Lebens hindurch – bis ins hohe Alter.
Seine Schulbildung erhielt Augustinus in Tagaste und Madaura. Bereits mit 16 Jahren ging er nach Karthago, um Rhetorik zu studieren. Er war hochbegabt und legte die besten Examina ab. So konnte er ein leichtes Leben führen und sich den Freuden des Lebens hingeben. Augustinus war in seiner Jugend sehr sinnlich und leidenschaftlich. Er ging eine Beziehung mit der rassigen Afrikanerin Melanie ein, getrieben “vom Wahnsinn wilder Wollust“, wie er  in seinen Bekenntnissen (Conf.II) schrieb. Er wurde 372 Vater eines Sohnes und nannte ihn Adeodatus (= von Gott geschenkt). Seine Lebensgefährtin begleitete ihn 16 Jahre.

Rastlose Suche. “Unruhig o Gott ist unser Herz, bis es ruhet in dir“ – mit dieser Aussage des Augustinus ließe sich sein ganzes Leben resümieren. Er war ein Suchender. Während seines Studiums entfernte er sich immer mehr von der christlichen Lehre, sehr zum Schmerz seiner Mutter. Er fand keinen geistigen Zugang zum Christentum. In dieser Zeit befasste er sich mit Ciceros Schrift über die Philosophie: den Hortensius. Diese Lektüre vermittelte ihm tief greifende Einsichten. Er suchte fortan nach der Wahrheit. Zunächst schien er sie in den Lehren der Manichäer gefunden zu haben. Diese Sekte praktizierte eine besonders intensive Form christlichen Lebens. Innerhalb weniger Tage bekannte Augustinus sich zum Manichäismus und blieb ihm zehn Jahre treu. Doch auch als Anhänger der Lehre des Persers Mani, der im 3. Jh. diese Mischreligion gegründet hatte, fand der gebildete Gelehrte nicht das, was er rastlos suchte.
Um das Jahr 375 kehrte Augustinus nach Tagaste zurück. Er dozierte dort Grammatik und Rethorik und war Lehrer der freien Künste. Bereits ein Jahr später wechselte er wieder nach Karthago, um in einem anspruchsvolleren Rahmen wirken zu können. In dieser Zeit wuchs seine Enttäuschung über die Manichäer; viele seiner Fragen blieben offen, seine Skepsis wurde genährt. Im Jahre 383 ging er nach Rom.

Wegwende. Der heidnische Stadtpräfekt Symmachus vermittelte Augustinus die Stelle des Magisters der Rethorik in Mailand. Dort lernte er Bischof Ambrosius kennen, der wegen seiner Beredsamkeit berühmt war. Er hörte mehrere Predigten und war sehr beeindruckt. Er gewann neue Einsichten durch dessen Auslegung der Schrift und seine Vorurteile schwanden. Sicher spielte hier auch der Einfluss der Mutter eine Rolle. Sie war Augustinus nach Mailand gefolgt. Als sie sich bei Bischof Ambrosius über ihren Sohn beklagte, sagte dieser: “Ein Sohn so vieler Tränen und Gebete kann nicht verloren gehen.“
Zur radikalen Lebenswende wurde für Augustinus folgendes Erlebnis, das er in Mailand hatte: Zusammen mit seinem Freund Alypius befand er sich im Garten und sie hörten aus dem benachbarten Haus eine Kinderstimme. Diese sang: “Nimm und lies!“ Beide erlebten das als göttliche Weisung, die Bibel aufzuschlagen. Augustinus stieß auf die Stelle im Paulusbrief:”Wie am Tage lasst uns ehrbar wandeln…“( Röm. 13,13 f). Er wurde unmittelbar von einer inneren Sicherheit getroffen und alle Zweifel lösten sich auf. Das war für Augustinus der entscheidende Schritt seiner Berufung, der Schritt vom Irdischen zum Göttlichen.

