Kuba vor dem Papstbesuch

31. Juli 2015 | von


Mit den Worten „Wenn der Papst weiter so redet, dann fange ich früher oder später wieder an zu beten und trete wieder der katholischen Kirche bei,“ wird Kubas Staatspräsident Raúl Castro nach einem Besuch bei Papst Franziskus im Vatikan zitiert. Nun erwidert das Kirchenoberhaupt den Besuch: Im September 2015 besucht der Papst Kuba. Br. Silvano Castelli, Oberer für unsere Brüder in Kuba, fasst die Stimmungen vor dem prominenten Besuch zusammen. 




Kubas Christen sind in Feierstimmung: Es ist für sie eine außergewöhnliche Ehre, dass mit dem Besuch von Papst Franziskus bereits der dritte Papst in Folge während der letzten 17 Jahre die karibische Insel bereist. Vom 19. bis 22. September 2015 besucht das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche die Karibikinsel. Ganz offensichtlich erweckt dieses kleine Land mit seinen elf Millionen Einwohnern weltweit großes Interesse. Der Hauptgrund dafür mag in der bewegten Geschichte der letzten Jahrzehnte liegen, aber wohl auch in der jüngeren Entwicklung, die dazu beigetragen hat, dass neue Hoffnung auf Veränderungen aufkeimt.







Die Schwerpunkte des Papstes



Man weiß, dass sich Papst Franziskus vor allem für die sozialen Angelegenheiten und besonders für die der kleineren Länder interessiert, wohl in dem Wissen um ihre Bedeutung für die weltweite Versöhnung. Es geht ihm darum, positive Aspekte zu unterstreichen, die von der öffentlichen Meinung oft nicht wahrgenommen werden, die aber für die Vision einer Welt nach der Logik des Evangeliums wichtig sein können. Hier nun kann Kuba als Beispiel dienen, vor allem für die Tatsache, dass nach Jahrzehnten der Missverständnisse und der totalen Isolation nun die Möglichkeit einer Versöhnung mit den USA aufscheint. Wie die ganze Welt weiß, hat der aktuelle Papst in dieser gegenseitigen Öffnung eine ganz entscheidende Rolle gespielt, als er sich zum Förderer eines Dialogs zwischen beiden Parteien gemacht hat, der zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen der beiden Länder führte. 



Diese Motivation hat wohl den Papst dazu bewegt, auf dem Weg in die Vereinigten Staaten (eine Reise, die schon lange geplant war) einen Zwischenstopp in Kuba einzulegen. Dieser Aufenthalt wird noch einmal seine Mitarbeit an der Versöhnung unterstreichen und wohl auch für beide Parteien positive Früchte bringen. Mehrere Male haben die Präsidenten Kubas und der USA die Rolle des Papstes bei der gegenseitigen Annäherung unterstrichen und ihm für seine Vermittlung gedankt.



In Kuba wird Papst Franziskus sicher ein festlicher und dankbarer Empfang bereitet – auch dank seiner außergewöhnlichen Beliebtheit. Die kubanische Regierung und die Kirche organisieren gemeinsam den Empfang, so dass so viele Menschen wie möglich dem Papst begegnen können. Dies wird sowohl für das religiöse als auch für das gesellschaftliche Leben ein herausragendes Ereignis sein. 







„Botschafter der Barmherzigkeit“



Die Kirche Kubas hat als Motto des Papstbesuches den Slogan „Botschafter der Barmherzigkeit“ gewählt, ein Satz, der das Wirken von Papst Franziskus zusammenfasst und der an das „Jahr der Barmherzigkeit“ erinnert, das er für das kommende Kalenderjahr ausgerufen hat. Das Motto ist auch eine Einladung an alle Kubaner, für die Gläubigen wie für die Ungläubigen, die eigene, nicht immer einfache Geschichte der letzten Jahrzehnte neu zu lesen, um neu zu beginnen mit einem Gefühl des Vertrauens und der wahren Freiheit.



Papst Franziskus wird in Kuba als „Botschafter der Barmherzigkeit“ landen und dabei seinen Besuch anbinden an den von Johannes Paul II., der 1998 als „Zeuge der Hoffnung“ kam, und an die Reise von Benedikt XVI., der sich im März 2012 als „Pilger der Nächstenliebe“ zeigte. Diese früheren Besuche haben nachhaltige Spuren hinterlassen. Es besteht kein Zweifel, dass nun auch dieser Papst der Kirche von Kuba und dem ganzen Land einen Weg der Hoffnung und der Erneuerung schenken wird. 







