Kostbarer Kranz romanischer Kirchen

01. Januar 1900 | von

Köln wurde nicht von ungefähr das heilige Köln genannt: Am Ausgang des Mittelalters soll die rheinische Domstadt so viele Kirchen wie Tage im Jahr besessen haben. Köln wäre jedenfalls nicht Köln, wenn es seine Kirchen nicht hätte, war denn auch die Meinung der Bürger, die nach schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg ihre Stadt wieder aufbauen mussten. Es sollte mehr als 40 Jahre dauern, bis die Restaurierung der romanischen Kirchen vollendet war. Nach wie vor ist zwar der gotische Dom das alles überragende Wahrzeichen der Stadt, doch der Kranz der zwölf großen Kirchen aus dem 10. bis 13. Jahrhundert - St. Andreas, St. Aposteln, St. Cecilien (heute Schnütgen-Museum für kirchliche Kunst), St. Georg, St. Gereon, St. Kunibert, St. Maria Lyskirchen, St. Maria im Kapitol, Groß St. Martin, St. Pantaleon, St. Severin und St. Ursula - macht Köln zu einem Zentrum der romanischen Baukunst.

Im Blickpunkt Köln. Daher steht im Jahr 2001, das von den deutschen Touristikern zum Jahr der Romanik ausgerufen wurde, Köln neben Magdeburg und der Strasse der Romanik in Sachsen-Anhalt im Blickpunkt. Ende Juni werden wieder in den romanischen Kirchen Kölns Konzerte veranstaltet, deren Höhepunkt traditionell die Romanische Nacht in St. Maria im Kapitol ist. Und neben dem Köln Tourismus Office, das Stadtführungen auch zum Thema Romanik anbietet, organisiert das Domforum gegenüber der Kathedrale zu bestimmten Terminen Rundgänge durch romanische Kirchen; Spezialführungen sind etwa den Holztüren zweier herausragender Kirchen gewidmet, der mittelalterlichen Holztür von St. Maria im Kapitol und der im 20. Jahrhundert entstandenen Tür von St. Pantaleon; für Rheinländer wird sogar in der St. Andreas-Kirche und in St. Gereon gelegentlich die Romanik op kölsch erklärt. (Informationen über aktuelle Programme beim Köln Tourismus Office, Tel. 0221/22123345 und beim Domforum Tel. 0221/ 92584730 oder im Internet unter www.domforum.de)

Rom des Nordens. Wer im Jahr der Romanik Köln besucht, wird weitgehend Kirchenbauten vor Augen haben, die in der Zeit vom späten 10. bis zum frühen 13. Jahrhundert errichtet worden sind. Sie sind Zeugen der Entwicklung Kölns von einem verlassenen Ort an der Grenze des fränkischen Reiches zu einer wohlhabenden Handelsmetropole mit 40 000 Einwohnern. Die zentrale Lage Kölns an einem der wichtigsten Ströme Europas und seine Funktion als Sitz eines Erzbischofs, der zugleich Stadtherr war, bildeten die wesentlichen Ursachen dafür. Nachdem Karl der Große Bischof Hildebold, den ersten Geistlichen an seinem Hof, zum Erzbischof ernannt hatte, begann die Bautätigkeit, die unter Erzbischof Bruno, einem Bruder von Kaiser Otto dem Großen, zu einer ersten Blüte führte. Köln wurde mit seinen prächtigen Kirchen und seinen Reliquienschätzen zu einem Rom des Nordens.

St. Gereon über Gräbern. Einzigartig ist St. Gereon, dessen Kern als spätantiker Zentralbau inmitten eines Gräberfeldes gegen Ende des 4. Jahrhunderts errichtet wurde - vermutlich als Versammlungsraum für die frühen Christen. Die acht Nischen des ovalen Innenraumes wurden durch eine Vorhalle und einen knappen Chor zusammen gefasst. Im frühen Mittelalter deutete man das Gräberfeld als Friedhof der Thebäischen Legion: Daraus entwickelte sich die Legende, dass Kaiserin Helena (die Mutter Konstantins des Großen) über den Gebeinen des Heiligen Gereon und seiner Gefährten, die für ihren Glauben gestorben waren, die Kirche errichten ließ. Anhand von Münzen, die in der Kirche gefunden wurden, steht aber fest, dass der Bau erst einige Jahrzehnte nach Helenas Tod entstanden sein kann.

Ausnahme-Architektur. Die wachsende Zahl der Chorherren des um 840 erstmals bezeugten Stifts führte zum Anbau eines lang gestreckten Ostchores, der später noch einmal verlängert und mit zwei flankierenden Türmen zu einer eindrucksvollen Fassade ausgestaltet wurde. 1227 wurde der Umbau des römischen ovalen Raumes zum Dekagon, zum Zehneck, abgeschlossen. Das Dekagon war aufgestockt, innen hatte man Pfeiler vorgesetzt, und über frühgotischen Fenstern wölbt sich seither eine auf zehn Rippen gestützte Kuppel, deren Schlussstein in 34 Meter Höhe schwebt. Diese für das hohe Mittelalter außergewöhnliche Architektur beweist, welche Bedeutung dem Bauwerk beigemessen wurde. Bis heute vermittelt die Kirche ein großartiges Raumerlebnis; doch auch die Krypta mit Mosaiken des 11. Jahrhunderts, die expressive Szenen aus dem Leben Samsons und Davids zeigen, beeindruckt als Raum von feierlicher Klarheit.

