Hoffnung ist....

25. Januar 2006

Der abstrakte Begriff Hoffnung wird bildhaft beschrieben als das Kind der Liebe oder als Licht im Dunkeln. Hoffnung ist Grundlage unseres Lebens. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ und doch fällt es schwer, sie eindeutig zu benennen. Als Verheißung des Besseren nährt sie die Sehnsucht, Grenzen und Zweifel zu überwinden. Sie spendet Antrieb im Alltag. Dabei ist Hoffnung keine Flucht vor der Realität, vielmehr eine geweitete Sicht über den Horizont hinaus.

Ein protestantischer Missionar arbeitete schon jahrelang bei den Papua in der Südsee. Bei der Bibelübersetzung in die Sprache der Einheimischen fand er nicht den rechten Ausdruck für das Wort „Hoffnung“. Er suchte lange nach diesem Begriff, bis er eines Tages sein neugeborenes Kind zu Grab tragen musste. Ein Papuajunge, der zusah, wie der Vater seinen Sohn begrub, sagte zu dem Missionar: „Ich sehe Dich gar nicht weinen“. Darauf der Vater: „Warum sollte ich weinen, wir werden uns wiedersehen. Unser Kind ist bei Gott.“ Und der Junge murmelte für sich: „Ja, ich hörte davon. Ihr Christen schaut über den Horizont hinaus.“ Über den Horizont hinausschauen.... Ja, jetzt wusste der Missionar, wie er das Wort „Hoffnung“ zu übersetzen hatte.

Die Geschichte der Papua fand ich zweiten Band der Kurzgeschichten von Hoffsümmer, Nummer 4. In meinen Augen eine der schönsten Hoffnungsgeschichten. Die Hoffnung wird beschrieben als Blick über den Horizont hinaus. Nur im festen Glauben, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, können wir über die Grenzen hinausblicken. Darin liegt eine wichtige Hoffnung für uns Menschen, nur so erstickt unser ganzes Leben nicht in der Sinnlosigkeit.
Ich denke, wir haben allen Grund, trotz großer Unsicherheiten dieser Hoffnung zu vertrauen. Sie erwächst uns Christen aus der Bibel, aus dem Leben Jesu und seiner Botschaft. Einerseits erfahren wir uns immer wieder als sehr verletzbar, vergänglich, irgendwie zerbrechlich und dem Tode ausgesetzt, der unserem Leben eine Grenze setzt und uns einengt. Andererseits spüren wir in uns den Drang nach einem erfüllten, sinnvollen, gelungenen Leben. Wir möchten alle Grenzen sprengen und in die unendliche Weite aufbrechen, über alle Horizonte hinaus.

Hinter dem Horizont. Wir vergleichen das Leben mit einer Schifffahrt. Wir sind auf stürmischer See und sehen weit und breit kein Land. Wir vertrauen uns dem Kapitän an und hoffen, dass wir unser Ziel erreichen. Oder haben wir uns vielleicht kein Ziel gesetzt und lassen uns einfach von Wind und Wetter treiben, ohne über den Horizont hinaus zu schauen auf das, was kommen wird?
Was wir hinter dem Horizont erhoffen, das kennen wir nicht. Das ist das eigentliche Objekt unserer Hoffnung, das, was wir erwarten, erstreben, ersehnen. Denn würden wir es kennen, wäre es keine Hoffnung mehr.
Das große Buch der Hoffnung ist die Bibel. Im letzten Buch, der Offenbarung des Johannes, bedient sie sich vieler Bilder, und hält so trotz des bevorstehenden Grauens die Hoffnung wach. Im 21. Kapitel steht da: „Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein, Und er, Gott, wird bei ihnen sein. Er wird alle Tränen aus ihren Augen abwischen. Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen. Er, der auf dem Throne saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu.

