Liebe Freunde!

01. Januar 1900 | von

Mit Erstaunen und Befremden liest man im Zusammenhang mit dem heiligen Antonius den Titel Ketzerhammer. In der alten Vita des Heiligen, der sogenannten Benignitas (um 1280) – die Historiker halten den franziskanischen Theologen Johann Peckham für den Autor – liegt ein wesentlicher Akzent auf den Kampf des heiligen Antonius wider die gefährlichen und unheilvollen Lehren der Häretiker. Der heilige Antonius sei mit der Gewalt eines Orkans über jene Füchslein, die den Weinberg des Herrn verwüsteten, hinweggefegt, so daß man ihn überall den Ketzerhammer genannt habe. Der Heilige habe also wie ein rasender Krieger seine Keule auf Lehrgebäude und Köpfe der Häretiker herabsausen lassen? Ein Vertreter der Intoleranz der mittelalterlichen Kirche, die zu Kreuzzügen gegen die Albigenser und zu den Schrecken der Inquisition führte? Anstatt dem heiligen Franz von Assisi ein wahrhafter Nachfolger zu sein, würde Antonius prompt dessen Forderung nach Frieden und Demut verdrehen. Und die Einladung zur Toleranz, die Pater Klaus Renggli mit viel Sensibilität im Thema des Monats unserer antonianischen Zeitschrift macht, würde wie ein falscher Ton in unseren Ohren schrillen.

Gewiß, die üblichen Darstellungen des Heiligen mit dem Jesuskind im Arm, die bisweilen auch zu lieblich ausfallen, werden nicht der Kraft seiner Worte und seinem missionarischen Eifer gerecht. Wenn man die Schriften des heiligen Antonius durchsieht, stellt man jedoch fest, daß Polemik gegen Häretiker ganz fehlt, und Hinweise auf ihre Doktrinen nur marginal sind. Die Predigten des Heiligen haben nicht die Zielsetzung, die Häretiker aus der Welt zu schaffen. Er prangert jedoch mit harschen Worten Ungerechtigkeiten, Wucherer und den Klerus an, der den Geist des Evangeliums verrät.

In der Rhetorik der damaligen Zeit kann der Titel Ketzerhammer als Hinweis auf den leidenschaftlichen Einsatz des Heiligen beim Verkünden des Wortes Gottes gedeutet werden, um ihn so noch stärker in Kontrast zu bringen zur Orientierungslosigkeit und Auflösung der christlischen Gemeinschaft, verursacht durch Irrlehren.

Die Initiativen des heiligen Antonius waren oft von Erfolg gekrönt, sind bisweilen aber auch im Sande verlaufen: symbolhaft wird dies auch in der Wundererzählung von der Fischpredigt deutlich – weil dem heiligen Antonius die Menschen nicht zuhören wollten, wandte er sich den Fische zu. Mit einem durch und durch franziskanischem Bild, zu dem wir sicher eher einen Zugang finden, will der Heilige in den Sermones daran erinnern, daß der Prediger sich in Demut üben soll und sich auf das Kreuz Christi stützen kann, wie der Wanderer auf seinen Stock. So wird uns geholfen, den richtigen Weg, den Weg Christi, zu gehen: Er bringt uns nicht dazu, andere zu töten, sondern unser Leben Gott und dem Nächsten zu weihen.

Wenn wir in jeder Person einen Menschen und einen Sohn Gottes sehen, können wir auch jeden Mitmenschen in seiner Eigenart und Andersartigkeit akzeptieren. Dieses ist der wichtigste Weg, um die Liebe zu verwirklichen und eine Farbe im bunten Glasfenster der Liebe, wie es Pater Klaus ausdrückt. Eine andere Farbe im Glasfenster der Liebe ist der Einsatz für Gerechtigkeit und Wahrheit, wobei Toleranz nicht mit Gleichgültigkeit und Flucht aus der Verantwortung verwechselt werden darf.

Ihnen allen, liebe Freunde der Antonianischen Familie, wünsche ich einen heiteren Monat in dem alle Farben des Friedens und des Heils aufleuchten mögen

 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016