Kapitolstempel und Kleeblattchor. Dort, wo einst der den Gottheiten Jupiter, Juno und Minerva geweihte Kapitolstempel stand, erhebt sich St. Maria im Kapitol. Mit ihrem Beinamen erinnert sie an die römischen Ursprünge des Ortes, der in der Frankenzeit im Besitz von Plektrudis, Gattin des merowingischen Hausmeiers Pippin dem Mittleren, gewesen sein soll. Sie soll bereits im frühen 8. Jahrhundert hier eine Kirche gegründet haben. Zwei schöne Grabplatten erinnern an Plektrudis: Auf dem älteren Stein wird sie als sancta und regina bezeichnet, obwohl sie weder heilig gesprochen noch jemals Königin war - der Familienstolz hat hier ein wenig übertrieben. Denn für die heutige Gestalt der Kirche war Äbtissin Ida, Enkelin Kaiser Ottos II. und der Theophanu (die wiederum im Seitenschiff von St. Pantaleon bestattet wurde), verantwortlich. Im Jahr 1049 wurde das Langhaus geweiht, 1065 der beeindruckende Chor, der nach dem Vorbild der Geburtskirche in Bethlehem in Kleeblattform angelegt wurde. Im Chor ist eine liebevolle Madonna mit Kind vom Ende des 12. Jahrhunderts zu sehen - kunsthistorisch bedeutsam, weil sie den Übergang vom byzantinischen Stil zu einer menschlicheren Ausdrucksform des Heiligen repräsentiert.

Ihr Sockel ist stets mit Äpfeln bestückt, zur Erinnerung an eine Legende: Ein armer Schusterjunge, der oft im Stiftsbezirk herumschlich, habe seinen Apfel dem Jesuskind zum Abbeißen gereicht. Und die Statue sei zum Leben erwacht und Jesus habe mit ihm gespielt...

Staunenswerte Holztür. Im 16. Jahrhundert wurden Chor und Langhaus durch einen hohen Lettner voneinander getrennt, der sich nach einigen Veränderungen wieder am angestammten Ort befindet. Die Teilung der beiden Kirchenräume wird durch einen Orgelbaufbau über dem Lettner verstärkt, so dass ihr unterschiedlicher Charakter deutlich erlebbar wird. Im Westbau des Langhauses ließ Äbtissin Ida ein Emporengeschoss einrichten, das die Aachener Pfalzkapelle Karls des Großen nachahmt: ein Zitat, mit dem sie der neuen salischen Herrscherfamilie, die in Speyer ihre gewaltige Grablege hatten bauen lassen, wohl die Bedeutung ihrer Vorfahren demonstrieren wollte... Neben der schönen Krypta ist die romanische Holztür mit ihren wundervoll geschnitzten Bildtafeln, die in ausdrucksvoller Gebärdensprache Leben und Leiden Jesu von der Geburt bis zum Pfingstwunder darstellen, des sorgsamen Schauens wert: Sie ist die einzige überkommene Holztür der Romanik. Und die Überreste des einstigen Stiftsbezirks mit Singemeisterhäuschen, Dreikönigenpförtchen und Äbtissinnenhaus ringsum vermitteln eine Ahnung von der Kölner Vergangenheit.

Part im Panorama. Der Turm von Groß St. Martin gilt als der schönste von Köln, ohne ihn ist das Stadtpanorama nicht vorstellbar. Der Kleeblattchor entstand nach dem Vorbild von St. Maria im Kapitol; wie diese Kirche wurde Groß St. Martin ebenfalls auf Römergrund gebaut. Die Ausgrabungen unter der Kirche dokumentieren, dass sich hier, auf einer früheren Rheininsel, eine römische Sportanlage samt Schwimmbecken befand; später wurden an dieser Stelle von den Römern Lagerhallen errichtet. Reste der Hallen sollen schon in karolingischer Zeit auf Veranlassung von Pippin dem Mittleren zu einer Kirche umfunktioniert worden sein, bevor an dieser Stelle im 12. Jahrhundert die mächtige heutige Kirche entstand. Mit den beiden vornehmen Figuren eines Mannes und einer Frau am Kapitell des südlichen Vierungspfeilers könnten deshalb die legendären Gründer Pippin und Plektrudis gemeint sein. Außer diesen kleinen Skulpturen und dem schönen Taufstein ist wenig aus romanischer Zeit überkommen.

Blickfang St. Aposteln. Da auch die Ausmalungen der romanischen Kirchen – mit Ausnahme der Schifferkirche St. Maria Lyskirchen am Rhein - bis auf wenige Reste die Wirren der Zeiten nicht überstanden, hat man in St. Aposteln 1988 bis 1993 von Hermann Gottfried den Chor mit abstrahierten Szenen aus der Offenbarung des Johannes modern ausmalen lassen. Von außen ist St. Aposteln - Anfang des 11. Jahrhunderts begonnen und ab der Mitte des 12. Jahrhunderts umgebaut - Blickfang der Stadt vom Neumarkt aus. Mit der reichen Fassadengliederung, den Rotunden, Giebeln, Kuppeln und Türmen gilt die Kirche in ihrer kraftvollen Geschlossenheit als Höhepunkt der romanischen Architektur. Im Jahr 1248 wurde dann der Grundstein für den neuen Kölner Dom gelegt; die Zeit der romanischen Kirchen war vorüber, die Gotik hatte das heilige Köln durchdrungen.

 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016