Kultur des Betens

01. Januar 1900

Es gilt, eine gute Zeit für dein Gebet zu wählen, keine Abfallzeit, in der du zu müde bist oder nichts anderes mehr beginnen kannst. Es ist dir persönlich und erst recht dem Herrn nicht angemessen, ihn mit Rändern und Resten abzuspeisen. Du sollst ja mit aller Aufmerksamkeit beim Beten bleiben können. Damit das gelingen kann, sollten wir uns selbst eine Kultur des Betens schaffen.

Feste Zeiten. Bestimme auch selber die Dauer und die Struktur deines Gebetes und bleibe bei dem Rahmen, den du dir selbst gesteckt hast. Es gilt, sich dabei weder zu überfordern noch zu unterfordern. Überlaß es auf keinen Fall dem Zufall, wann du betest. Am ehesten wird es dir gelingen, wenn du täglich und zur selben Zeit betest, konsequent und ausdauernd und doch in Freiheit.
Gelegentlich höre ich: Ich nehme mir immer vor, nach der Erledigung meiner Hausarbeiten (Geschirr spülen, Betten machen, Wohnung säubern, Einkaufen) zu beten, doch daraus wird dann meist nichts mehr. Bete sofort, wenn deine Angehörigen am Morgen aus dem Haus sind – auch wenn da noch Chaos in der Wohnung herrscht. Du wirst erleben, daß du nachher mit den Arbeit genau so gut oder sogar noch eher fertig wirst.

Ort der Stille. Suche dir einen Ort, an dem du zur Ruhe kommst und der dich zum Beten anregt. Manche können dies in einer Kirche oder Kapelle oder in einem Meditationsraum tun, der an ihrem Weg liegt. Die meisten werden jedoch in den eigenen vier Wänden beten müssen. Dabei bewährt sich eine Gebetsecke in einem Zimmer, in dem man allein sein kann, einzurichten. Das schlichte Zubehör besteht aus einer Decke, einem Bild (Kreuz oder Ikone), das einen anspricht, eine Kerze, ein festes Polster oder ein Meditationsschemel, um gut und entspannt sitzen zu können. Ein solch persönlich gestalteter Platz lädt zum regelmäßigen Gebet ein.
Nicht jeder findet einen Bereich ohne Störung und Lärm. Wenn man sich etwas in diese Geräusche hineinhorcht und sie wahrnimmt, ihnen zunächst die Aufmerksamkeit schenkt und sie schlicht registriert, kann man sich dann dem Gebet zuwenden, und sie müssen nicht mehr ablenken. Wichtig ist, daß man nicht innerlich gegen sie ankämpft, sondern sie einfach registiert und stehen läßt.
Im Raum darf es nicht zu kalt sein, aber auch nicht zu warm.

Geistige Pause. Hier möchte ich ein Wort zur Einstimmung sagen. Meist können wir keinen direkten Übergang vom Alltag und der Arbeit zum Gebet vollziehen. Da ist es wichtig, die eigene Zerstreutheit, Hektik, Anspannung oder Müdigkeit wahrzunehmen. Man kann zunächst eine Entspannungsübung machen. Auch einfache, bewußt gesetzte Gesten oder Gebärden helfen, sich zu sammeln, zum Beispiel eine Verneigung, das Ausbreiten der Arme, das Öffnen oder das Ineinanderlegen der Hände, das Kreuzzeichen, der Meditationssitz. Solche Gebärden sind zunächst zwar äußere Vollzüge, aber sie wirken auch auf das Innere und Unbewußte ein. Nichts vom Menschen soll beim Gebet ausgeklammert werden. Der ganze Mensch darf und soll beten.

Wortformeln. Mir helfen auch bewußt gesprochene Wortformeln, mich zum Gebet einzufinden. Zu Beginn des Stundengebetes beten wir täglich: Herr, öffne meine Lippen oder während des Tages: O Gott, komm mir zu Hilfe. Ich kann auch beten: O Herr, mein Gott, Dich suche ich oder Herr Jesus Christus, erbarme Dich meiner.
Es ist gut, wenn man seinen eigenen Einstimmungsritus hat. Man braucht sich auch keine Sorge zu machen, daß dabei Zeit verloren geht, denn die Einstimmung ist schon Gebet.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016