Biblische Metaphorik. Das ist ein Bild, ein schönes Bild der Hoffnung. Es zeigt die Sehnsucht nach einer besseren, nach einer vollkommenen Welt. Darin ist der Traum nach einem Paradies versteckt, der immer in unseren Herzen wohnt. Diese Texte wurden für die ersten Christen geschrieben, die Verfolgungen und Plagen ausgesetzt waren, die Schwierigkeiten aller Art erlebten und die daher oft der Resignation nahe standen und ihren Glauben an die Wiederkunft Christi nur unter großer Anstrengung wach hielten. Der Schreiber der Offenbarung machte ihnen Mut mit dem Versprechen eines neuen Himmels und einer neuen Erde, mit der Zusage, dass das Zelt Gottes unter den Menschen ist, also der Sicherheit der Gegenwart Gottes. Das Bild, das in den beiden letzten Kapiteln gebraucht wird, ist das neue Jerusalem, die Stadt Gottes, herrlich geschmückt und geziert. In ihr fließt das Wasser und wächst der Baum des Lebens, der trägt zwölfmal im Jahr Früchte. Es ist das Bild der Lebensfülle, der Vollendung in der Herrlichkeit.
Wir sprechen im Alltag eher vom Himmel, den wir erwarten und der uns versprochen ist. Dabei dürfen wir nur nicht vergessen, dass wir da ein Bild gebrauchen, das die Bibel verwendet, um unsere Hoffnung auf die Lebensfülle zu erhalten. Bilder sind immer unvollkommen. Sie können, ja sie müssen sich oft ändern. Sie werden benötigt, weil wir die Wirklichkeit nicht kennen. Sie geben uns eine Ahnung davon, dass das Kommende anders sein wird, besser, letztlich nicht zu schildern, aber doch etwas, das uns ganz erfüllen wird, das uns die vollkommene Zufriedenheit, das Glück schenkt.
Ist christliche Hoffnung allein auf das Leben nach dem Tod ausgerichtet? Ist es dann nicht einfach eine billige Vertröstung auf das kommende Leben in den Schwierigkeiten unseres Alltags? Ist die Sicht über den Horizont hinaus nicht eine Flucht vor dem Leben, das hier und jetzt stattfindet?

Hoffnung schenkt
Freiheit und Sinn
Geduld und Leben

Lebensenergie. Die Hoffnung ist ganzheitlich. Unser ganzes Leben wird getragen von der Hoffnung. Ja, wie würde unser Leben ohne sie aussehen? Hoffnung ist ja im Alltag wie eine Triebfeder, die uns immer wieder weitergehen lässt. Sie ist wie ein Licht in der Dunkelheit, das uns leuchtet und einen Weg zeigt. Sie ist wie eine Türe, die sich öffnet und uns in weite Räume der Zukunft führt! Wer die Hoffnung aufgegeben hat, verpasst das Leben mit seiner Vielfalt. Ich denke, wir können in unserem Alltag gar nicht ohne sie bestehen. Sie ist die Grundlage, dass wir auch Hoffnung auf ein bleibendes Leben nach dem Tod haben. Sie ist irgendwie im Naturgesetz begründet. Denn in der Natur wird das Leben, die Lebensenergie nicht einfach ausgelöscht, sie wird umgewandelt. Nichts geht verloren. Und wir sind ein Teil der Natur, wir sind hineingenommen in diesen Zyklus.
Schauen wir auf den Kreislauf der vier Jahreszeiten. Wer glaubt denn im Spätherbst und im Winter, wenn alle Blätter fallen, die Bäume kahl und trostlos da stehen, der Frost die Erde erstarren lässt und die eisigen Nordwinde durch alle Ritzen pfeifen, wer glaubt dann daran, dass im Frühjahr neues Leben in allen Farben und Formen erblühen und die Natur aus dem Todesstarre erwachen wird? Ist die Natur nicht gewissermaßen ein Zeichen, dass wir aus der Hoffnung leben dürfen und leben können? Ein bisschen mehr Vertrauen, eine kleine Dosis mehr Hoffnung, und unser Leben wäre bedeutend froher und zufriedener.

