Herzenswunsch Antoniuskirche

01. Januar 1900 | von

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rei Wiener Weihbischöfe weihten am Morgen des 10. November 1901 die neuerbauten Kirche St. Anton von Padua im 10. Wiener Gemeindebezirk Favoriten. Teil des Festaktes war ein feierliches Pontifikalamt, das der damalige Fürsterzbischof von Wien, Kardinal Dr. Anton Joseph Gruscha, in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph I. zelebrierte.
Im November diesen Jahres begeht die Pfarre mit einer Festwoche die Jahrhundertfeier ihrer Kirchweihe und darf dabei den Erzbischof von Wien, Kardinal Dr. Christoph Schönborn in ihrer Mitte wissen.

Neue Pfarre für Arbeiter. In Wien-Favoriten bestand zu Ende des 19. Jahrhunderts eine einzige Pfarre St. Johann Evangelist mit mehr als 100.000 Gläubigen. Verständlich, dass die Errichtung einer neuen Pfarre und Kirche notwendig schien. 60.000 Seelen umfasste die neuerrichtete Pfarre St. Anton. Innerhalb von 20 Jahren erhöhte sich die Zahl auf 85.000. Ein Pfarrer und fünf Kapläne, von denen zwei für die aus Böhmen eingewanderten Menschen der tschechischen Sprache mächtig sein mussten, standen für die Seelsorge zur Verfügung. Der ständige Zuwachs an Menschen im Arbeiterbezirk macht es notwendig, auch die neue Pfarrei zu teilen, und so wurden aus der Mammutpfarre insgesamt sechs Pfarren herausgelöst. Heute zählt die Kernpfarre, die von einem Pfarrer, zwei Kaplänen und einem Pastoralassistenten betreut wird, 9650 Katholiken.

Antonius als Patron. In einem Schreiben bekennt Kardinal Dr. Gruscha, Namensgeber für den Patron von Kirche und Pfarre zu sein. Er, der den Namen Anton trägt, hegt den Herzenswunsch, in seiner Vaterstadt Wien eine Kirche zu Ehren des heiligen Antonius von Padua erstehen zu sehen. Diesem Wunsch kommen Priester und Gläubige entgegen, indem sie aus Anlass des 50. Priesterjubiläums des Wiener Erzbischofs, das er am Grabe seines Namenspatrons in Padua beging, die ersten Bausteine spenden. So entsteht innerhalb einer Bauzeit von fünf Jahren auf der Höhe des 10. Bezirks ein Haus zu Ehren des Heiligen aus Padua - inmitten von Wohnstätten einer zumeist dem Arbeiterstand angehörenden Bevölkerung, die oftmals in schwerer Sorge um das tägliche Brot ist.

Paduaner Vorbild. Der den Antonsplatz beherrschende, nach Plänen des Architekten Ritter von Neumann ausgeführte, Kirchenbau weist eine Vierungskuppel auf. Sie ist bekrönt mit einer Statue des Erlösers, der segnend seinen Arm über den Bezirk ausstreckt. Kuppel, Staute und die beiden Haupttürme verleihen zusammen mit vier weiteren kleinen Türmen dem Bau ein charakteristisches Gepräge. Im oberen Teil des zweigeschossigen Loggienhauses befindet sich über dem Hauptportal die Statue des Kirchenpatrons. Der Bau in romanisch-byzantinischem Stil erinnert an den Markusdom in Venedig und an die Antoniusbasilika in Padua. Die Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe im November und Dezember 1944 schwer beschädigt. Der Wiederaufbau, 1946 begonnen, konnte erst 1992 endgültig abgeschlossen werden.

Einmaliges Apsismosaik. Das Kircheninnere zeigt mehrere Besonderheiten. So ist der früher aus Holz bestehende Baldachin des Hochaltares (ebenso wie die Baldachine der beiden Seitenaltäre) aus istrischem Marmor gestaltet. Die Seitenwände des Altarraumes schmücken zwei Fresken mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament. Sehenswert, wenn nicht einmalig, das Apsismosaik. Es ist wohl eines der größten aus Naturstein angefertigten Mosaiken des Malers Ernst Bauernfeind. Es zeigt Christus als Pantokrator, die Rechte segnend erhoben. Er sitzt auf einem von den vier Evangelisten getragenen Thron und zu seinen Füßen liegt der Erdkreis. Rechts vom Pantokrator Maria als Mutter der Kirche, links der Kirchenpatron St. Antonius, in der einen Hand die Lilie, während die andere Hand auf seinem Herzen liegt. Auf dem Antoniusaltar im rechten Seitenschiff steht eine Statue des Heiligen, die 1901 von einem Holzschnitzer aus dem Grödnertal gestaltet wurde.

Größter Schatz Reliquie. Im Pfarrbesitz befindet sich auch eine besondere Antoniusreliquie. Es handelt sich um ein sechs Zentimeter langes Rippenstück des heiligen Antonius aus dem Reliquienschatz der römischen Familie Odescalchi. Die mit einer Echtheitsurkunde ausgestattete Reliquie kam in den Besitz eines Titularerzbischofs namens Graf Eduard Pettenegg. Dieser brachte den Schatz nach Wien. Von Kardinal Gruscha wurde er gebeten, die große Rippenreliquie an die im Bau befindliche Antonskirche zu übergeben. Der Graf wollte ursprünglich nur auf ein kleines Stück verzichten. Auf Grund eines Missverständnisses unterblieb die Teilung, und die Reliquie wurde in ihrer ganzen Größe der Antonskirche überlassen. In eine romanische Zylindermonstranz gefasst, gilt sie als größter Schatz der reich ausgestatteten Kirche.

Msgr. Josef Vollnhofer ist der vierte Pfarrer der Antonspfarre in Wien, die er seit 1973 leitet. Von 1982 bis 1992 war er auch Dechant des 15 Pfarren umfassenden Dekanates. Vor vielen Jahren hat er schon den Grundstein für die jetzigen guten Beziehungen zu den öffentlichen Stellen gesetzt. Zusammen mit seinem Seelsorgeteam, zu dem auch die rührige Pfarrsekretärin gezählt werden muss, kümmert er sich nicht nur um die nahe Stehenden: Pfarrgemeinderat, Ministranten, Kinder-, Jugend- und Kirchenchor, Jungschar, Jugend, Pfadfinder, Frauenrunde, Seniorenclub, Erwachsenenbildung, Legio, Caritas, Fußballverein und die viermal im Jahr erscheinende Pfarrzeitung Antoniusbote. Dem Schreiber dieser Zeilen ist noch in lebhafter Erinnerung, wie Stadtpfarrer Vollnhofer bei einer Palmweihe auf dem Reumannplatz alle Teilnehmer, auch die Ausgeschlossenen, einlud, aktiv an der anschließenden Eucharistiefeier teilzunehmen. Ich glaube, Antonius war mit dieser Geste vollkommen einverstanden.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016