Liebe Freunde!

01. Januar 1900 | von

Die Bilder der Pilgerfahrt des Heiligen Vaters waren so ergreifend, dass sie noch in der Erinnerung lebendig sind. Am 26. Februar besuchte er das Katherinenkloster und den benachbarten kahlen Berg, auf dem – so die Überlieferung – Gott sein Wort und eine Lebensregel an Mose und das Volk Israel geschenkt hat – ein Geschenk, das durch das Volk Israel an die gesamte Menschheit weitergegeben wurde.
Ich sehe ihn vor mir, den alten Papst, wie er sich auf seinen Stab oder auf einen Arm stützen muss, um voranzukommen und trotzdem entschlossen ist, den Weg der Offenbarung Gottes nachzuvollziehen. Er tut es mit vorsichtig tastenden Schritten, aber mit unerschütterlicher Überzeugung als sähe er den Unsichtbaren (Hebräer 11,27). Und dann das Bild des stillen Gebets, dort wo der Herr Mose seinen heiligen Namen enthüllte.
Er ruft den Herrn an und lauscht auf seine Stimme, denn der, der sich offenbart, ist nicht nur ein Widerhall der Vergangenheit – er lebt heute, um den Menschen den Weg zu zeigen und sie zu befreien.
Das Gebet am Sinai bezeugte den katholischen Glauben an den einen Gott, bekräftigte, dass die Kirche zu den Zehn Geboten und dem Alten Bund steht und in ihnen – wie vorher im Bund mit Abraham – ein durch Zeiten tragendes Fundament sieht. Es war auch eine Einladung an die gesamte Kirche, zu den Quellen des Glaubens zurückzukehren und aus der Kraft Gottes zu schöpfen, um so erneuert in das dritte Jahrtausend der christlichen Geschichte einzutreten.
Der Prophet Hosea kündete eine Rückkehr in die Wüste an: Es wird eine glückvolle Zeit sein, geprägt von der jungen Liebe zwischen Gott und seiner Braut Israel. Ich will sie in die Wüste hinausführen und sie umwerben. Sie wird mir dorthin bereitwillig folgen wie in den Tagen ihrer Jugend, wie damals, als sie aus Ägypten heraufzog. (2,16-17)
Der Weg der Offenbarung führt zur Gemeinschaft Gottes mit den Menschen, seinen Kindern. Die glückliche und vollkommene Vereinigung von Gott und der Menschheit, so unser Glaube, hat sich in der Menschwerdung Christi verwirklicht.
Um zu dieser Vereinigung zu gelangen, hat uns Christus die Taufe und die anderen Sakramente geschenkt. Christus führt die Offenbarung Gottes, der ihm den Weg voranging, fort und vollendet sie. Um das Geheimnis Christi zu verstehen, ist es jedoch notwendig, mit seiner Hilfe die Schriften noch einmal zu lesen, zur Vergangenheit zurückzukehren, sich auf die Taten und Worte zu besinnen, durch die sich der Herr Schritt für Schritt den Menschen offenbarte.
Um Energie für unseren Weg durch den Alltag zu tanken, braucht es gerade eine solche Rückkehr auf den Sinai, in die Wüste. So gestärkt können wir mit Weisheit und Kraft andere beschwerliche Pfade meistern, vielleicht andere Wüsten, die die Einsamkeit und Versuchung, durchqueren.
Liebe Leserinnen und Leser, sehen Sie in dieser Fastenzeit eine willkommene Gelegenheit, in Stille und Gebet inne zu halten – um gemeinsam mit Jesus in der Wüste zu sein, um zum Wort Gottes zurückzukehren und darüber nachzudenken.
Ich wünschen Ihnen einen fruchtbaren Weg und ein gesegnetes, fröhliches Osterfest.
Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016