Leid mittragen

25. März 2014 | von

Der verfluchte Schrei „Weg mit ihm!“ hat sich uns Christen eingeprägt aus dem Hören der Passion, der Leidensgeschichte unseres Herrn. Der Statthalter Pilatus kam nicht an gegen diese hasserfüllte Forderung. Bruder Paulus zeigt auf, dass dieser Schrei auch aus unseren Kehlen kommen kann, weil er sich in unsere Gesinnung einschleicht.



Wegmachen war schon immer eine beliebte Lösung der Mächtigen. In der Ukraine, in der Türkei, in Russland, in Nordkorea: Die Oppositionellen konnten und – leider auch – können ein trauriges Lied davon singen.

Hinweg mit ihm! ist ein Lösungsschrei, der Befreiung zum Ziel hat, und doch nur Opfer produziert. An Ostern wird dieser verfluchte Schrei wieder ertönen. Er gilt dem Gottessohn. Auch Gott muss weg. Weil er menschlichem Planen im Weg steht. Und sei es mit Gewalt!

Der angstvolle Schrei der Etablierten tönt so. Auch derer, die sich ganz privat eingerichtet haben, sich ihre Zukunft anders vorgestellt haben. So tönt es dann: Weg mit dem Kind im Mutterschoß! Weg mit dem leidenden Mitmenschen! Und in der Politik: Die deutsche Bundeskanzlerin gab dem ehemaligen Innenminister, nun Agrarminister, den Laufpass. Und manche emanzipierte Frau würde jetzt auch gern Alice Schwarzer weghaben: eine Steuerhinterzieherin als Speerspitze der Emanzipationsbewegung? Soviel Buße, heißt es, kann sie doch gar nicht tun, um je wieder richtig reden zu können.

In der Kirche ist es nicht anders: Die einen wollen den Bischof von Chur weghaben: zu konservativ. Die anderen – im Bistum Limburg – reden ebenfalls: Hinweg mit Bischof Tebartz-van Elst! Da möchte man kein Papst sein, der einerseits sich nicht beugen darf, wenn Unrechtes gefordert wird, der aber andererseits entscheiden muss, wenn sich Amtsträger als unfähig erweisen.

Das Schlimmste: Der Königsweg des Friedens ist kaum noch möglich. Wer einmal öffentlich diffamiert ist, kann noch so viel Buße tun: keine Chance.

Ich träume immer noch von einer Welt, in der wir voneinander wissen, dass wir Sünderinnen und Sünder sind. Und einander eine Chance geben. Einem Oppositionellen, einem unerwünschten Kind im Mutterschoß, einer Kranken, einem Finanzjongleur, einem Bischof, der sich verirrt hat.

Dazu braucht es eine neue Leidenskraft in der Kirche. Eine Kreuzeskraft. Denn im Durchtragen des Schmerzes der Sünde und im Einladen der Sünder eröffnet Jesus bis heute Wege zu einem engagierten Frieden.

Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt: Wer bei Jesus so offen empfangen wird, dem sollte auch bei uns etwas Anderes blühen als ein verächtliches weggedrückt werden.

Mit den Sünderinnen und Sündern leiden, und das Leid, das sie verursachen, tragen, aktiv anschauen, nach Auswegen suchen, Verzeihung gewähren, die Gemeinschaft mit denen nicht aufkündigen, die uns das Leben schwer machen.

Frieden ist kreuzanstrengend. Aber ostersiegschwangere Freude stiftend. Eine Freude, die trägt. Und bleibt.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016