Die Kirche in Kuba



Die Kirche, auf die Papst Franziskus in Kuba treffen wird, ist nicht mehr die Kirche, auf die Johannes Paul II. bei seinem Besuch stieß. Die Kirche wird heute von einer großen Dynamik geprägt und von einer unübersehbaren Öffnung. Die Kirche von Kuba pilgert als eine zahlenmäßig kleine Kirche, aber als eine, die die „Gnade des Anfangs“ erlebt. Es ist fast so, als wäre sie gerade aus den Katakomben heraus gekrochen, um Schritt für Schritt in die Gesellschaft einzutreten, in neuer Zusammenarbeit mit dem Staat zum Wohl des Volkes. Es gibt heute schon soziale Projekte, die von der Kirche geleitet werden – etwas, das vor Jahren noch absolut undenkbar schien. Es gibt einen kontinuierlichen Dialog, auch wenn er noch nach alten Mustern verläuft. Es besteht die Möglichkeit, sich öffentlich zu seinem eigenen Glauben zu bekennen. Christsein ist nicht länger ein Hindernis, bedeutende gesellschaftliche Positionen zu bekleiden. All das nimmt die Kirche in die Pflicht und verlangt die Ausbildung von reifen Persönlichkeiten. Dazu gibt es bereits ein Ausbildungszentrum und vieles ist im Aufbruch.







Vertrauensvoller Blick nach vorn



Wir sind dem Herrn dankbar für den Weg in den vergangenen Jahren, den unser Orden in Kuba seit der Gründung der ersten Niederlassung im Jahr 2001 gehen konnte. Gemeinsam mit den uns anvertrauten Menschen blicken wir nach vorne auf das Neue, auf das Kommende. Alles ändert sich, die Welt dreht sich immer schneller. Auch ideologische Strukturen antworten nicht mehr adäquat auf das, was gerade aktuell ist. Wir sind mittendrin in der Dynamik dieser Entwicklung. Unsere Leute bitten uns, Hilfe und Stütze zu sein für ihren Traum von einer anderen Welt, einer Welt, die freier und gerechter ist. Wir zehren täglich vom Wort Gottes und stellen uns in ihren Dienst, um ihre Hoffnung zu stärken, und gehen gemeinsam mit ihnen, oft leidend angesichts der Unsicherheiten in diesen Augenblicken des Wandels. 



Aber die Zukunft wird wunderbar sein! Daran haben wir nicht den geringsten Zweifel, denn wir kennen unsere Leute. Sie sind offen, begabt und kreativ. Wir kennen ihre Sehnsucht nach einer Zukunft, die ihren elementaren Grundbedürfnissen entspricht, und wir tun alles dafür, dass sie nicht kapitulieren – dass sie nicht von Dingen zu träumen beginnen, die nicht wirklich frei machen, dass sie sich nicht nach den Trugbildern ausstrecken, die doch kein Heil bringen. Die Zukunft ist hier. Sie wird diese Insel in einen wunderbaren Garten verwandeln!



Das ist heute unsere Aufgabe: Jesus Christus als einzige Quelle der Hoffnung zu verkünden; die Nähe der Kirche allen Suchenden zu vergegenwärtigen; die Unterstützung der Kirche allen zu versichern, die ihr in den vergangenen Jahren allen Schwierigkeiten zum Trotz treu geblieben sind. Wir betrachten den Besuch von Papst Franziskus, ebenso wie schon die Besuche der beiden früheren Päpste, als Zeichen der besonderen Aufmerksamkeit für ein Volk, das so gut ist und das so sehr leidet. Wir sind sicher, dass dieser Besuch unserem Volk wieder neue Hoffnung geben wird. Und auch dazu sind wir hier: damit wir die Erinnerung an die Vergangenheit wach halten, ohne den Blick auf den Horizont zu vergessen, der sich der Hoffnung öffnet. Das ist eine faszinierende Aufgabe. Trotz aller Schwierigkeiten fühlen wir uns als Brüder unter Brüdern – voller Freude darüber, dass wir diejenigen begleiten dürfen, die uns mit offenen Armen aufgenommen haben, und die in uns ein Zeichen des Sieges der Liebe des Herrn gesehen haben.







Die Zukunft beginnt heute



Wir sind überzeugt davon, dass sich sowohl für die Kirche in Kuba als auch für unseren Orden eine strahlende Zukunft abzeichnet. Wir haben keinen Zweifel daran. Die Vorbedingungen sind erfüllt. Es braucht nur ein wenig Geduld und den festen Willen, weiter zu gehen und nach vorne zu blicken. Papst Franziskus kommt nach Kuba mit seinem unverwechselbaren Stil, mit seiner Sehnsucht, Worte zur sprechen, die die Herzen der Menschen erreichen. Er wird kommen als „Botschafter der Barmherzigkeit“ und er wird uns lehren zu vergeben, die Geschichte mit neuen Augen zu betrachten, und zu erkennen, dass der Herr immer und für jeden und jedes Volk eine unglaubliche Geschichte der Liebe schreibt, wenn wir ihm die Türen unseres Herzens öffnen.



Wir glauben, dieser Moment ist genau der richtige, diese Botschaft aufzunehmen. Die Öffnung hin zu den Vereinigten Staaten von Amerika, vor ein paar Monaten noch eine unvorstellbare Sache, hat eine positive Erwartungshaltung geschaffen und bei so vielen Menschen den neuen Willen geweckt, etwas voranzubringen. Jetzt wird es darum gehen, das Feuer der Hoffnung am Brennen zu halten, damit die Kubaner selbst zu aktiven Gestaltern ihrer Geschichte werden und Entscheidungen fällen, die geprägt sind von wahrer Liebe zum Menschen und zu ihrem Land.


Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016