Hoffnung ist
das Tor in die Zukunft
das Licht im Dunkeln
die Sehnsucht nach Unendlichkeit

Licht dunkler Stunden. Schauen wir doch unseren Alltag an. Wie sieht er denn oft aus? Wir erleben als Menschen Schwierigkeiten und Probleme, wir erfahren Kummer und Leid. Wir sind auch immer wieder neu mit Krankheit und Tod konfrontiert, mit Sinnlosigkeit, Unverständlichem, im persönlichen Leben, in der Politik, in der Kirche. Und wir haben soviel Fragen an die Welt und unser Leben, an den Glauben und an Gott. Hoffnungslosigkeit, Resignation und Verzweiflung machen sich sehr leicht in uns breit, wenn wir nur das Negative sehen, wenn wir aus der Angst heraus gestalten, oder wenn wir nicht über die persönliche kleine Welt hinausschauen und für uns der momentane, enge Horizont das ganze Leben bedeutet.
In solchen Situationen braucht es Hoffnung. Sie ist dann wie eine Fahrt durch einen langen, stockdunklen Tunnel im Wissen um sein Ende und um das blendende Sonnenlicht. Da hilft die Hoffnung weiter und schenkt Mut, Zuversicht und Kraft. Kraft, alles anzunehmen, was auf uns zukommt, was unabänderlich ist, und zu wissen, wir gehen einer Zukunft entgegen, alles hat seinen Sinn. Hoffnung schenkt Kraft, dass wir nicht sofort aufgeben, sondern ein Ziel vor Augen haben. Hoffnung schenkt immer wieder den Glauben an einen Neuanfang, gerade in dunklen Stunden, in Trauer und Not, bei Versagen und Schuld.

Ewiger Kreislauf. Warum aber sollen wir hoffen? Leben ist Wandel, Wechsel, Veränderung. Es geht immer weiter und in wirklich jeder Situation gibt es Hoffnung: in Krankheit auf Besserung, in Schwierigkeiten der Beziehung auf einen Neuanfang, in Schuld auf Vergebung, im Beruf auf einen Wechsel, im Leid auf Freude. Nehmen wir noch ein kleines Beispiel aus der Natur. Betrachten wir einmal eine Blume. Sie zeigt uns das Prinzip Hoffnung sehr deutlich. Anhand der Jahreszeiten erfahren wir ihr Erwachen, ihr Blühen, ihre ganze Schönheit, aber auch ihr langsames Sterben, ihr Fruchtbringen und ihre Ruhe. Und dieser Kreislauf beginnt Jahr für Jahr von neuem. Im Verblühen bringt sie Frucht und neues Leben. Nichts ist sinnlos, wenn es uns nur gelingt, etwas über die eigene Nase, den begrenzten Horizont hinaus zu sehen.

Hoffnung überwindet
Trauer und Angst
Enttäuschung und Leere

Sinnvolle Leere. Haben das nicht große Menschen und große Heilige getan? Liegt nicht darin der Grund zur Freude und zum Optimismus im Leben? Alles in einem großen Zusammenhang zu sehen, in einem tiefen Sinn? Ich denke da an das Buch Hiob. Kürzlich las ich eine Abhandlung darüber. Dabei wurde mir bewusst, welche Kraft in der Hoffnung liegt. Das Buch will uns meines Erachtens zwei Sachen zeigen. Zum einen wehrt sich Hiob vehement gegen die Behauptung, dass Leid und Schmerz im Leben eine Strafe seien. Sie sind auch nicht einfach da, um den Menschen zu erziehen und ihm zu zeigen, dass unser Handeln, ob gut oder böse, Folgen hat. Das mag es durchaus ebenfalls sein. Zum anderen aber wird hier gezeigt, dass Leid und Schmerz, in körperlicher und seelischer Hinsicht, in der grössten Verlassenheit und Erniedrigung, nicht einfach völlig sinnlos sind. Dahinter steckt immer die große Frage nach Gott. Vor ihm können wir gerade in solchen unmöglichen Situationen eben nur still werden. Unsere Fragen, unser Schreien werden nicht beantwortet, das Leben selbst, die Erfahrung des Leidens lässt uns verstummen und einfach dasein vor Gott. Darin kann, muss aber nicht unbedingt, eine tiefe Gotteserfahrung, ja eine ganz persönliche Gottesbegegnung stattfinden. Selbst in solchen absoluten Tiefpunkten des Lebens ist es die Hoffnung, die uns durchhalten lässt und Kraft gibt, über den Horizont aller Schmerzen hinaus zu blicken und Zusammenhänge zu erahnen, die sich letztlich sinnbringend auswirken.