Klösterliches Leben. Von diesem Augenblick an unterlag sein ganzes Sein einem Gesetz: Alle Sinnlichkeit, alle Kraft der Erkenntnis dienen nur dem Willen zur Hingabe und zum Glauben, dem Willen zu Autorität und Ordnung. Unaufhörlich blickte Augustinus nach diesem seinen Ziel: Gott und Kirche. In seinem Werk Soliloquia (= Alleingespräche) formulierte er dieses neue Ziel seines geistigen Strebens so: “Gott und die Seele begehre ich zu kennen. – Sonst nichts mehr? – Schlechterdings nichts.“
Als Konsequenz legte er unmittelbar danach alle Ämter nieder und zog sich mit Freunden auf ein Landgut nördlich von Mailand zurück. In der Osternacht des Jahres 387 ließ er sich zusammen mit seinem Sohn von Bischof Ambrosius taufen und kehrte nach Tagaste zurück. Während der Heimreise starb seine Mutter Monika in Ostia. Sie fand ihre letzte Ruhestätte in S. Agostino in Rom.
In Tagaste führte Augustinus über mehrere Jahre ein gemeinsames monastisches Leben mit Gleichgesinnten Gefährten und Freunden. So hatte er es mit der Unterstützung eines wohlhabenden Freundes in der Nähe von Mailand bereits erprobt. Auch als er 391 zum Priester – und einige Jahre später zum Bischof von Hippo (heute Annaba/Algerien) geweiht wurde, behielt er diese Lebensform bei.

Seelsorger und Glaubenskämpfer. Unermüdlich wirkte Augustinus in den folgenden 34 Jahren seiner Amtszeit als vorbildlicher Hirte und Seelsorger; ein Leben ernster und tätiger pastoraler Arbeit, unterbrochen durch seine publizistische Tätigkeit. Er war einer der begabtesten Prediger aller Zeiten, ein unerbittlicher Kämpfer gegen alle Irrlehren. Er wurde weit über die Grenzen seines Bistums hinaus zum geistigen Mittelpunkt Nordafrikas, ja der abendländischen Kirche überhaupt.
Augustinus war ein genialer Denker, scharfer Dialektiker und ein großer Psychologe und Menschenkenner. Ihm waren eine seltene religiöse Glut und ein Eifer eigen. Aus allem, was von ihm überliefert ist, spricht ein liebenswürdiger Mensch und ein glühender Beter. Seine gesamte Theologie ist ein einziges betendes Besinnen auf Gott und dessen wirksame Gnade zum ewigen Heil.

Erste Autobiografie. Er behandelt in seinen Schriften die gesamte Breite der theologischen Probleme. Von seinen 93 Schriften in 232 Büchern sind seine Bekenntnisse, die Confessiones (397/98), das wohl bekannteste Werk. Augutinus war der erste Schriftsteller des Abendlandes, der eine solche Schrift in autobiografischer Form verfasste. Er schildert sein Leben bis zum Tod seiner Mutter. Eigentlich ist das Werk ein einziges großes Gebet, in dem er die Wirkung der Gnade Gottes in seinem Leben schildert. Das Bild seiner Mutter hat er in den Confessiones so geschildert, dass an der Nähe und Ferne zu seiner Mutter, auch die Nähe und Ferne zur Kirche abzulesen sind. Er glaubte, seiner Mutter alles zu verdanken, was er war.
Augustinus starb am 28. August 430 im Alter von 76 Jahren in Hippo. Seine letzte Ruhestätte fand er in S. Pietro in Ciel d`Oro im italienischen Pavia, südlich von Mailand.

Große Nachwirkung. Aus seiner Lebensregel, die Augustinus für das Frauenkloster in Hippo verfasste, entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Augustinergenossenschaften im weitesten Sinne: Klösterliche Frauengemeinschaften, deren Lebensweise an der Regel des großen Kirchenlehrers ausgerichtet ist. Im engeren Sinne gibt es zwei Hauptzweige der Augustiner: Augustiner Chorherren und Augustiner Eremiten.
Jeder Heilige verdient Bewunderung. Augustinus lädt uns darüber hinaus zur Freundschaft ein.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016