Leises Piepen aus dem All

14. September 2007 | von

Ein schwach piepsendes Signal aus dem Universum versetzte die ganze Welt in helle Aufregung: die einen vor Begeisterung, die anderen vor Entsetzen. Am 4. Oktober 1957, vor genau 50 Jahren, gelang es der damaligen Sowjetunion, den ersten Satelliten ins Weltall zu katapultieren. Sputnik I war geboren.

Gewonnener Wettstreit. Dabei war das Leben des ersten Satelliten eher kurz: nach gut 300 Erdumkreisungen stürzte das etwas mehr als fußballgroße Objekt schon wieder auf die Erde und verglühte. Auch die wissenschaftlichen Aufträge dieser ersten Weltraumreise waren doch eher bescheiden. An Bord befanden sich zwei Sender im Kurzwellenbereich, sowie ein Innen- und ein Außenthermometer und zwei Batterien. Erforscht werden konnte damit nur wenig, aber wissenschaftliche Ergebnisse waren auch nicht Zweck des Unternehmens. Die eigentliche Sensation war die Tatsache, dass die Sowjets vor den Amerikanern einen Flugkörper ins All gebracht hatten. Die Ankündigung, aus Anlass des Internationalen Geophysikalischen Jahres (1957/58) einen Satelliten zu starten, wollte zunächst niemand so recht glauben. Man hielt es für Propaganda. Aber um die Nase im Wettstreit mit den Amerikanern vorn zu haben, minimierten die Sowjets ihr Vorhaben und konnten so alle Welt überraschen.

In einer elliptischen Flugbahn umkreiste der „Begleiter" (Übersetzung für Sputnik) die Erde in einer Höhe zwischen 227 und 964 Kilometern. Aufgrund der sehr hohen Dichte der Ionosphäre sank die Umlaufgeschwindigkeit und somit die Höhe immer stärker. Die Anziehungskraft der Erde zog den Satelliten zunehmend in ihren Bann, ein schnelles Ende. Ganz im Gegensatz zu seiner Wirkung: mit dem Sputnik begann eine rasante Entwicklung.

In den fünfziger Jahren war der Kalte Krieg in vollem Gange, die Einigkeit der Siegermächte hatte kaum den Zweiten Weltkrieg überlebt. Feste Feindbilder, Aufrüstung und Drohgebärden gehörten zum politischen Alltag der beiden Blöcke. Die gesamte Entwicklung der Raumfahrt folgte in ihren Anfängen wenig nur wissenschaftlichen Visionen oder Menschheitsträumen, sondern militärischen Vorgaben. Die Militärs unterstützten die Raketentechnik und brachten sie voran. Daneben war der Propagandaeffekt wichtig: Wer gewinnt im Wettlauf der Systeme, wer ist besser, schneller?

Weltmächte im Wettlauf. Kindisch anmutende Spielchen zweier Weltmächte, und dennoch verfehlten sie ihre Wirkung nicht. Angst machte sich im Westen breit, da die Russen offensichtlich Trägerraketen von einer Reichweite besaßen, die Amerika erreichen konnten. Dabei wird berichtet, dass die beiden Machthaber, Chruschtschow und Eisenhower, die Bedeutung des erfolgreichen Starts des Sputnik von Baikonur aus zunächst nicht recht erkannten. Der Sowjetführer soll angesichts der Meldung eher müde von einem „neuen Versuch dieses Koroljows" (der Erfinder des Sputniks) gesprochen haben und war wenig interessiert. Auch Eisenhower wird nachgesagt, dass er die Meldung nicht aufregend fand und zunächst keinen Grund sah, darauf zu reagieren.

Doch für beide änderte sich die Situation schlagartig, als die Medien und damit auch die Öffentlichkeit in ungeahnt heftiger Weise reagierten. „Russen haben den Wettlauf gewonnen", so die Schlagzeile der Prawda vom 8. Oktober. Chruschtschow hatte nun etwas, mit dem er das gegnerische Lager hervorragend „ärgern" konnte. Nicht nur ein wissenschaftlicher Erfolg war zu feiern, sondern anscheinend der Nachweis erbracht, welches System das effizientere war. Die Amerikaner sahen sich nun zum Handeln gezwungen – die Reaktion auf Sputnik I und den schon Anfang November folgenden Start von Sputnik II mit der Hündin Laika an Bord war vielleicht typisch amerikanisch. Salopp formuliert: Ärmel hochkrempeln und loslegen, was nichts Anderes hieß, als Prioritäten und Ziele formulieren, ein effizientes Programm mit Strukturen zu entwickeln und die wesentlichen Leute zusammenzubringen.

Faszination Raumfahrt. Die Antwort mündete dann im Apolloprogramm, mit dem von Kennedy 1961 proklamierten Ziel, noch „in diesem Jahrzehnt einen Menschen sicher zum Mond und zurück zu bringen". Das Ergebnis dieser Rede ist bekannt und gehört zu den medialen Megaereignissen der Moderne, die erste Mondlandung 1969. Doch in den ersten Jahren waren die Russen eindeutig (mit-) führend in der Raumfahrttechnik und vor allem in ihrer Realisierung: das erste Tier im All und dann das erste, das auch lebend wieder zurückkam, mit Gagarin der erste Mensch im Orbit und mit Leonow der erste, der einen „Weltraumspaziergang" unternahm.

Das Gegeneinander der Nationen hat sich im Laufe der Zeit aus verschiedenen Gründen immer mehr in ein Miteinander verwandelt. Kein Land kann sich die immensen Kosten alleine noch leisten. Und nach den ersten Erfolgen und vor allem Misserfolgen kamen die Zweifel am Sinn und Nutzen auf. Was bringt es der Menschheit, zum Mond zu gelangen, wenn auf der Erde so viele Probleme ungelöst sind? Wie ist es zu verantworten, wenn so viele Menschen hungern müssen? Wohl drängen „Raumfahrtschwellenländer" aus Prestige- oder militärischen Gründen noch ins All, ebenso wie die Europäer und Chinesen längst im All vertreten sind. Doch die ehemaligen Rivalen arbeiten häufig zusammen.

Was bleibt, ist die Faszination, die die Menschen schon immer von den Weiten des Weltalls hat träumen lassen. Im Überschwang der Gefühle sah man sich in Apollo-Zeiten schon nah am Ziel: den Mond zu besiedeln und bis 2000 den Mars, um von dort in unbekannte Räume vorzustoßen. Auch wenn diese Fortschrittsgläubigkeit deutlich gesunken ist, und angesichts der unendlichen Größe des Alls, in welchem der Sputnik und seine Nachfolger nur Winzlinge sind, großartig bleibt es doch: die natürlichen Grenzen der Erde überwunden zu haben.

Zuletzt aktualisiert: 05. Oktober 2016