Hoffnung befreit
von Starrsinn und Schwermut
von Hetze und Hast

Zum Aufbruch bereit. Hoffnung ist also eine Grundhaltung. Und diese Grundhaltung befreit vom kleinlichen, engen Denken, vom Haftenbleiben an Sorgen und Ereignissen, die wir sowieso nicht ändern können und die uns nur momentan belasten. Befreit aber auch vom Kleben an Vergänglichem, befreit von dem Wunsch andere zu besitzen.
Hoffnung hilft, immer wieder neu loszulassen, frei zu werden von allen unnötigen Bindungen und Belastungen. Sie weiß, dass wir stets aufbrechen in neue Horizonte, neue Lebensräume und Lebensmöglichkeiten, die wir gar nicht erahnen können, wenn wir es nicht wagen, uns einzulassen auf das Kommende, auf das, was wir erhoffen. Hoffnung ermöglicht es, dass wir eine Zukunft haben.

Hoffnung ist
die Mutter der Freude
die Schwester des Glaubens
das Kind der Liebe

Liebe hofft alles. Es gibt nur eine stärkere Kraft als die Hoffnung, das ist die Liebe. Die Hoffnung, so können wir sagen, ist ein Kind der Liebe. „Die Liebe hofft alles und glaubt alles“, sagt Paulus im ersten Korintherbrief (Kapitel 13). Sie gibt niemals jemanden auf. Das liegt auch in der Natur der Hoffnung, daran festzuhalten, dass die Beziehungen der Liebe gut werden, auch wenn sie durch tausend Hindernisse gefährdet sind. Wenn zwei sich wirklich lieben, vermag sie nichts voneinander zu trennen. In jeder Lage hoffen sie auf Besserung, Änderung. Ich erlebte das vor kurzem bei einem jungen Paar aus dem Ausland. Sie hatten nicht nur keine wirtschaftliche Grundlage, sie hatten auch keine rechtliche Handhabe, um im Land zu bleiben. Dazu kamen der Tod des Brautvaters und die schwere Krankheit eines Neffen. Das machte viele lange Reisen notwendig und stürzte die beiden nicht nur in finanzielle Sorgen, sondern belastete obendrein ihre Beziehung. Über Monate, ja Jahre waren sie auf der Suche und gaben nie auf, bis sie schließlich eine Niederlassung erhielten und die Frau eine Arbeit fand, mit der die beiden sich ernähren können. Hoffnung und Liebe, gepaart mit dem Glauben, vermögen Berge von Problemen zu überwinden.

Hoffnung ist stets
Neubeginn
Aufbruch zu Christus
Erwartung seiner Verheissung

Gute Dosis Hoffnung. Ist uns Jesu Botschaft da nicht eine Hilfe? Sie will uns frei machen von falschen Ängsten und Sorgen, von falschen Traurigkeiten. Sie will befreien von dem rein irdischen Denken, das so vergänglich ist, und will Hoffnung schenken auf ein erfülltes Leben. Nehmen wir noch einmal die Blume. Sie erfüllt ihre Aufgabe und hinterlässt Samen. In dem Samen ist alles drin für ein neues Leben, und so geht das Leben der Blume immer weiter. Sollte das bei uns Menschen als Teil der Natur anders sein?
Was machen wir uns oft Sorgen! Vertrauen wir doch, dass das Leben in seiner Schönheit gelingt, einmal weitergeht, und wir hier in der Welt, mit dieser Natur, und mit diesen Menschen zufrieden sein können, wenn wir die Grundeinstellung der Hoffnung haben. Nicht alles lässt sich planen. Im Leben kommt so viel, manchmal alles, anders als wir wollen, als wir uns das vorgestellt haben. Also steht uns eine gute Dosis Hoffnung wohl an und hilft über so viele unnötige Sorgen hinweg. Hoffnung ist Leben.
        

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016